Es
ist das wohl emotionalste der bisher im Stammhaus des Münchner
Traditionsunternehmens gezeigten Finale. Ein versöhnlicher Abschluss in
Zeiten, die so harmonisch gar nicht erscheinen. Der Circus hatte schon
immer die Aufgabe, die Menschen aus ihrem Alltag zu reißen, sie in eine
andere Welt zu entführen. Das schafft dieses Februar-Programm auch
insgesamt, nicht nur im Finale. Es ist eine gewohnt stimmige Mischung, die den klassischen
Dreiklang aus Artistik, Dressuren und Clownerie pflegt. Wie gewohnt,
bekommen die Zuschauer in dieser zweiten Show Gewinner des soeben zu
Ende gegangenen Circusfestivals von Monte Carlo zu sehen.
Geraldine Philadelphia, Jana Mandana mit Mala, Berty Balder
Die
Ouvertüre gehört dem großen, wunderbar spielenden Orchester von
Oleksandr Krasyun, die erste Darbietung Geraldine Philadelphia. Darin
vereint die junge Artistin Hula Hoop, Jonglagen und Kontorsion. Immer
dabei sind Reifen, die sie charmant um Körperteile kreisen oder durch
die Luft fliegen lässt. Mit dieser einzigartigen Kür war Philadelphia
des Öfteren bei Roncalli zu erleben. In der kommenden Sommersaison
wirbelt sie bei Nock in der Schweiz. Mala, Aisha und Kenya heißen die
drei Elefantendamen, mit denen Jana Mandana und James Puydebois einen
Tanz wagen. Bei einer neu zusammengestellten Nummer zeigen die Inderin
und die beiden Afrikanerinnen, welche Tricks sie mit Leichtigkeit
beherrschen. In dieser in Rot und Schwarz gehaltenen Inszenierung
legen sogar die beiden Tierlehrer ein paar Schritte auf das Parkett,
welches in diesem Fall zu Sägemehl verarbeitet wurde. Kurzfristig
einspringen musste Berty Balder. Der ursprünglich vorgesehene Clown
Charlie Carletto fiel kurz nach der Premiere krankheitsbedingt aus. So
übernimmt es Balder für einige Vorstellungen, die Zuschauer zum Lachen
zu bringen. Er spielt mit einer Papiertüte und einem Mülleimer. Er
lässt Zuschauer Limbo tanzen und eine Liebesszene spielen. Immer haben
die „Freiwilligen“ dabei ihren Spaß. Ebenso der Rest des Publikums. Am
besten gefallen hat mir Berty Balders Variante der Popcorn-Reprise. Bei
dieser wird er von einem vorwitzigen Vogelstrauß begleitet, dessen
Innenleben aus seinem rechten Arm besteht.
Katerina Abakarova, Elena Jasters, Jana Mandana
Zu
einer Opernarie fliegt Katerina Abakarova durch die Luft. Einem Vogel
gleich bewegt sie sich an Strapaten unter der Circuskuppel. Die junge
Russin beweist dabei Mut und Anmut. Ihre Umschwünge, Drehungen und
Balancen im Spagat sind nicht ungefährlich. Katerina Abakarova aber
zeigt sie mit solch einer Leichtigkeit, dass das Risiko in den
Hintergrund tritt. Sie verzaubert das Publikum vollends. Das sieht bei
den Jasters schon anders aus. Das italienische Ehepaar spielt bewusst
mit der Gefahr. Elena steht mutig am Brett, während Giacomo die Messer
so wirft, dass sie knapp neben ihrem Körper im Holz stecken bleiben.
Das auch, wenn Elena einen großen Bogen Papier vor ihren Körper hält
oder sich mit dem Brett in hoher Geschwindigkeit dreht. Mit der
Armbrust zielt Giacomo auf Gegenstände, die Elena mit den Händen oder
dem Mund festhält. Auch den Tellschuss haben die Jasters im Repertoire.
Zunächst sechs weiße Araberhengste lässt Jana Mandana zu Helene
Fischers „Fieber“ durch die Manege tanzen. Später kommen vier weitere
hinzu. Es ist eine schöne Freiheitsdressur, die an diesem Nachmittag
(noch) nicht ganz rund läuft. Die elegante Präsentation, die
abwechslungsreichen Lauffiguren und die wunderschönen Pferde sind aber
auf jeden Fall ein Hingucker. Als da capo erleben wir einen Steiger.
Rafael de Carlos, Sky Angels, Martin Lacey junior
Was
Geraldine Philadelphia mit Reifen macht, macht Rafael de Carlos mit
Bällen. Nämlich so ziemlich alles. Er lässt sie auf seinen Fingern
tanzen, jongliert sie mit den Händen und schnalzt sie mit dem Mund in
die Luft. Natürlich verwendet der temperamentvolle Kubaner dabei die
unterschiedlichsten Modelle. Zum Einsatz kommen Basket-, Fuß- und
Tischtennisbälle. Ebenso kleine weiße Bälle. Letztere fängt der
Wirbelwind mit kleinen Netzen auf, die er an einem Gürtel befestigt
hat. Bei diesen ungeheuer abwechslungsreichen Jonglagen assistiert ihm
seine Partnerin Martyn Chabry. Kristin Vorobeva und Rustem Osmanov müssen
sich bei ihrer Nummer ganz auf die Kraft ihrer Zähne verlassen. An den
Strapaten halten sich die Sky Angels aus Usbekistan bei vielen ihrer
spektakulären Tricks nur mit dem Gebiss. Was sie dabei ungesichert
präsentieren, gab es so bei uns noch nicht zu sehen. Teilweise mag man
seinen Augen nicht trauen, wenn man sieht, welche außergewöhnlichen
Figuren die Sky Angels da arbeiten. Einfach phänomenal. Es verwundert
nicht, dass das Duo soeben in Monte Carlo mit einem Goldenen Clown
ausgezeichnet wurde. Einen solchen nennt auch Martin Lacey junior sein
eigen. Ebenso einen silbernen. „Auf vielfachen Wunsch“, wie Nikolai
Tovarich in seiner Ansage mitteilt, erleben wir im Februar noch einmal
die „größte Raubtiershow der Welt“. Darin versammelt Lacey zwei weiße
sowie einen normalfarbenen Tiger und über 20 Löwen im Zentralkäfig. Es
entstehen eindrucksvolle, in der heutigen Zeit einmalige Bilder. Etwa
bei der großen Pyramide mit allen Tieren oder dem Hochsitzen der Löwen
im Kreis. Abwechslung bringen Sequenzen mit einzelnen Tieren. Etwa der
Scheinangriff eines prächtigen männlichen Löwen oder der Lauf eines
Tigers auf den Hinterbeinen. Das Finale gehört dem wunderschönen
Mähnenlöwen Baluga. Wir dürfen uns sehr glücklich schätzen, dass uns
Martin Lacey junior und der Circus Krone mit solch einer
eindrucksvollen Raubtiergruppe beschenken.
Duo Stipka, Corina Icleanu (Trio Stoian), Face Team
Klassische
Circuskunst dann mit dem Duo Stipka. Eliane und Daniel Stipka reiten
ein Pas de deux zu Pferd, das der Tradition verpflichtet ist und viele
anspruchsvolle Figuren enthält. Das Paar kann sich blind vertrauen,
während unter ihnen die beiden Friesen ruhig ihre Bahnen ziehen. Nur so
ist es möglich, dass Eliane in voller Bewegung frei auf dem Kopf von
Daniel stehen kann. Eine elegante Präsentation rundet dieses Bild ab.
Mit dem Engagement im Kronebau endet die gemeinsame Karriere des Trio
Stoian. Die Brüder Bogdan und Alex Stoian sowie Bogdans Partnerin
Corina Icleanu zeigen ihre preisgekrönte Artistik am Russischen Barren
in München zum letzten Mal. Danach ist diese eindrucksvolle Darbietung
Geschichte. Genießen wir also noch einmal die eleganten Schrauben und
Salti von Corina, die sie sicher auf der von den Untermännern
geschulterten Stange landet. Höhepunkt ist der Dreifache Salto. Der
besondere Reiz dieser Nummer liegt für mich darin, dass die Rumänen nur
zu dritt arbeiten. Keine zusätzlichen Akteure stehen rechts und links
des Russischen Barrens und sichern die Fliegerin ab. Während die
Stoians vom Sport kommen, bringen die acht Jungs des Face Teams ihre
Sportart gleich mit in die Manege. Die lässigen Ungarn spielen
Basketball. Das aber so artistisch, dass es „circusreif“ ist. Sicher
legen sie die Bälle in einem Korb ab, der am dem Artisteneingang
entgegengesetzten Teil der Piste installiert ist. Ein Trampolin gibt
den Akteuren zusätzlichen Schwung. In der sportlichen Choreographie
geht es Schlag auf Schlag. Die Sprünge zum Korb sind wirklich
abgefahren und sorgen für ordentlich Stimmung unter dem Dach des
Circusgebäudes. Ergänzt werden sie durch Intermezzi wie der Jonglage
mit Basketbällen.
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