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Kasseler Circusfestival 2016/17
www.flicflac.de ; 210 Showfotos

Kassel, 19. Dezember 2016: Seinen Weihnachtscircus in Kassel bewirbt Flic Flac als „Kultveranstaltung“ auf „Deutschlands schönstem Circusplatz“. Mit einem sehr starken und außerordentlich gut in Szene gesetzten Programm zeigt das Unternehmen, dass es hält, was es verspricht. Was die Auswahl der Gastspielplätze betrifft, beweisen Benno Kastein und Team wirklich ein gutes Händchen. Während er in der Hauptstadt mit dem Tourprogramm gerade direkt am Bahnhof Zoo aufgebaut hat, ist der Standort auf dem Friedrichsplatz am Weihnachtsmarkt von Kassel nicht minder prominent. Die zentrale Lage ist sicher auch ein Schlüssel zum Erfolg der Shows.

Beim Ambiente bleibt auch Kassel der Linie des Hauses treu – alles ist ein wenig düster, aber sehr hochwertig gestaltet. Hervorzuheben ist eine Lichttechnik, bei der keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Der Ton kommt zwar vom Band, ist aber immer treffsicher auf das Programm abgestimmt.


Flic Flac auf dem Friedrichsplatz in Kassel

Zum Auftakt kommen Lokalpatrioten bei einer eigens erdachten Hymne an Kassel auf ihre Kosten. Per Mützenwurf wird eine Publikumsjury bestimmt, die am Ende der Vorstellung ihr Votum abgeben kann - eine nette Idee, um dem gewünschten Festivalcharakter Rechnung zu tragen, von dem man ansonsten jedoch nichts mitbekommt. So werden die Artisten erst ganz am Ende vorgestellt. Dies ist jedoch auch gut so, lebt doch die temporeiche Inszenierung von geschickten Übergängen ohne Umbaupausen.


Puje Troupe, Trial, Elena Drogaleva

Den Anfang macht die Puje Troupe aus der Mongolei mit manegenfüllenden Handvoltigen bis zu vier Mann hoch. Es folgt eine Solo-Motorradakrobatik, die an das Trickrepertoire von typischen BMX-Fahrradnummern erinnert. Balanceakte und gewagte Sprünge zu schmissigen Gitarrenriffs kommen beim Publikum gut an und entsprechen ganz dem bekannten Flic-Flac-Stil. Im weiteren Verlauf vereint das Programm jedoch eine große Vielfalt an Stilrichtungen. So setzen die russischen Jongleure um Elena Drogaleva in eleganten Nadelstreifen einen gelungenen Kontrast. Ihre großartige Gruppenjonglage entspricht der bekannten Trickabfolge. Lediglich die musikalische Begleitung wurde etwas „modernisiert“.


Bert & Fred, Peter Shub

Rote Fäden gibt es im Programm gleich zwei. Zum einen sind da Bert & Fred, ein Komiker- und Akrobatenduo, das mit einigen skurrilen Einlagen zu sehen ist. Dabei muss Bert als Beinahe-Ziel von einem fallenden Messer, einem schwingenden Hammer und einer Peitsche herhalten. Zum anderen wurde der legendäre amerikanische Komiker Peter Shub engagiert. Sein erster Auftritt wird standesgemäß vom „Einzug der Gladiatoren“ eingeleitet, und er zeigt seine berühmten Reprisen mit dem unsichtbaren Hund und dem winzigen Fotoapparat – noch immer herrlich anzuschauen.


Oleg Izossimov, Duo Exxtreme, Run to Infinity

Oleg Izossimov zeigt eine Equilibristikdarbierung auf einem drehenden Podest, das mit aufwändigen Lichtspielen auf der als Manege dienenden Bühne in Szene gesetzt wird. Im weißen Kostüm und zu italienischem Gesang überzeugt seine Nummer durch langsame anmutige Bewegungen und etliche schwierige Einarmer. An den Strapaten und in einem vom Scheinwerferlicht illuminierten Wasserbassin spielt sich die Arbeit des Duos Exxtreme ab. Nach riskanten Figuren in der Luft erreicht ihre Darbietung den Höhepunkt, wenn die Partnerin aus mehreren Metern Höhe in das mit Flammen bedeckte Bassin stürzt. Nicht minder spektakulär ist die Mastakrobatik der Truppe „Run to Infinity“, bei der sie stärker auf Tempo und Dynamik setzen als es im Genre zumeist üblich ist. Dadurch entsteht eine Nummer mit Wiedererkennungswert, bei der akrobatische Leistung und Choreografie Hand in Hand gehen. Zum Abschluss des ersten Programmteils verabschiedet Peter Shub das Publikum mit seiner Fön-Reprise in die Pause.


Non Stop Nikitin Team, Puje Troupe, Viktor Kee

Den zweiten Teil eröffnet das Non Stop Nikitin Team mit einer Trampolinakrobatik, die größtenteils eine Kopie der kanadischen Catwall Acrobats darstellt. Der Begeisterung des Publikums tut dies jedoch keinen Abbruch. Zwei Trampoline, die von einem Gerüst getrennt sind, nutzen die Akrobaten für ihre kuriosen Sprungstafetten. Nach ihren komischen Zwischenspielen dürfen Bert und Fred nun ihr ganzes artistisches Können am doppelten Washingtontrapez unter Beweis stellen. Abwechselnd synchron und zusammen an einem Trapez beeindrucken sie vor allem durch Kopfstände auf dem schwingenden Trapez. Aber auch ihr komisches Talent kommt nicht zu kurz. Die Puje Troupe präsentiert in ihrer Zweitdarbietung ein akrobatisches Seilspringen mit sehr anspruchsvollen Formationen. Es folgt der amerikanische Jongleur Viktor Kee. Durch ein perfektes Zusammenspiel von Bewegung, Musik und Licht weiß er das Publikum für sich zu gewinnen. Dabei profitiert die ausgefeilte Choreografie von der professionellen Lichttechnik.


Katerina Abakarova, Aynar, Almur und Toja, Motorradstunts

An den Strapaten arbeitet die elegante Russin Katerina Abakarova. Sie zeigt ein genretypisches Repertoire, kreiert daraus jedoch eine sehr ästhetische eigene Darbietung. Aus der Mongolei stammen die drei Kontorsionistinnen Aynar, Almur und Toja. In kunstvoll gestaltetem Licht und zur Musik von Adele zeigen sie eine gelungene Kombination dieser klassisch-landestypischen Disziplin mit modernen Elementen. Einen harten Kontrast dazu schaffen die Motoradstuntmen, die mit spektakulären Sprüngen durch die Circuskuppel den Schlusspunkt des Programms setzen. Dem Publikum stockt der Atem und Erleichterung liegt in der Luft, wenn alle drei Fahrer wohlbehalten ihr Kompliment abholen.

Während sich der Benzingeruch legt, laufen alle Künstler von den Aufgängen des Gradins kommend ins Manegenrund ein. Mit Standing Ovations feiert das Publikum die Artistinnen und Artisten. Über gut zwei Stunden schafft das Programm etwas, das gerade für rein akrobatische Shows nicht leicht ist: Es ist durchweg abwechslungsreich und hat keine Längen. Man kann sicherlich darüber streiten, ob es Circus ist, was Flic Flac bietet. Eine gekonnt inszenierte und mitreißende Show ist es auf jeden Fall.


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Text: Daniel Burow, Fotos: Stefan Gierisch