Dazwischen erleben wir aber Nummern von Solisten, Duos, Trios
und einem Quartett. Damit ist die Show nicht weniger
sehenswert als der Vorgänger. Nur der Schwerpunkt ist eben ein
anderer. Wenngleich es schon in den vergangenen Ausgaben diese
kleineren Nummern gab, ist der Gesamteindruck nun ein anderes.
Schon allein der reduzierte Einsatz aufwendiger Requisiten
macht das Erleben irgendwie entspannter.
Baldrian, Artisteneingang, Gerrit von Bamberg
Entspannung
ist auch das Stichwort für Thomas Leuenberger alias Baldrian. Der
Schweizer sorgt für Entschleunigung. Dazu hat er seine Partnerin Gisela
dabei. Die Dame besteht aus zig ellipsenförmigen, silber glänzenden
Elementen und kann exzellent fliegen. Der Anblick ist ein imposanter,
und Baldrians Erklärungen dazu sind einfach urkomisch. Zudem hat er einen
Lenkdrachen bestens im Griff. Herrlich ist seine Flugstunde mit fünf
Gästen aus dem Publikum, die sogar dem Flughafen Kassel-Calden
Flugbewegungen in nennenswerter Höhe beschert. Gags mit nordhessischem
Einschlag sind aber in erster Linie die Spezialität von Gerrit von
Bamberg. Der in Kassel geborene Comedian führt durchs Programm und
sorgt zwischen den einzelnen Darbietungen für Spaß. Seine Witze um
Ahle Wurscht und andere regionale Besonderheiten treffen meinen Humor
nur sehr bedingt. Aber ich hatte es ohnehin noch nie so mit dem
nordhessischen Humor. Und das trotz (oder wegen?) zahlreicher
Verwandtschaft in Kassel. Um die Gastgeberstadt dreht sich ferner das
Opening. Ihr Name leuchtet auf dem großen Billboard über dem
Artisteneingang, und der dazu gespielte Song ist ein klares Bekenntnis
zu Kassel.
Holy Warriors, Robles, Viktoria Csordas
Schon die erste Nummer ist ein wahrer Paukenschlag. Zwölf Artisten vom
Chinesischen Nationalcircus in Peking springen in den verrücktesten
Kombinationen durch Reifen. Zunächst bewegen sich die Ringe
ferngesteuert auf verschiedenen Gestellen über die Rundbühne. Später
werden sie ganz klassisch übereinander gestapelt. Die Sprungvarianten
sind wirklich sensationell und die jungen Akteure mit sichtlich Freude
bei der Sache. Der von Mitgliedern des Publikums aus jeder Vorstellung
vergebene 1. Preis des Festivals ist den Holy Warriors damit sicher.
Nach einer Dosis Baldrian geht es auf das Hochseil. Die Robles aus
Kolumbien wissen, wie man auf diesem Requisit Nervenkitzel erzeugt. Bei
ihrer Pyramide im Trio fahren die beiden Untermänner gar auf
Fahrrädern. Das Seilspringen von großen Truppen sieht man nicht selten
in einer Circusmanege. Flic Flac aber hat eine Solistin in der Show.
Schon allein die Kondition von Viktoria Csordas ist bewundernswert.
Ständig ist die junge Ungarin in Bewegung. In ihrer sportlichen Kür
zeigt sie, welche Sprungvarianten ein einfaches Seil zulässt. Und die
sind faszinierend anzusehen.
Lissa Rinne, Sven & Janine, Atlantis
Immer
wieder ein Genuss ist die Luftnummer von Lisa Rinne. Voller Energie
erleben wir sie zunächst an der Strickleiter und dann am Schwungtrapez.
Die sympathische junge Dame mit den blonden Haaren wagt gefährliche
Sprünge, bei denen sie zum Glück longiert ist. Die von Streichern
gespielte Begleitmusik passt wunderbar. Aus Las Vegas nach Kassel
geholt hat Flic Flac das Duo Sven & Janine. Die beiden aus
Deutschland stammenden Artisten geben Vollgas, wenn sie mit ihren
Rollschuhen über eine runde Plattform jagen. Ihre erotisch aufgemachte
Darbietung enthält viele riskante Tricks. Eine spannende Neuentdeckung,
zumindest für mich. Bestens bekannt sind natürlich Atlantis. Viele
Jahre waren sie mit dem Circus Krone auf Tournee. In ihrer typischen
Aufmachung und zur gewohnten Musik präsentieren sie ihre Partner-Equilibristik, die sie mit Handvoltigen kombinieren.
Robles, Denis Ignatov, Andreas Bartel
Mit
einem Flic Flac-Klassiker geht es nach der Pause weiter. Julio Robles
und Partner drehen atemberaubende Runden auf dem Todesrad. Zu zweit
fegen sie über die Außenseiten ihrer beiden Trommeln. Das auch gerne
mal mit verbundenen Augen. Die hohen Sprünge sorgen für weiteren
Nervenkitzel. Weit ungefährlicher sind da die Kubusjonglagen von Denis
Ignatov. Faszinierende Bilder entstehen, wenn er seine glänzenden
Requisiten rotieren lässt. Dass das, was so leicht aussieht, harte
Arbeit ist, lässt sein gestählter Körper erahnen. "Durchtrainiert wie
ein Spitzenathlet", so beschreibt das Programmheft Andreas Bartel und
seine Arbeit am Chinese Pole. Und natürlich kostet die Arbeit an der
fünf Meter langen Fiberglasstange sehr viel Kraft. Die Kunst ist es
aber, die Tricks ganz leicht aussehen zu lassen. Das gelingt dem
sympathischen Bartel ganz hervorragend.
Michael Ferreri, Oli Nova, Pinillo Moto Riders
Michael
Ferreri haben wir an dieser Stelle schon des Öfteren ein Loblied
gesungen. Das ist in Kassel nicht anders, denn hier begeistert der
junge Jongleur ebenfalls mit seinen scheinbar mühelosen Jonglagen von
kleinen weißen Bällen. Nahezu spielerisch jongliert er mit ihnen sowohl
vor dem Körper als auch über Kopf. Bis zu neun Bälle hält er
gleichzeitig in der Luft und hat sichtlich Spaß dabei. Ein letztes Mal
geht es dank Oli Nova in die Luft. An Tuchschlaufen zelebriert die
junge Russin eine wunderschön anzusehende Kür, die sie umgeben von
weißen Blättern Papier am Boden beginnt. In der Luft reiht sie
harmonisch Trick an Trick. So wie der zweite Teil begann endet er - mit
einem Flic Flac-Klassiker. Nicht ganz so lange wie das Todesrad, aber
doch schon seit vielen Jahren ist die Motorradkugel zu einem
Markenzeichen geworden. Insgesamt neun Fahrer der Pinillo Moto Riders
jagen hier gemeinsam durch den Globe of Death. Als Besonderheit gehören
Frauen zum Team. Beim anschließenden Finale kommen die Artisten von
den Aufgängen auf die Bühne, um sich dort mit Zugaben zu verabschieden.
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