Peter
Goesmann ist Mitte Juli 2014 verstorben. „Für uns ist es im Moment noch
zu schmerzhaft, ihn jetzt schon zu ersetzen“, schreibt van der Meijden
weiter. Und so wurde eine zweiteilige Lösung gefunden. Zum einen
kündigen oftmals Artisten die auf ihre Nummer folgenden Kollegen an.
Zum anderen ertönt die Stimme eines Radiomoderators, welcher
Darbietungen ankündigt und auf besondere Tricks hinweist. Sicher nicht
optimal, da so der Charakter einer Leistungsschau verstärkt wird. Unter
den gegebenen Umständen aber eine sinnvolle Variante. Dafür, dass der
aktuelle Weltweihnachtscircus nicht zu einer seelenlosen Veranstaltung
der circensischen Rekorde wird, sorgt wiederum die wohldosierte
Mischung aus Höchstleistungen, charmanten kleineren Darbietungen,
witziger Clownerie und herrlichen Tierdressuren.
Spiegel-Trapez aus Pjöngjang, Concerto Black & White Fantasy, Fumagalli
Vier
der aktuell in Stuttgart gezeigten Nummern werden im Januar 2015 in
Monte Carlo zum Wettstreit um die begehrten Clowns antreten. Der
Nationalzirkus von Pjöngjang schickt wiederum eine große Luftnummer ins
Rennen. Spiegel-Trapez nennt sich diese. Was damit gemeint ist, wird
beim Betrachten des großen Apparats klar. In der Mitte gibt es einen
nach beiden Seiten besetzten Fangstuhl. Rechts und links befindet sich
jeweils ein schwingender Fangstuhl. Darüber jeweils eine
Absprungplattform. Diese Konstruktion ermöglicht den acht Artistinnen
und Artisten neuartige Sprünge. Höhepunkt ist der vierfache Salto über
eine Distanz von 14 Metern. Gar als die „größte Ikarische Spiele-Nummer
der Welt“ werden die Artisten vom Großen Chinesischen Staatszirkus
Tianjin angekündigt. Im Stile chinesischer Krieger präsentieren sie
eine eindrucksvolle Choreographie. Im Mittelpunkt stehen dabei
natürlich Jonglagen mit den Füßen. Bis zu drei Artisten fliegen
gleichzeitig durch die Luft. Es entstehen faszinierende Bilder. Der Weg
von China nach Monte Carlo führt auch für die Artisten der Elite
Zirkusgruppe aus Peking über Stuttgart. Ihr „Concerto Black & White
Fantasy“ ist sozusagen eine Symphonie der Handstandartistik. Besonders
deutlich wird dies, wenn einer der Artisten im Einarmer auf
verschiedenen Handstäben „Bruder Jakob“ spielt. Aber auch die weiteren,
groß inszenierten Tricks sind faszinierend und der würdige
Schlusspunkt der Stuttgarter Produktion. Seinen Silbernen Clown
vergolden kann Fumagalli im nächsten Monat. Starnummer der
verschiedenen Auftritte ist natürlich das „Bienchen“ mit Bruder Daris
und Sohn Niko. Zusammen mit Maycol und Guido Errani präsentieren sie
sich als rein italienische Fumaboys. Da Fumagalli und Partner an diesem
Abend glänzend aufgelegt sind, ist das Zuschauen eine wahre Freude.
Anastasia Makeeva, Russischer Barren vom Nikulin Circus, Elena Drogaleva
Natürlich
sind auch wieder zahlreiche Darbietungen dabei, die am Festival in
Monte Carlo bereits erfolgreich teilgenommen haben. Anastasia Makeeva
gewann bei der letzten Ausgabe einen Bronzenen Clown mit ihrer
sinnlichen Luftakrobatik an geflochtenen Tüchern. Ihr Tango in großer
Höhe ist so intensiv, dass er den hohen Schwierigkeits- sowie
Risikograd in den Hintergrund treten lässt. Beeindruckend, wie die
junge Russin als einzige Solistin der Show brilliert. Vom Nikulin
Circus kommt der doppelte Russische Barren, welcher 2013 Silber gewann.
Der Auftritt lebt von den eleganten Sprüngen der Fliegerin und des
Fliegers. Natürlich sind sie auch beide gemeinsam in der Luft. Die
Catwall Acrobats um Hugo Noel sorgen für den überaus schwungvollen
Auftakt. Zur treibenden Musik zeigen sie eine quirlige Choreographie
auf zwei Trampolinen und einem Plexiglas-“Haus“. Man sieht den jungen
Kanadiern an, dass sie jede Menge Spaß haben und zudem hervorragende
Akrobaten sind. Immer wieder ein Genuss sind die Jonglagen von Elena
Drogaleva und ihren drei Gentlemen. In ständig neuen Varianten lässt
das Quartett um die blonde Marlene Dietrich seine Keulen fliegen. Durch
den Einbau zweier Podeste geht es zudem auf verschiedene Ebenen. Die
treibende Musik gibt das Tempo vor, die Akteure bewegen sich äußerst
elegant. Noblesse obliege.
Maycol Errani
Mit
einem Clown in Monte Carlo ausgezeichnet wurden alle Vorführer von
Tiernummern des diesjährigen Weltweihnachtscircus. Einer davon sogar
als Akrobat. Maycol Errani präsentiert seine einzigartige Freiheit mit
sechs Friesenhengsten. Das Zusammenspiel von Errani mit seinen Pferden
ist phänomenal. Schön, diese Darbietung nach der diesjährigen Tournee
mit dem Circus Knie noch einmal erleben zu dürfen. Für mich der ganz
persönliche Höhepunkt der Show. Seine Gattin Geraldine Katharina Knie
zeigt eine ausgefeilte Freiheit mit Zebras, Friesen und weißen Arabern.
Maycol Errani bringt zudem beider Tochter Chanel mit einem Groß und
Klein in die Manege. Wo immer sie auftritt, sorgt sie für große Freude.
Rosi Hochegger gewinnt mit ihren Hunden auch die Herzen der Stuttgarter
im Handumdrehen. Die Stimmung ist ausgelassen, wenn die Vierbeiner aus
einer Häuserzeile erscheinen, um mal mehr, mal weniger temperamentvoll
ihre Tricks vorzuführen. Eine Rarität stellt Bettpferd Scout da. Der
Tigerschecke macht zunächst deutlich, dass sein Talent als Springpferd
überschaubar ist. Dafür hat er eine herrliche Mimik und eine Vorliebe
für ein Nickerchen vor den Augen von mehreren Tausend Zuschauern. Vier
quicklebendige Seelöwen sowie ein Hund schließlich hören auf das
Kommando von Petra und Roland Duss. Die gezeigten Tricks sind
ungewöhnlich stark. Bewundernswert dabei ist immer wieder das Zusammenspiel
der Tiere untereinander und mit ihren Trainern. Insgesamt also ein
hervorragendes Tierprogramm.
Daring Jones, Scott, Duo A & A Vier
Duos komplettieren die Spielfolge. Zumindest drei von ihnen haben einen
großen Anteil daran, dass dieser 21. Weltweihnachtscircus nicht zu
einer reinen Leistungsschau wird. Die Daring Jones sind nicht nur in,
vielmehr über der Manege ein Paar. Auch im „normalen Leben“ sind David
Jones und Blaze Birge verheiratet. Bei ihrer durchaus riskanten Darbietung am
Duo-Trapez harmonieren die US-Amerikaner ganz hervorragend. Und das
kommt beim Publikum an. Ein Paar zwischen Zuneigung und
Missverständnissen versucht sich gemeinsam in der Sparte der Magie: Scott und
Muriel.
Nichts will so recht gelingen. Am Ende zeigt sich dann aber, dass der
Kanadier und die Niederländerin wahre Meister ihres Genres sind. Ihre
Art – er der etwas schüchterne Zauberkünstler, sie die schrille
Assistentin – ist einfach umwerfend komisch. Mit Bola-Spielen und
Trommeln entführen die Italiener Los Saly nach Argentinien. Joe und
Carlo legen dabei jede Menge südamerikanisches Temperament an den Tag
und wissen so die Zuschauer mitzureißen. Rein auf die Leistung
konzentrieren sich Anton Makukhin und Adam Rafael Vazquez. Als Duo A
& A zeigen sie kraftvolle, beeindruckende Hand-auf-Hand-Artistik.
Natürlich hat auch diese Nummer ihre festen, durchdachten Ablauf. Der
ganz besondere Charme bleibt aber etwas auf der Strecke. Ein großes Lob
gilt wiederum Markus Jaichner und seinem großen Orchester. Wann immer
sie dürfen, sorgen sie für einen imposanten Sound im riesigen
Chapiteau. Dessen an die jeweiligen Auftritte angepasste Ausleuchtung
gelingt wunderbar. Patrick Rosseel hat einmal mehr Regie geführt und
sorgt mit seinem Team dafür, dass jede Vorstellung reibungslos abläuft.
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