CHPITEAU.DE

Circustraum Conelli 2014

www.circusconelli.ch
; 90 Showfotos

Zürich, 22. November 2014: Dass Kontinuität wunderbar einhergehen kann mit Offenheit für neue Entwicklungen und neue Gesichter beweist der Circustraum Conelli auch in diesem Winter auf eindrückliche Weise. Es ist alles dabei, was zu diesem Circus einfach dazugehört. Und doch sehen wir in der Manege viele neue Künstler. Nicht nur neu für Conelli, sondern neu für hiesige Manegen. Der Schwerpunkt liegt auf Darbietungen aus Russland und der Ukraine sowie aus Fernost. Mit „Brilliant“ ist wiederum eine Show entstanden, die rundum überzeugt, ja begeistert. Schon in den Aufführungen vor der eigentlichen Premiere wird sie regelrecht gefeiert.

Einmalig ist natürlich schon der Circusplatz mitten in Zürich. Eine Insel in der Limmat beherbergt das Chapiteau, welches perfekt auf das Bauschänzli zugeschnitten ist. Wenn abends die unzähligen Lichter brennen und sich im Wasser des Flusses spiegeln, ergibt dies ein traumhaftes Bild. Über eine Brücke gelangt der Besucher auf die Circusinsel. Kasse, Garderobe, Restauration, es ist alles da. Aber eben auf kleinstem Raum. Kreativität ist gefragt. Genannt sei hier nur der inzwischen schon legendäre Pianist, welcher mit seinem weißen Flügel auf einem gläsernen Podest über dem Eingangsbereich thront. Dort befindet sich zudem der Artisteneingang, denn während der Vorstellung wird das Entree zum Backstagebereich. Im Spielzelt herrscht eine herrlich kompakte Atmosphäre, die Stühle stehen dicht an dicht. Trotz des begrenzten Platzes gönnt die Direktionsfamilie Gasser sich, vor allem aber dem Publikum, ein 15-köpfiges Orchester. Die Alex Maliszewski Big Band mit ihrem wunderbaren Sound ist genauso eine Konstante wie das traumhafte Lichtdesign.


Conelli-Dancers und Evan Andrews

Ebenfalls eine feste Größe sind die Conelli-Dancers. Sechs hübsche junge Damen, die in prächtigen Kostümen (entworfen von Betty Mc Hardy) für glanzvolle Stimmung sorgen, als Schottinnen den Auftritt von Steve Eleky ankündigen oder eine Rock'n Roll-Einlage beisteuern. Dafür, dass die Einlagen immer schwungvoll und professionell sind, sorgt Cindy Gasser-Lee. Ein ums andere Mal treten die Tänzerinnen gemeinsam mit dem singenden Ringmaster auf. Statt dem „Entertainer alter Schule“ Pino Gasparini hat diese Rolle nun der junge US-Amerikaner Evan Andrews inne. Den charmanten Showmaster haben die Gassers in Las Vegas entdeckt. Er gibt eine blendende Figur ab und ist zudem ein fabelhafter Sänger. Bevor uns Ballett und Andrews begrüßen, haben wir bereits drei Auftritte und die Ouvertüre der Big Band erlebt. Tom Shanon spielt mit Laserstrahlen und repräsentiert so ein Genre, das offensichtlich gerade en vogue ist. Richtig lebhaft wird es bei den vier Jungs von Capliore. „Double Dutch“ nennt sich die Disziplin des quirligen Quartetts aus Japan. Das ist, wie das seitenstarke, hochwertig aufgemachte Programmheft informiert, eine Mischung aus Seilspringen und Breakdance. Mit einer herrlichen Leichtigkeit wirbeln die Artisten im pfiffigen Outfit zwischen den sich drehenden Seilen hindurch. Perfekte Stimmung gleich in den ersten Minuten der Show. Mit Auftrittsapplaus werden zwei bekannte Gesichter begrüßt: Gaston und Roli spielen ihre erste komische Szene. Mehrere weitere werden folgen.


Nathalie Enterline, Gaston und Roli, Steve Eleky

Nathalie Enterline ist eine großartige Tänzerin und Artistin, die sich mit ihrer Twirling-Darbietung quasi ein Alleinstellungsmerkmal in den Circusmanegen und auf den Varietebühnen geschaffen hat. Ein weiteres Markenzeichen ist ihr rotes Kostüm mit Hut. Eine elegante und in jeder Hinsicht „klassische“ Performance mit viel Stil. Weniger stilsicher sind hingegen Gaston und Roli. Das ist natürlich so gewollt. Denn die beiden sind geniale Komiker mit umwerfender Mimik und Sprache. Roli gibt den vermeintlich intelligenten Part. In ihm hat der immer ein wenig vertrottelte Gaston seit vielen Jahren den perfekte Nachfolger für Weißclown Pipo Sosman gefunden. Zu einer Trilogie gerät die Geschichte mit dem weißen Flügel, welcher gerne in sich zusammenfällt und erst bei der Verabschiedung schließlich tatsächlich zum Musizieren verwendet wird. Aus dem Saisonprogramm des Circus Nock kennen wir das Spiel mit der Concertina, welches durch das Servieren einer Tasse Kaffee unterbrochen wird. Bekannt ist zudem die Szene mit der Liebesblume. Zu einem herrlichen Wortgefecht wird der Dialog, der damit beginnt, dass Gaston „indische Butter“ kaufen will. Er endet natürlich ganz woanders. Auf jeden Fall nicht an der Kühltheke eines Supermarkts. Dritter Komiker im Programm ist Steve Eleky. Der Mann im Schottenrock ist immer wieder zum Brüllen komisch - ganz egal ob als Jongleur oder Zauberer. Wenngleich ich seine Monologe inzwischen mitsprechen kann, schüttelt es mich vor Lachen. In Zürich waren zudem ein paar neue Gags dabei.


Natalia Rukol, Vlacheslav Pereviazko, Zhang Fan

Eine komische Note hat auch die Partner-Artistik von Natalia Rukol und Iurii Volkov. Als „Eccentric“ werden sie hier angekündigt, was im Programmheft mit „Schrulligkeit“ übersetzt wird. Zu der komisch vorgetragenen Geschichte um ein schwarz-weiß gestreiftes Sakko kommt das große artistische Können dieses russisch-ukrainischen Duos. Zum Glück ist der Konflikt in der Manege nur gespielt. So bleibt viel Raum für schier unglaubliche Körperbeherrschung, die dank dieser Art der Präsentation eine Rarität darstellt. Vor ihrem Auftritt zelebrieren die Conelli-Dancers ein rockiges „Crazy little thing called love“. Natürlich ist Evan Andrews dabei, der in der Manege von Jeremy Gasser an der E-Gitarre begleitet wird. Der Junior des Hauses ist zudem als Chefrequisiteur für die Umbauten verantwortlich. Und die klappen bereits in den ersten Vorstellungen so reibungslos, dass man davon so gut wie gar nichts mitbekommt. Seine ruhige Seite beweist das Ballett mit „I don't wanna miss a thing“ in weißen Gewändern. In einem weißen Outfit ist auch Vlacheslav Pereviazko unterwegs. Und zwar auf einer Leiter. Seine Balancen bekommen durch die Einbeziehung einer roten Rose ihre Unverwechselbarkeit. Gleich zu Beginn balanciert er sie auf der Nase und erklimmt dabei die freistehende Leiter. Wenn der junge Ukrainer einen Handstand auf der Spitze seines Requisites zeigt, hält er die Blume mit den Fußzehen. Nach dieser Neuentdeckung erleben wir einen wohlbekannten Namen. Zhang Fan ist mit seiner phänomenalen Artistik auf dem Schlappseil einmal mehr in der Schweiz zu Gast. Mit einem beneidenswerten Gleichgewichtssinn hält er sich auf dem dünnen Draht in der Balance. Handstand, Kopfstand oder Einradfahrt – der charmante Chinese meistert alles mit eine Lächeln. Ohne Frage ist er als Pausennummer genau richtig gesetzt.


Tatiana Ozhiganova, Sergey Timofeev, Crazy Flight

Brachte Vlacheslav Pereviazko eine Rose auf die Leiter, nimmt Tatiana Ozhiganova eine Harmonika mit unter die Kuppel des Chapiteaus. Genauso rot wir ihr Kleid sind die Strapaten, an denen sie arbeitet. Wie viele weitere Nummern der Show, hat ihre Luftakrobatik eine durchgängige Choreographie. Es wird also ein Tanz in der Luft. Die von ihr und Pereviazko begonnene Kombination unterschiedlicher Requisiten wird von der Zigong Acrobatic Troupe auf die Spitze getrieben. Auf der Schulterperche balanciert der Untermann nicht nur bis zu drei Partnerinnen, sondern zudem ein Fahrrad, auf dem die Chinesinnen ihre Artistik zeigen. Über die Sinnhaftigkeit eines Drahtesels auf einer Perchestange kann man sicher ewig philosophieren. Man kann es aber auch bleiben lassen und diese außergewöhnliche Darbietung einfach genießen. Sogar ein Salto auf dem Fahrrad ist zu sehen. Mit einer Goldmedaille beim „Cirque de Demain“ ausgezeichnet wurde Sergey Timofeev. Er verbindet Handstandakrobatik mit der für Männer ungewöhnlichen Disziplin der Kontorsion. Der eher introvertiert agierende Ukrainer ist wirklich ein ganz besonderes Talent. Und somit ein weiteres spannendes Highlight, für das sich die Reise nach Zürich mehr als gelohnt hat. Sattgesehen habe ich mich hingegen allmählich an Truppen, die Handvoltigen und Handstandakrobatik zur scheinbar immer gleichen Choreographie kombinieren. Bei Conelli erleben wir das Quartett Crazy Flight, welches natürlich hervorragende Artistik zeigt. Viel ausgelassener geht es bei den Diabolo-Jonglagen des Flag Circus zu. Fünf junge Chinesen tanzen ausgelassen zu „Singing in the rain“ durch die Manege. Die knalligen Hemden in verschiedenen Farben unterstreichen die Lebensfreude, welche sie versprühen. Ihre raffinierten Spielereien vollführen sie fast en passant. Die Tricks sind vom Feinsten und rufen allergrößte Begeisterung hervor. Ein fulminanter Schlusspunkt vor dem Finale.


Finale

Dieses wird genauso vielfältig zelebriert wie der Auftakt. Zunächst erscheinen alle Mitwirkenden mit Wunderkerzen in der Manege. Dann werden die Artisten nochmals einzeln vorgestellt. Die Familie Gasser schließt sich an. Das Rund ist bestens gefüllt, wenn das Ensemble den frenetischen Applaus des Publikums entgegennimmt. Obwohl der erste Advent noch ein Wochenende entfernt ist, stellt sich festliche Weihnachtsstimmung ein. Dazu tragen natürlich die passende Musik der Big Band und die traumhafte Beleuchtung bei. Es gibt Zugaben und eine zauberhafte Szene, bei der der weiße Flügel am Ende doch seinem eigentlichen Zweck entsprechend genutzt wird. Evan Andrews spielt auf den Tasten und singt dazu. Gaston und Roli lauschen gespannt. Wenn sich das Trio gemeinsam Richtung Gardine verabschiedet, rieseln Schneeflocken aus der Kuppel.

Mit „Brilliant“ beschreibt Conelli das aktuelle Programm selbst auf das Vortrefflichste. Brilliant besetzt, brilliant in Szene gesetzt und brilliant in der Ausstattung begeistert diese Show durch und durch. Hier wird Circus mit Herzblut gemacht. Um seine Zukunft muss sich Conelli trotz verstärkter Konkurrenz in Zürich keinerlei Sogen machen. Festlich gestimmt verlässt der Besucher die Traumwelt auf dem Bauschänzli und kann sodann in die weihnachtlich gestimmte Innenstadt der Schweizer Metropole eintauchen. Eine schönere circensische Einstimmung auf Weihnachten kann man sich kaum vorstellen.

________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch