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Flic Flac - Dortmund 2013/2014
www.flicflac.de ; 75 Showfotos

Dortmund, 29. Dezember 2013: Bereits zum dritten Mal schlug Flic Flac zur Weihnachtszeit eine seiner schwarz-gelben Zeltanlagen auf dem Parkplatz der Westfalenhallen auf. „Schöne Firetage“ lautet das Programmmotto hier, und es wird gleich im Opening aufgegriffen. In diesen mystischen Minuten blenden Lichtsäulen vom Bühnenrand oder aus der Kuppel auf, erscheinen Kapuzenträger zu einem geheimnisvollen Fackel-Aufmarsch, läuten Glocken und erscheint ein singender Engel. Die Bühne gehört nun zunächst dem von Barum bekannten Feuer- und Wasserspeier Anatoli Zhukov.


Anatoli Zhukov, Hubertus Wawra, Séraphin Strange

Dieser verfügt über die kuriose Gabe, in seinem Magen mehrere Liter Wasser zu speichern und wieder auszuspeien. Das tut er hier auch gleich und löscht damit acht brennende Ölfässer, die auf der Bühne bereitstehen. Dann schluckt er zahlreiche Gläser mit brennbarer Flüssigkeit, um daraufhin lang anhaltend Feuer zu spucken. Nach wie vor eine wirklich „exxtreme“ Darbietung. Wo das Motto „Schöne Firetage“ lautet, ist der Flic Flac-Dauergast Hubertus Wawra alias „The Master of Hellfire“ nicht weit. Der „Arsch für die Umbaupausen“, wie er sich selbst beschreibt, steht seelenruhig in brennender Jacke da, performt seinen explosiven „Anti-Terror-Rap“ oder sorgt für ordentlich Funkenflug. Teloy Aka Reecode (Turntables über der Gardine und Gesang) sowie Séraphin Strange als singender Engel sorgen für eine Livemusik-Komponente in dieser Show. Das Licht ist Flic-Flac-typisch feudal und wohl akzentuiert, in Szene gesetzt wurde das Spektakel an sieben Probentagen von Thomas-Sebastian Merz und Thomas Bruchhäuser.


Adèle Fame

Artistisch geht es nach dem Opening gleich hoch hinaus. Adèle Fame wechselt an den Strapaten rasant zwischen Aufschwüngen, Abfallern und Haltepositionen. Freihändig und scheinbar mühelos, mit den Füßen in den Strapatenschlaufen stehend, gleitet sie aus dem Spagat in den Stand. Viele Ahs und Ohs begleiten den Auftritt des Extrem-Klischniggers Araz, der nach diesem Engagement zum Cirque du Soleil wechseln soll. „Das tut nicht weh, das sieht nur so aus“, heißt es in der musikalischen Begleitung.


Fréderique Snoeks, Bert Loenders, Otto Wessely

Neben dem „Master of Hellfire“ sind in dieser Show noch zwei weitere Comedy-Acts vertreten. Fréderique Snoeks malträtiert ihren Partner Bert Loenders auf kreative Weise. Zunächst lässt sie ein Messer aus der Zeltkuppel sausen. Er muss sich zuvor so auf die Bühne legen, dass es zwischen seinen gespreizten Beinen einschlägt. Dann lässt sie an einer Longe einen massiven Hammer schwingen. Bert muss sich so auf einen Schemel setzen, dass ihm der Hammer einen Apfel vom Kopf schlägt. Selbst die Arbeit am Washington-Trapez endet in Sadismus – er trägt unten eine Zielscheibe auf dem Kopf, sie wirft Dartpfeile von oben. Otto Wessely und seine Bühnenpartnerin Christa würde man zunächst nicht in einem Flic Flac-Programm vermuten. Doch Wesselys Comedy-Zaubereien – die meisten Tricks sind garantiert durchschaubar, an anderen scheitert er grandios – sind wirklich zwerchfellerschütternd und fügen sich in diese Show perfekt ein. Als Wessely fertig ist, schaut die Bühne vor lauter hektisch und unwirsch herumgeworfenen Zauber-Utensilien wie ein Schlachtfeld aus. Im zweiten Programmteil errichtet sich Wessely eine zweite Bühne auf der Bühne, nimmt dort auf einem Furzkissen Platz – und baut anschließend ungerührt alles wieder ab.


Atlantis, Super Silva, Spicy Circus

Die vierköpfige Truppe Atlantis wird überall, wo sie auftritt, mit großem Jubel bedacht. Im Flic Flac-Chapiteau ist das nicht anders, auch hier wird die Kombination aus Kraftakrobatik und Handvoltigen gefeiert. Riesen-Applaus auch für Super Silva. Sein ungesicherter Deckenlauf, vor allem aber sein beherzter Sprung von einem Trapez zum nächsten – ohne Netz oder Longe, gefangen mit den Füßen – ist schlicht sensationell. Mit einer der beliebten Trampolin-Nummern „mit Haus“ – hier steht ein „Gefängnis“ zwischen zwei Trampolinen – geht es äußerst publikumswirksam in die Pause. „Spicy Circus“ nennt sich diese Formation um Andréanne Quintal, die in gestreiften Sträflingsoutfits arbeitet.


Gamal, Konstantin Gvozdetsky, Alexis Brothers

Den zweiten Teil eröffnen die „Flying Heroes“ am Flugtrapez. Doppelsalto gestreckt und Dreifacher gehören zum Repertoire der Truppe, die Passage fehlt jedoch nach wie vor. Dafür ist es keiner der drei Flieger, sondern die Fliegerin, welche sich zum abschließenden „Todessturz“ ins Netz bis unter die Zeltkuppel begibt. Gamal Garcia jongliert mit vier Keulen und – bei Bouncings auf einem Podium – mit bis zu sieben Keulen. Am Chinesischen Mast arbeiten Konstantin Gvozdetsky und Victoria Biliaouer alias „Duo Funkoholics“ in einer Darbietung voller hoher Schwierigkeitsgrade. Alexandre Grimailo hat die Nummer erst vor kurzer Zeit neu choreographiert, bei den Festivals in Moskau und Figueres gab es dafür jeweils Bronze. Die Alexis Brothers – Marco und Paolo Lorador – sind so lebende Legenden. Die beiden unerreichten Kraftakrobaten zeigen nun ihr enormes Können bei Flic Flac. Für den Abschluss sorgen – wie in den beiden Vorjahren – die fliegenden Motorräder der Formation „AirFours One“. Im Vorzelt nehmen sie Anlauf, jagen eine Rampe auf dem engen, zentralen Zuschauereingang hinauf und fliegen – zwischen den beiden Frontblöcken der Tribüne hindurch – hoch in die Luft. Nach äußerst waghalsigen Manövern wie einem Salto mit dem Motorrad wird auf einer breiten Rampe im Artisteneingang gelandet. Die Publikumsreaktionen sind auch im dritten Jahr überwältigend, doch vielleicht sollte man für die nächste Auflage eine Alternative als Schlussnummer finden, damit der Effekt sich nicht abnutzt – freilich mit Gelegenheit zur Rückkehr auf vielfachen Wunsch nach einiger Zeit.

Im Finale ein bei Flic Flac oft gesehenes Bild: das Publikum erhebt sich zum Schlussapplaus ohne Umschweife geschlossen von den Sitzen. Riesiger Jubel für ein starkes und geradezu elektrisierendes Programm, das zwischen Spannung und Sensationen à la Super Silva und Motorradflügen, ausgezeichneten artistischen Attraktionen à la Alexis Brothers und viel schrägem Humor die rechte Balance findet.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stefan Gierisch