CHPITEAU.DE

Cirque d'Hiver Bouglione 2013
www.cirquedhiver.com ; 80 Showfotos

Paris, 7. Dezember 2013: In diesem Winter strahlt der Cirque d'Hiver ein wenig mehr als sonst. Durch die Aufwertung des Vorplatzes wirkt dieser Prachtbau an der Rue Amelot noch prunkvoller. Das Entree wird diesem wunderbaren Wintercircus jetzt gerecht, die Optik ist nun vollends stimmig. Im Inneren ist alles wie gehabt. Dies trifft sowohl auf den Bau selbst zu als auch auf die diesjährige Produktion „Phénoménal“. Was aber nicht heißt, dass hier Stillstand herrscht. Es kostet schon eine Menge Aufwand, die Schönheit zu bewahren. Für die Spielstädte selbst übernehmen dies Handwerker.

Für die jährlich wechselnden Programme ist die Direktionsfamilie Bouglione verantwortlich. Es gibt in der Saison 2013/14 die bewährten Eckpunkte der Shows. Dies sind das große Orchester über dem prächtigen Artisteneingang, das feudale Lichtdesign, die tänzerische Umrahmung durch die Salto Dancers sowie die souveräne Moderation von Monsieur Loyal Michel Palmer. Mit Fumagalli hat das Publikum einen weiteren Begleiter durch „Phénoménal“. Er ist zum wiederholten Mal im Cirque d'Hiver zu Gast und dürfte zudem Pate für das Motto der aktuellen Produktion stehen. Im artistischen Bereich sind wiederum ausgesuchte Darbietungen zu erleben. Allerdings sind die meisten von ihnen zum ersten Mal im Bau der Bougliones engagiert.


Hans-Ludwig Suppmeier, Regina Bouglione

Der knappe Raum auf dem zentral gelegenen Grundstück bildet naturgemäß die Restriktion für die Auswahl der Tiernummern. Zu Beginn der Vorstellung ist der Zentralkäfig aufgebaut. Fumagalli und Michel Palmer begrüßen darin das Publikum, bevor Hans-Ludwig Suppmeier vier Tiger von Flavio Togni vorführt. Es sind schöne Tiere. Jeweils zwei normalfarbene Tiger und Golden Tabbies, welche eine abgerundete Trickfolge zeigen. Wirkungsvoller Schlusspunkt ist die Fahrt auf der Spiegelkugel. Suppmeier sehen wir zudem bei der Präsentation eines Viererzugs weißer Araber mit klassischem Federschmuck. Auch die Pferde absolvieren ein stimmiges Dressurprogramm. Dank von den Salto Dancers gehaltener beleuchteter Reifen erzielt die durch Regina Bouglione dirigierte Einzelfreiheit eine besondere optische Wirkung. Das weiße Pferd steht so nicht mit der Vorführerin alleine in der Manege, sondern ist Teil eines großen Bildes.


Fumagalli, Fuma Boys, Alex Bobylev

Wie oft Fumagalli tatsächlich schon im Cirque d'Hiver war, ließe sich natürlich schnell recherchieren. Gefühlt waren es schon einige Gastspiele. Er gehört schon fast zum Inventar, ist eine liebgewordene Konstante in den Produktionen der Familie Bouglione. Natürlich ist auch Bruder Darix wieder mit von der Partie. Als Entree gibt es nun im Zusammenspiel mit Alberto Caroli das Spukschloss-Entree. Auf dem von Fumagalli in Schottland geerbten Landsitz treibt ein Geist sein Unwesen mit den Gästen. Das Trio setzt die bekannte Geschichte herrlich erfrischend um. Wenn es darum geht, Fumagalli vor dem Gespenst zu warnen, sind die Kinder im Publikum deutlich hörbar bei der Sache. Somit ist es ein Spaß für alle Beteiligten. Ganz egal, ob in der Manege oder auf den Zuschauerrängen. Neben kleinen Einlagen zeigen Fumagalli und Partner als Fuma Boys Akrobatik im Stil von anno dazumal. Natürlich bricht auch hier das Schleuderbrett, wenn ein Herr aus dem Publikum versucht, Fumagalli in die Luft zu katapultieren. Auf das Verknoten von vier Herren als Einlage vor der Pause hätte ich in diesem hochwertigen Programm hingegen gut verzichten können. Für gute Laune sorgt zudem das Duo Bobylev. Sie bringen, neben der zweiteiligen Clownsfigur, ihre wunderbare Version von Schwanensee sowie die Wasserpistolenschlacht mit Jungs aus dem Publikum. Auch sie sind Profis durch und durch. Mit eigenständigen Ideen haben sie sich zudem einzigartige Nummern aufgebaut.


Helena Polach, Dasha & Vadym, Fratelli Curatola

Passend als Überleitung ins WM-Jahr 2014 erleben wir zu Beginn des artistischen Parts Helena Polach und ihre Jonglagen mit Fußbällen. Die tschechische Blondine „spielt“ souverän bauchfrei mit bis zu fünf schwarz-weißen Bällen. Auf dem diesjährigen Young Stage-Festival in Basel erlebten wir erstmalig Dasha und Vadym an den Strapaten. Die beiden jungen Ukrainer lassen in ihrer traumhaften Kür fast vergessen, wie riskant ihre ungesichert gezeigten Tricks wirklich sind. Es ist eine Liebesgeschichte unter der Kuppel, die zahlreiche Haltefiguren beinhaltet, welche von großem Können zeugen. Die Fratelli Curatolla sind einmal mehr im Bau der Bougliones zu Gast. Die beiden Italiener präsentieren ihre Partnerakrobatik wie gewohnt elegant in Anzughose, Weste und weißem Hemd. Handstände werden hier variantenreich und in Kombination mit Würfen gearbeitet.


Romina Micheletty, Emily und Menno van Dyke, Alejandro Vanegas

Zum zweiten Teil gehören an diesem Morgen drei artistische Darbietungen. Pavel Voladas am Quadratreck sowie die Bouglione-Junioren mit ihren Illusionen sind in der leicht verkürzten Show nicht dabei. Optimal präsentiert wird Romina Micheletty. Ihre goldenen Hula Hoop-Reifen glänzen nur so im opulenten Scheinwerferlicht. Zudem wird sie mit einer beleuchteten Bühne in der Manegenmitte nach oben gefahren. Ihr Spiel mit den Reifen ist ungemein sinnlich. Es ist in der Tat eine wahre Augenweide, die die bildhübsche Artistin mit ihrer hinreißenden Kür bietet. Tango ist angesagt, wenn Menny van Dyke im Duo mit Partnerin Emilie jongliert. Die beiden stellen eine mitreißende, leidenschaftliche Liebesszene dar, während Bälle und Keulen fliegen. Es ist eine wunderbare Nummer, die man sich in der intimen Atmosphäre eines Tangocafés in Buenos Aires genauso gut vorstellen kann, wie eben im Cirque d'Hiver. Hier sorgt insbesondere das ausgefeilte Licht für die passende Stimmung. Zwei Cousins setzen den rasanten Schlusspunkt hinter den artistischen Part. Wobei es vielmehr ein Ausrufezeichen ist. Alejandro und Michael Ricardo Daza Vanegas bilden aktuell das gleichnamige Duo. Am Todesrad, welches unter der freitragenden Kuppel besonders zur Geltung kommt, arbeiten sie sehr rasant ein umfangreiches Repertoire. Ihre Spezialität ist der nur von wenigen Artisten gezeigte Salto auf der Außenseite des rotierenden Rades. Nervenkitzel ist hier garantiert.

Das Finale wird wie gehabt ausführlich zelebriert. Die Salto Dancers haben einen weiteren großen Auftritt, und die Musiker unter Pierre Nouveau spielen noch einmal fulminant auf. Selbstverständlich versammeln sich alle Mitwirkenden in der Manege. Der Abschied wird zum rauschenden Fest. Fumagalli im Schlafrock ist es schließlich, der der Party ein Ende setzt. In der kommenden Spielzeit geht es aber schon wieder weiter. Dann feiert die Familie Bouglione ihre 70 Jahre währende Verbundenheit mit dem Cirque d'Hiver.

__________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch