CHPITEAU.DE

Xantener Weihnachtscircus 2012/13
www.weihnachtscircus-xanten.de

Xanten, 29. Dezember 2012: Diese Familie ist ein Phänomen. Da kommt man mit hohen Erwartungen zum 1. Xantener Weihnachtscircus des Circus Jonny Casselly, und die Familie Casselly schafft es spielend, diese zu übertreffen. Es ist dieser Charme, die pure Energie und der Spaß an der Sache, der allen Casselly-Mitgliedern in der Manege, aber auch außerhalb, anzumerken ist, der diese Vorstellung zu einem der schönsten Circusbesuche des Jahres werden lässt. Dass der Rezensent mit dieser Meinung nicht alleine dasteht, zeigen die spontanen Standing Ovations im Finale.

Erst im Sommer habe man sich dazu entschlossen, einen eigenen Weihnachtscircus auszurichten, erzählt Direktorin Maria Casselly im Gespräch mit Chapiteau.de. Die Wahl fiel auf das mit 22.000 Einwohnern eher kleine Xanten am Niederrhein. Der medientechnische Aufwand im Vorfeld für das nur zwölftägige Gastspiel („Wir wollten erstmal ausprobieren“) war dennoch enorm. In 22 Städten im Umkreis von 30 Kilometern wurde im hochwertigen Design geworben. Die Anstrengungen zeigen Erfolg: alle größeren Tageszeitungen in der Umgebung haben berichtet, die Shows sind durchgängig gut besucht. „Zwei Vorstellungen waren sogar komplett ausverkauft. Damit haben wir nicht gerechnet. Die Besucherzahlen liegen über den Erwartungen“, zieht Maria Casselly kurz vor Schluss der Veranstaltungsreihe ein positives Fazit. Die Gäste kämen dabei auch aus größerer Entfernung, niederländische Besucher seien ebenso da gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit der Stadt sei gut, eine Fortsetzung des Projekts von beiden Seiten erwünscht – im nächsten Jahr soll es also den 2. Xantener Weihnachtscircus geben.


Zeltanlagen, Verkaufsstand, Ensemble

Unweit der historischen Stadtmitte sind die in gelb-blau und gelb-grün gehaltenen Zeltanlagen errichtet. Im Vorzelt empfangen Weihnachtsbäume, weihnachtliche Buden und Sitzgelegenheiten vor einer gemalten Wandkulisse mit Stadtsilhouette die Besucher. Gespielt wird in einem Vier-Mast-Zelt mit 26 Metern Durchmesser, welches für eine ungemein intime  Atmosphäre sorgt. Eventuell soll im nächsten Jahr dann ein größeres Zelt aufgebaut werden. Wie auch im Vorzelt wurde hier roter Teppichboden ausgelegt. In den noblen, ganz in weiß gehaltenen Logen und auf einem neuen, im April angeschafften Klappsitzgradin finden rund 700 Gäste Platz. Den stilvollen Eindruck komplettiert der Artisteneingang. Jener bildet sich aus einem illuminierten, umgekehrten Hufeisen mit einer darauf gesetzten Krone inkl. „Casselly“-Schriftzug. Die Gardine besteht aus rotem Samt. An den Seiten sind große Spiegel befestigt.  Ebenfalls mit Glühbirnen umrundet, erzeugen sie den Eindruck von Schminkspiegeln à la Hollywood. Der Artisteneingang gehörte ursprünglich zum Fundus des Stadttheaters Essen. Verwendung fand er dort in der Inszenierung von „Das Feuerwerk“, einer musikalischen Komödie im Circusmilieu, bekannt durch „Oh mein Papa“. Die Cassellys wirkten in den Aufführungen mit und übernahmen später den Artisteneingang. Moderne LEDs, acht Scanner sowie zwei bewegliche Lichtkugeln auf dem Artisteneingang setzen das Manegengeschehen ins rechte Licht.  Die Musik kommt durchgehend gut gewählt vom Band, an jedem der Hauptmasten sind Boxen angebracht. Verantwortlich ist hier Romina Casselly, die ihre Hula Hoop-Reifen gegen das Licht- und Tonmischpult eingetauscht hat. Das alles ergibt, zusammen mit edlen Kostümen und Requisiten, einen absolut stimmigen Rahmen für diese erstklassige, liebevoll gestaltete Show.

Für den Weihnachtscircus sind die verschiedenen Darbietungen der Familie in zwei Probetagen in eine kleine, wunderschöne Rahmenhandlung eingebunden worden. Die erwachsene Katy, dargestellt von Jessica Casselly im Kostüm eines Dienstmädchens, kann mit Weihnachten so gar nichts anfangen. Erst Sprechstallmeister Lars Wasserthal, ausgebildeter Schauspieler und durch seine vom Circus stammende Frau, mit der er den Mitmachcircus „Phantasia“ betreibt, zur weitläufigen Verwandtschaft der Cassellys gehörend, kann sie dazu ermuntern, zurück zu blicken auf das erste Weihnachtsfest, die Erinnerungen daran und wieder mit Kinderaugen zu schauen und zu träumen. Nicht die Geschenke stehen im Mittelpunkt, die sind längst vergessen. Nein, die Familie, das gemeinsame Beisammensein unterm Christbaum – das sind die Momente, die bleiben. Durch einen magischen Spiegel erscheint dann eine Miniaturausgabe des Dienstmädchens, wird Katy dann wieder zum Kind. Die fünfjährige Katy – Tochter von Jessica und Jonny Casselly jr. –, dieses kleine Mädchen erfährt „die wahre Welt des Weihnachtsmanns“. Aus dem Spiegel erscheinen sodann die weiteren Mitwirkenden und ein Weihnachtsmann, dahinter steckt mit Boris Quest alias Clown Bobori ein langjähriger Freund der Cassellys, tritt auf. Lars Wasserthal singt live „Merry Christmas everyone“, und Katy verwandelt sich via Quick Change vom Dienstmädchen zur Circus-Prinzessin.


Antonio und Alfons Casselly

Gleich zu Beginn stellt Antonio Casselly herrlich spielerisch seine vier quirligen Hundemischlinge vor. Vor allem diverse Sprünge werden gezeigt. Als Abschluss kommt „der absolute Vertrauensbeweis zwischen Mensch und Tier“. Antonio deutet mit einem Augenzwinkern den Rachentrick mit einem der Hunde an, um dann doch einen anderen vierbeinigen Kollegen aus großer Höhe in seine Arme springen zu lassen. Im weiteren Verlauf agiert Antonio Casselly hauptsächlich als sympathischer Clown. Mit Sprechstallmeister Lars Wasserthal zeigt er eine Variante von „Das Spielen ist hier verboten“ mit Tellerdrehen, spielt die „Reise nach Jerusalem“ mit Kindern aus dem Publikum und interpretiert das „Wischmob-Duett“ mit einem Zuschauer neu. Komisches Highlight ist aber das „Boxroboter“-Entree mit seinem Bruder Alfons. Beide verblüffen mit einer genialen Mimik, gerade Alfons Ernsthaftigkeit ist unschlagbar.


Jenda Lagroni, Jonny jr. und Jessica Casselly

Alfons Casselly ist daneben auch für die Tierdressuren zuständig. Einen 8er Zug Shetlandponys mit Federpuscheln dirigiert er gelassen durchs Rund, auch wenn nicht immer alles (beabsichtigt und unbeabsichtigt) glatt läuft. Mit zwei über Hürden springenden Ponys, die auf ihrem Rücken kleine Plüsch-Weihnachtsmänner tragen, wird die Nummer beendet. Auch das Kamel wird von Alfons Casselly in die Manege gebracht. Abliegen und das Abnehmen von Futter mit dem Mund gehören zum Ablauf, der hier in eine orientalische Szenerie integriert ist. Dazu gehören auch Romina und Alexia Casselly mit Bauchtanz und Bruder Jonny Casselly jr. als Feuerschlucker und -spucker.  Letzterer sorgt zusammen mit seiner Frau Jessica auch für den gelungenen Abschluss des Programms. Bei ihrem Pas de Deux, bei dem sie ohne Vorführer auskommen, kreieren die beiden wunderbare Bilder, ohne die entsprechende Leistung – zum Höhepunkt ein Zwei-Personen-Hoch auf dem Kopf –  zu vergessen.


Jonny Casselly sen, Karola, Jonny jun. und Alfons Casselly 

Alle drei Brüder gemeinsam gestalten vor der Pause ihre mitreißenden Kaskaden „Jump and Dance“. Zahlreiche Salti und Pirouetten werden temporeich geschlagen, auch Handvoltigen gehören zum großen Repertoire, mit dem die drei einmal mehr das Publikum begeistern. Ruhiger geht es da bei Alexia Casselly am Ringtrapez zu. Viele kontorsionistische, aber auch Flugelemente fließen in ihre ansprechende Kür ein. Genau so schön anzusehen ist die Arbeit ihrer Schwester Karola an weißen Tüchern – im Nebel und mit Kerzenlicht ergibt sich ein traumhaftes Bild. Ein Abfaller aus der Kuppel beschließt den vielseitigen Auftritt. Im zweiten Teil tanzt sie zu spanischen Flamenco-Klängen zudem sicher über das Drahtseil und endet im Spagat. Wie alle Cassellys steht sie mit strahlendem Lächeln und einer so einnehmenden Ausstrahlung in der Manege, dass es eine wahre Freude ist. Zusätzlich engagiert wurden Nina und Jenda Lagroni. Sie sind wiederum mit Lars Wasserthals Frau verwandt. Vor der Pause jonglieren beide als Ganoven mit bis zu sechs Keulen im Passing, anschließend Jenda allein. Fünf Feuerkeulen allein und erneut sechs im gemeinsamen Passing folgen. In einer zweiten Darbietung hantieren beide mit Kubussen und  balancieren diese unter anderem auf der Stirn. Absoluter Spitzentrick: mit dem Kubus auf der Stirn balancierend, besteigt Jenda Lagroni zwei wacklige, freistehende Leitern.

Im Finale wird der im Opening angefangene Erzählfaden dann wieder aufgenommen. Lars Wasserthal greift in einem eigens komponierten Lied das Motiv, die Welt mit Kinderaugen zu sehen, nochmal auf, und Katy erlebt das Weihnachtsfest im Kreise der Familie. Rund um einen kleinen Tisch versammeln sich alle Artisten und verabschieden sich mit Zugaben vom begeisterten Publikum. Ein phantastischer Abschluss dieser fabelhaften Show.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Circus Jonny Casselly