Erst im Sommer habe man sich dazu
entschlossen, einen eigenen Weihnachtscircus auszurichten,
erzählt Direktorin Maria Casselly im Gespräch mit Chapiteau.de.
Die Wahl fiel auf das mit 22.000 Einwohnern eher kleine Xanten
am Niederrhein. Der medientechnische Aufwand im Vorfeld für das
nur zwölftägige Gastspiel („Wir wollten erstmal ausprobieren“)
war dennoch enorm. In 22 Städten im Umkreis von 30 Kilometern
wurde im hochwertigen Design geworben. Die Anstrengungen zeigen
Erfolg: alle größeren Tageszeitungen in der Umgebung haben
berichtet, die Shows sind durchgängig gut besucht. „Zwei
Vorstellungen waren sogar komplett ausverkauft. Damit haben wir
nicht gerechnet. Die Besucherzahlen liegen über den
Erwartungen“, zieht Maria Casselly kurz vor Schluss der
Veranstaltungsreihe ein positives Fazit. Die Gäste kämen
dabei auch aus größerer Entfernung, niederländische Besucher
seien ebenso da gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit der Stadt
sei gut, eine Fortsetzung des Projekts von beiden Seiten
erwünscht – im nächsten Jahr soll es also den 2. Xantener
Weihnachtscircus geben.
Zeltanlagen, Verkaufsstand,
Ensemble
Unweit der historischen
Stadtmitte sind die in gelb-blau und gelb-grün gehaltenen
Zeltanlagen errichtet. Im Vorzelt empfangen Weihnachtsbäume,
weihnachtliche Buden und Sitzgelegenheiten vor einer gemalten
Wandkulisse mit Stadtsilhouette die Besucher. Gespielt wird in
einem Vier-Mast-Zelt mit 26 Metern Durchmesser, welches für eine
ungemein intime Atmosphäre sorgt. Eventuell soll im nächsten
Jahr dann ein größeres Zelt aufgebaut werden. Wie auch im
Vorzelt wurde hier roter Teppichboden ausgelegt. In den noblen,
ganz in weiß gehaltenen Logen und auf einem neuen, im April
angeschafften Klappsitzgradin finden rund 700 Gäste Platz. Den
stilvollen Eindruck komplettiert der Artisteneingang. Jener
bildet sich aus einem illuminierten, umgekehrten Hufeisen mit
einer darauf gesetzten Krone inkl. „Casselly“-Schriftzug. Die
Gardine besteht aus rotem Samt. An den Seiten sind große Spiegel
befestigt. Ebenfalls mit Glühbirnen umrundet, erzeugen sie den
Eindruck von Schminkspiegeln à la Hollywood. Der Artisteneingang
gehörte ursprünglich zum Fundus des Stadttheaters Essen.
Verwendung fand er dort in der Inszenierung von „Das Feuerwerk“,
einer musikalischen Komödie im Circusmilieu, bekannt durch „Oh
mein Papa“. Die Cassellys wirkten in den Aufführungen mit und
übernahmen später den Artisteneingang. Moderne LEDs, acht
Scanner sowie zwei bewegliche Lichtkugeln auf dem
Artisteneingang setzen das Manegengeschehen ins rechte Licht.
Die Musik kommt durchgehend gut gewählt vom Band, an jedem der
Hauptmasten sind Boxen angebracht. Verantwortlich ist hier
Romina Casselly, die ihre Hula Hoop-Reifen gegen das Licht- und
Tonmischpult eingetauscht hat. Das alles ergibt, zusammen mit
edlen Kostümen und Requisiten, einen absolut stimmigen Rahmen
für diese erstklassige, liebevoll gestaltete Show.
Für den Weihnachtscircus sind die
verschiedenen Darbietungen der Familie in zwei Probetagen in
eine kleine, wunderschöne Rahmenhandlung eingebunden worden. Die
erwachsene Katy, dargestellt von Jessica Casselly im Kostüm
eines Dienstmädchens, kann mit Weihnachten so gar nichts
anfangen. Erst Sprechstallmeister Lars Wasserthal, ausgebildeter
Schauspieler und durch seine vom Circus stammende Frau, mit der
er den Mitmachcircus „Phantasia“ betreibt, zur weitläufigen
Verwandtschaft der Cassellys gehörend, kann sie dazu ermuntern,
zurück zu blicken auf das erste Weihnachtsfest, die Erinnerungen
daran und wieder mit Kinderaugen zu schauen und zu träumen.
Nicht die Geschenke stehen im Mittelpunkt, die sind längst
vergessen. Nein, die Familie, das gemeinsame Beisammensein
unterm Christbaum – das sind die Momente, die bleiben. Durch
einen magischen Spiegel erscheint dann eine Miniaturausgabe des
Dienstmädchens, wird Katy dann wieder zum Kind. Die fünfjährige
Katy – Tochter von Jessica und Jonny Casselly jr. –, dieses
kleine Mädchen erfährt „die wahre Welt des Weihnachtsmanns“. Aus
dem Spiegel erscheinen sodann die weiteren Mitwirkenden und ein
Weihnachtsmann, dahinter steckt mit Boris Quest alias Clown
Bobori ein langjähriger Freund der Cassellys, tritt auf. Lars
Wasserthal singt live „Merry Christmas everyone“, und Katy
verwandelt sich via Quick Change vom Dienstmädchen zur
Circus-Prinzessin.
Antonio und Alfons
Casselly
Gleich zu Beginn stellt Antonio Casselly herrlich spielerisch seine vier quirligen
Hundemischlinge vor. Vor allem diverse Sprünge werden gezeigt.
Als Abschluss kommt „der absolute Vertrauensbeweis zwischen
Mensch und Tier“. Antonio deutet mit einem Augenzwinkern den
Rachentrick mit einem der Hunde an, um dann doch einen anderen
vierbeinigen Kollegen aus großer Höhe in seine Arme springen zu
lassen. Im weiteren Verlauf agiert Antonio Casselly
hauptsächlich als sympathischer Clown. Mit Sprechstallmeister
Lars Wasserthal zeigt er eine Variante von „Das Spielen ist hier
verboten“ mit Tellerdrehen, spielt die „Reise nach Jerusalem“
mit Kindern aus dem Publikum und interpretiert das
„Wischmob-Duett“ mit einem Zuschauer neu. Komisches Highlight
ist aber das „Boxroboter“-Entree mit seinem Bruder Alfons. Beide
verblüffen mit einer genialen Mimik, gerade Alfons
Ernsthaftigkeit ist unschlagbar.
Jenda Lagroni,
Jonny jr. und Jessica Casselly
Alfons Casselly ist daneben auch
für die Tierdressuren zuständig. Einen 8er Zug Shetlandponys mit
Federpuscheln dirigiert er gelassen durchs Rund, auch wenn nicht
immer alles (beabsichtigt und unbeabsichtigt) glatt läuft. Mit
zwei über Hürden springenden Ponys, die auf ihrem Rücken kleine
Plüsch-Weihnachtsmänner tragen, wird die Nummer beendet. Auch
das Kamel wird von Alfons Casselly in die Manege gebracht.
Abliegen und das Abnehmen von Futter mit dem Mund gehören zum
Ablauf, der hier in eine orientalische Szenerie integriert ist.
Dazu gehören auch Romina und Alexia Casselly mit Bauchtanz und
Bruder Jonny Casselly jr. als Feuerschlucker und -spucker.
Letzterer sorgt zusammen mit seiner Frau Jessica auch für den
gelungenen Abschluss des Programms. Bei ihrem Pas de Deux, bei
dem sie ohne Vorführer auskommen, kreieren die beiden wunderbare
Bilder, ohne die entsprechende Leistung – zum Höhepunkt ein
Zwei-Personen-Hoch auf dem Kopf – zu vergessen.
Jonny Casselly sen, Karola, Jonny
jun. und Alfons Casselly
Alle drei
Brüder gemeinsam gestalten vor der Pause ihre mitreißenden
Kaskaden „Jump and Dance“. Zahlreiche Salti und Pirouetten
werden temporeich geschlagen, auch Handvoltigen gehören zum
großen Repertoire, mit dem die drei einmal mehr das Publikum
begeistern. Ruhiger geht es da bei Alexia Casselly am Ringtrapez
zu. Viele kontorsionistische, aber auch Flugelemente fließen in
ihre ansprechende Kür ein. Genau so schön anzusehen ist die
Arbeit ihrer Schwester Karola an weißen Tüchern – im Nebel und
mit Kerzenlicht ergibt sich ein traumhaftes Bild. Ein Abfaller
aus der Kuppel beschließt den vielseitigen Auftritt. Im zweiten
Teil tanzt sie zu spanischen Flamenco-Klängen zudem sicher über
das Drahtseil und endet im Spagat. Wie alle Cassellys steht sie
mit strahlendem Lächeln und einer so einnehmenden Ausstrahlung
in der Manege, dass es eine wahre Freude ist. Zusätzlich
engagiert wurden Nina und Jenda Lagroni. Sie sind wiederum mit
Lars Wasserthals Frau verwandt. Vor der Pause jonglieren beide
als Ganoven mit bis zu sechs Keulen im Passing, anschließend
Jenda allein. Fünf Feuerkeulen allein und erneut sechs im
gemeinsamen Passing folgen. In einer zweiten Darbietung
hantieren beide mit Kubussen und balancieren diese unter
anderem auf der Stirn. Absoluter Spitzentrick: mit dem Kubus auf
der Stirn balancierend, besteigt Jenda Lagroni zwei wacklige,
freistehende Leitern. |