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Landauer Weihnachtscircus 2012/2013
www.landauer-weihnachtscircus.de

Landau/Pfalz, 21. Dezember 2012: Wenn die Begeisterung über ein Erlebnis längere Zeit anhält, dann muss es etwas Besonderes gewesen sein. Auch nach einigen Tagen ist mir das Erlebte beim Landauer Weihnachtscircus noch so präsent, als wäre ich gerade aus der Vorstellung gekommen. Da habe ich bei manchem Tournee-Circus in den letzten Jahren schon das Programmheft zur Hilfe nehmen müssen, um überhaupt noch alle Akteure zusammen zu bekommen. Im Gegensatz zu den meisten Weihnachtscircussen lebt "Landau" davon, kein Gala-Programm im schnieken High-Tech-Zelt zu spielen.

Es ist auch keine leicht veränderte Tournee-Produktion mit ein, zwei Gastnummern. Landau – das ist Circus mit nostalgischem Charme, Typen, Atmosphäre und einem Top-Programm, das nur für diese gut zwei Wochen zusammengestellt wurde. Das Grand Chapiteau auf dem Landauer Messegelände wird umrahmt von mehr als einem Dutzend alter hölzerner Circus-Wagen, die alle noch in Funktion sind: Ob Kasse, Büro- und Café-Wagen oder Wohnwagen für Mitarbeiter und den Chef Jakel Bossert nebst Familie selbst. Im großen Hauptzelt trifft man sich erst einmal auf einem kleinen Weihnachtsmarkt mit nostalgischem Kinderkarussell, liebevoll dekorierter Weihnachtskrippe, einem alten Käfigwagen, in dem eine Eisenbahn mit Circus-Waggons ihre Runden dreht, Crêpes-, Popcorn- und Würstl-Ständen und natürlich der Sekt- und Glühweinbar in einem alten Original-Raubtierkäfig.


Ein eingespieltes Team

Da passt doch dann haargenau Kid O´Hara dazu, der weit gereiste alte Raubtierdompteur und Circusmann namens Hermann Sonntag, der auch heute noch in seiner Livree eine imposante Erscheinung ist und in Landau als Einlassportier dem Circus ein Gesicht gibt. Neben ihm Christina Perkano, in aktiven Tagen unvergessen mit ihrem Mann als „Perkano & Christina“ und der Tellerjonglage- und Diabolo-Nummer in Circussen und Varietés unterwegs, als guter Geist der Platzierungstruppe. Und im Geleit dieser „Circus-Typen“ geht’s dann vom Weihnachtsmarkt in den Manegen- und Zuschauerbereich. Weihnachtsdekoration glitzert, es riecht außer nach Bratwurst und Popcorn auch nach Sägemehl, und kein Geringerer als Illusions-Star Kim Kenneth begrüßt das Publikum als Moderator.


Antonin Navratil, Ann-Kathrin Bossert, Ali

Flott fällt die Eröffnung mit der Jongleur-Darbietung von Eric Munoz aus. Ob mit Keulen oder Tellern – der Spanier ist ein Meister seines Fachs und heizt dem Publikum zu Beginn schon mal richtig ein. Bei der Premiere lotete er noch ein wenig das Circusrund aus, aber wer ihn kennt, weiß um die Klasse seiner Arbeit. Mit dem Auftritt von „Ali“ beweist Produzent Jakel Bossert einmal mehr sein feines Gespür für das ja doch überwiegend regionale Publikum. Der Liliputaner war über Jahre eine bekannte und beliebte Figur im nahen Holiday Park Haßloch und avanciert nun zum „kleinsten Circusdirektor“, der im Laufe der Vorstellung das Publikum immer wieder mit seinen Reprisen zum Schmunzeln bringt. Gleiches gilt auch für Bosserts Tochter Ann-Katrin, die mit ihrer Ponydressur einfach fester Bestandteil des Programms ist. Erstes Highlight des nunmehr bereits elften Programms des Landauer Weihnachtscircus ist dann Antonin Navratil am Washington-Trapez. Ob er nun auf einem Stuhl, der nur mit zwei Beinen auf dem schwingenden Trapez balanciert wird, Platz nimmt oder mit verbunden Augen den Kopfstand wagt – eine Top-Nummer des sympathischen Tschechen.


Jessica Caveagna, Cesar Dias, Alexandra Probst

Jessica Caveagna sorgt auf andere Art und Weise für Spannung. Die Italienerin zeigt eine heute eher selten zu sehende Säbelbalance, die sehr effektvoll und mit Feuerunterstützung zu einer „heißen Sache“ wird. Beeindruckend, wie sie über eine Leiter steigt und dabei den Säbel auf der Stirn balanciert. Markenzeichen Stirnlocke und etwas schusselig verschmitzter Blick durch große schwarze Brille – das ist Cesar Dias. Er kämpft mit der Tücke des Objekts, bis dem Zuschauer Tränen vor Lachen in die Augen treten, er hat leise Töne drauf, wenn er eine Säge zum Singen bringt (wann habe ich so etwas eigentlich zum letzen Mal gesehen…), er dirigiert Mitspieler aus dem Zuschauerkreis mit Gestik und Geräuschen, dass man sich beim Zuschauen biegt vor Begeisterung. Dieser junge Portugiese hat’s einfach drauf und ist mit seinen vier Auftritten mehr als „nur“ ein Clown. Das ist Comedy, das ist Slapstick wie in einer der besten Laurel & Hardy-Szenen, das ist nicht plumper, sondern augenzwinkernder Humor im Umgang mit den Unzulänglichkeiten seiner Mitspieler – das ist Cesar Dias. Einfach herrlich. Wenn man schon diverse „Haustier-Revuen“ gesehen hat, versteht man, warum Alexandra Probst mit ihrer Tiernummer nach Monte Carlo eingeladen wurde. Da stimmen Zusammenstellung, Choreografie, Ausstrahlung – einfach alles. Top gepflegte Tiere – Ponys, Ziegen, putzige Hühner, Schweine und ein Minihund – geben sich ein Stelldichein in der Manege. Am Premierentag war das Zusammenspiel mit der Tonregie und auch mit der Landauer Manegenpartnerin Ann-Katrin noch nicht ganz stimmig, aber Alexandra Probst als Vollprofi überspielte das souverän. Inzwischen läuft’s wohl nach ihren Vorstellungen. Und das Landauer Publikum hat die einmalige Gelegenheit, diese beim Internationalen Circusfestival von Monte Carlo 2012 mit einem Sonderpreis ausgezeichnete Dressurnummer „live“ vor Ort zu sehen. Denn in den Südwesten Deutschlands wird bis auf weiteres wohl keine Tournee des renommierten Zirkus Probst „Ost“ führen.


Kim Kenneth, José Munoz, Henry Fröchte 

Richtig zu tun haben die Requisiteure, wenn Kim Kenneth in Aktion tritt. Hier wird großes Gerät aufgefahren und muss über den rumpligen Boden des Messeplatzes bewegt werden. Da weht ein Hauch der großen Varieté-Bühnen durch das Rund des Landauer Weihnachtscircus, wenn Frauen wie von Geisterhand trotz Fesselung verschwinden und wieder auftauchen, wenn Kim durch ein Eisentor mit dem Motorrad donnert, in dem seine Assistentin festgekettet den Weg versperrt oder getreu dem Spruch „aus Eins mach Zwei“ plötzlich zwei Grazien einem Käfig entsteigen, in dem sich nur eine Lady zuvor zur Ruhe legte. Faszinierende Groß-Illusion des dänischen Meister-Magiers, die er darüber hinaus „Las-Vegas-like“ zu präsentieren versteht. Mit ihm geht’s über den Manegenboden: José Munoz brilliert auf dem Drahtseil. Er hüpft, tanzt, springt hoch und weit, schlägt Salti – alles auf dem Seil. Temporeich und mit spanischer Grandezza vorgetragen. Der eingebaute Scheinsturz ist bei einem Virtuosen seines Faches eigentlich unnötig. Hier wird eine vermeintliche Sensationslust bedient, was ich persönlich nicht brauche. Und ein guter Artist wie er könnte meines Erachtens darauf verzichten. Aber wie auch immer – eine tolle Nummer. Hervorragende Artisten müssen nicht immer aus dem Ausland kommen. Das beweist Henry Fröchte, der Westpfälzer mit tiefen Wurzeln in der Circuswelt. Seine Antipodennummer ist immer wieder sehenswert. Henry arbeitet hier nicht mit klassischen glitzerbesetzten Rollen, Walzen und Zylindern, sondern lässt im mexikanischen Stil bemalte Bestandteile von Totempfählen und sonstiges Kultequipment der Azteken-Indianer auf seinen Füßen wirbeln. Seine Frau Monica assistiert souverän und versprüht dabei erotisches Temperament. Einfach sehenswert.


Josefine Cecilie Navratilova, John Burke 

Der „Hingucker“ fürs – männliche – Auge schlechthin ist Josefina Cecilie Navratilova. Sie lässt Hula Hoop Reifen um ihren Körper kreisen, dass einem schwindelig wird, alle Gliedmaßen sind eingebunden, kein Reifen fällt zu Boden, das Ganze ist wie aus einem Guss. Zum Nummernfinale wirbelt die blonde Tschechin dann noch Feuerbolas durch die Luft. Wir sehen Josefina Cecilie wieder an der Fußleiter, wenn sie zusammen mit ihren Eltern und Bruder Antonin in deren großer Nummer in der Manege steht. Bei der Vorführung der Navratils mit ihrer auf den Füßen balancierten Leiter, an der die Familienmitglieder ihre akrobatischen Übungen zeigen, kamen Erinnerungen an die osteuropäischen Staatscircus-Zeiten auf, so perfekt, akkurat und ansehnlich war das. Für mich lieferte die Familie Navratil mit ihren Darbietungen die artistischen Höhepunkte des Programms. So wie Alexandra Probst bringt auch noch einmal John Burke das Flair Monte Carlos in die Landauer Manege. Er war 2008 mit seinen Seelöwen zum Internationalen Circusfestival eingeladen und wurde dann dort mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Burkes Seelöwennummer ist halt anders als andere. Da kommen nicht die Tiere in die Manege gewatschelt und jonglieren klassisch mit ihren Requisiten. Nein, die Blues Brothers fahren im schwarz-weißen Gogo vor. Und John Burke stellt seine beiden schwergewichtigen Kameraden erst mal vor, plaudert mit ihnen und verleitet sie sogar zum Soul-Gesang. Natürlich ergeben sich dann auch Jonglage-Spielchen, und die zwei Seelöwen zeigen ihr akrobatisches und schauspielerisches Talent. „Tier-Circus“, wie ihn echter Circus eben braucht.

Und so schließt sich der Kreis: Internationale Stars sowie nationale und lokale Größen der Circuswelt bieten ein abwechslungsreiches Programm, das Kinder begeistert, Eltern und Großeltern ausgezeichnet unterhält und auch dem ambitionierten Circusfan mehr als nur einen Leckerbissen bietet. Landauer Weihnachtscircus eben.

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Text: Hans-Ludwig Tillner; Fotos: Markus Hoffmann