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Weltweihnachtscircus Stuttgart 2011
www.weltweihnachtscircus.de

Stuttgart, 5. Jaunuar 2012: Dieser 19. Weltweihnachtscircus kommt um Einiges sympathischer, persönlicher  daher als viele seiner Vorgänger-Ausgaben. Woran liegt das? Im Wesentlichen sind es drei Gründe: Das (wiederholte) Mitwirken der Familien Knie und Errani, Clown-Persönlichkeit David Larible und viele für Stuttgart eher „kleine“ Nummern mit ihrem ganz eigenen Charme. Wenn man das riesige Sechs-Masten-Chapiteau auf dem Canstatter Wasen betritt, sieht es dank der dunklen Piste mit beleuchteten Sternen ein wenig nach Knie aus.

Es riecht sogar nach Knie, da der Manegenboden hier wie dort aus dem gleichen Material bereitet wurde. Nach der Ouvertüre durch das Orchester Markus Jaichner klingt es dann sogar wie Knie: Ein großes 9-köpfiges Bingo-Ensemble gestaltet zur vom Schweizer Nationalcircus bekannten Musik „Circus“ das Opening, durch das bereits fröhlich David Larible spaziert. Weiter geht es mit dem aus dem Knie-Programm 2011 bekannten Pas de deux von Wioris Errani und Maryna Tkachenko.


Geraldine Katharina Knie

In seiner Ansage zur Pferdedressur bezeichnet Peter Goesmann die Juniorchefin Geraldine Katharina Knie als ein „prägendes Gesicht“ des Weltweihnachtscircus. Gemeinsam mit Ehemann Maycol Errani präsentiert sie die Dressurnummern des Saisonprogramms 2011. Zunächst bringt Errani einen braunen Araber zum Tanzen, um danach den 10er-Zug Friesen vorzuführen. Sechs gescheckte Pferde in drei Größen hören ebenfalls auf sein Kommando. Geraldine Katharina Knie lässt die weißen Korbpferde wild durch die Manege fegen. Die abschließenden Steiger präsentieren Knie und Errani abwechselnd. Gemeinsam zeigen die drei Fratelli Errani ihre Bodenakrobatik und Handvoltigen im letzten Auftritt aus dem Hause Knie. Die Lamas und Guanakos sind in der von uns besuchten Vorstellung nicht zu sehen.


David und Shirley Larible

„Der Clown war der Hammer“, lautete das Fazit einer Arbeitskollegin nach ihrem Besuch im Weltweihnachtscircus. Wenn man die Publikumsreaktionen als Gradmesser nimmt, steht sie mit ihrer Meinung nicht alleine da. Der im hochwertigen Programmheft schlichtweg als „bester Clown der Welt“ bezeichnete David Larible erobert auch in Stuttgart die Herzen der Zuschauer im Sturm. Seine beiden großen Nummern sind das Spiel mit Glocken und die „Opera“-Aufführung. Beides Mal bedient er sich Mitspielern aus dem Publikum. Anders als bei vielen anderen Clowns ist es bei Larible auch für die Betroffenen ein großer Spaß, in der Manege dabei sein zu dürfen. Seine von Roncalli bekannten Reprisen erscheinen hier leicht gekürzt, was aber nicht nachteilig ist. Das Publikum feiert Larible.


You and me, Lunga, Duo Iroshnikov

Kommen wir zu den eher kleinen, sympathischen Nummern. Wobei „klein“ hier eine rein quantitative und keine qualitative Bedeutung hat. Da ist zum Beispiel die afrikanische Schlangenfrau Lunga, welche schwierigste Verrenkungen mit einer riesigen Portion weiblichem Charme garniert. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen, die die Figuren oftmals lange halten, scheint Lunga ständig in Bewegung. Ebenfalls Figuren aus der Kontorsionistik sowie Handstände zeigt das jugendliche Duo You and me aus Kiev. Ihre Artistik arbeiten sie auf einer Picknick-Decke. Der Clou dabei ist, dass sie ihre Rollen hinsichtlich „oben/ unten“ immer wieder tauschen. Wahre Bewegungswunder sind auch die beiden Männer des Duo Iroshnikov. Faszinierende, fließende Abläufe sind neben hohen Schwierigkeitsgraden das Markenzeichen ihrer ganz in schwarz gearbeiteten Hand-auf-Hand-Akrobatik. Die Strapaten-Kür von Shirley Larible wird durch den Gesang ihres Vaters David weiter aufgewertet. Ruhig und poetisch ist die Sequenz von Clown Pavel Boyarinov mit seinem Stoff-Elefanten, der sich letztendlich als Hund entpuppt. Eine spektakuläre Duo-Arbeit am Masten zelebrieren Leosvel und Diosmani aus Kuba.


Rialcris

Was sie mit einer Mischung aus Kraft und Eleganz zeigen, ist eine circensische Rarität. Beim Schlusstrick stemmt sich einer der Artisten im 90 Grad-Winkel vom Masten ab, während sein Partner einen Handstand auf seinem Körper drückt. Den Pellegrini-Brotthers nacheifern wollen offenbar die Rialcris, drei Brüder aus Mexiko. In langen Hosen und mit freiem Oberkörper zeigen sie schwierige und wunderschön anzusehende Figuren der Partner-Equilibristik. Die beiden weiteren Nummern aus der Kategorie „klein aber äußerst fein“ sind mit hohem Risiko verbunden. Super Silva klettert fix am Vertikalseil bis unter die Kuppel. Nach einem Deckenlauf springt er völlig ungesichert von einem Trapez zu einem anderen, an welchem er sich mit den Füßen fängt. Wahnsinn! Beim Duo Jasters trägt das Risiko Partnerin Elena Busnelli, der Giacomo Sterza die Messer um den Körper wirft und mit Pfeilen beispielsweise einen Apfel vom Kopf schießt. Die großen Truppen in den Circusmanegen unserer Zeit kommen zu einem guten Teil aus Ländern östlich von Deutschland. Beim Weltweihnachtscircus 2011/12 ist das nicht anders. In Moskau ist die Andrey Kovgar-Truppe beheimatet, die in edler folkloristischer Aufmachung tolle Sprünge vom Schleuderbrett aus zeigt. Es wird dabei unter anderem auf Stelzen gesprungen oder aber auf einem Sessel gelandet. Vom Chinesischen Staatscircus kommen zwei Darbietungen: Zum Einen die Schalenpagoden mit eleganten Würfen, zum Anderen die „springenden Köpfe“, die wir 2011 bei Knie sehen konnten. Beide Nummern sind selbstredend in Monte Carlo mit einem Clown ausgezeichnet worden. Ebenfalls einen Clown, nämlich einen Goldenen, bekam das Große Fliegende Trapez aus Nordkorea, welches seit der Prämierung weiterentwickelt wurde.

Insgesamt sind es neun Artistinnen und Artisten, die auf verschiedenen Ebenen agieren. Zwei Tricks sind besonders hervorzuheben. Zwei Dreifache direkt hintereinander und ein Doppelsalto, der unmittelbar von einem Vierfachen gefolgt wird. Als Musikbegleitung gibt es „Those were the days“ und „Kalinka“.


Artisten vom chinesischen Staatscircus, Bingo

Insgesamt bietet der 19. Weltweihnachtscircus jeweils drei Goldene (einer davon für die Fratelli Errani, die allerdings die damit ausgezeichneten ikarischen Spiele nicht zeigen) und Silberne Clowns. Die von den Stuttgarter Stardust-Produktionen erwarteten hochkarätigen Nummern sind also da und trotzdem hat man es geschafft, eine Show zusammenzustellen, die viel Raum für sympathische Manegenkünstler lässt. Mit den Musikern unter Markus Jaichner ist ein tolles Orchester vorhanden, das wir gerne noch öfter gehört hätten. Beim starken Lichtdesign verzichtet man dankenswerterweise auf LEDs, was zu einer warmen Ausleuchtung des Spektakels führt. Sind wir nun gespannt, mit was uns Stardust zum 20. Geburtstag des Weltweihnachtscircus verwöhnen wird.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch