CHPITEAU.DE

La grande Fête Lilloise du Cirque 2011
www.lagrandefetelilloiseducirque.com ; 60 Showfotos

Lille, 29. Oktober 2011: Was Thierry Fééry zum 25-jährigen Jubiläum seiner „Grand Fête Lilloise du Cirque“ auffährt, ist schlichtweg grandios. Der Produzent hat zu dem respektablen Jubiläum ein Programm zusammengestellt, das seinesgleichen sucht. Große Truppen, sehenswerte Tierdressuren und erstklassige Clowns vereint er zu einem wunderbaren Manegenschauspiel. Ehrensache, dass dazu ein großes Orchester spielt und die Beleuchtungsanlage opulent bestückt ist. Dadurch wird dem Risiko entgegengewirkt, aus dem Programm eine reine Leistungsschau zu machen und den Circus-Charme auf der Strecke zu lassen.

Selbstverständlich sitzen alle Zuschauer auf Schalensitzen. Der Clou dabei ist, dass der Blick von keinem der Plätze durch Masten oder gar Sturmstangen behindert wird. Denn solche gibt es nicht: Das fabrikneue weiße Chapiteau wird von zwei außen verlaufenden Gitterbögen getragen. Das Publikum in der nordfranzösischen Stadt scheint diesen Aufwand zu honorieren. Wie zu hören war, soll der Besuch während des rund einen Monat dauernden Gastspiels bestens gewesen sein.


Hebei-Truppe, Khubaev

Während hierzulande in den Wochen zwischen Tournee-Ende und Weihnachtscircus-Saison nur ein eingeschränktes circensisches Angebot offeriert wird, nutzt man in Frankreich die Gelegenheit, gute Nummern in dieser vermeintlichen „Saure Gurken“-Zeit zu bekommen. Und Thierry Fééry hat diese Chance ganz exzellent ergriffen. Aus den Circushochburgen Russland, China, Nordkorea und Osteuropa hat er jeweils eine große Truppe engagiert. Einem aktuellen Bronzenen Clown aus Monte Carlo haben die Khubaev im Gepäck. Mit ihrer als Modenschau inszenierten Akrobatik auf Trampolinbahnen bilden sie sogleich einen mitreißenden Start in die Show, nachdem zunächst alle Mitwirkenden in der Manege aufmarschiert sind. Das Defilee der „Khubaev Fashion Show“ folgt einer strengen Geschlechtertrennung: Während die Damen feine Stoffe präsentieren, zeigen die Herren rasante – oftmals synchron ausgeführte – Sprünge. Weiblich besetzt hingegen ist der artistische Part bei der Hebei-Truppe und ihrer Fahrradartistik, die wir vor einigen Jahren beim Heilbronner Weihnachtscircus sehen konnten. Es sind (longengesicherte) Sprünge von Rad zu Rad sowie die Fahrt von zig Artistinnen auf eine Zweirad, die hier für Begeisterung sorgen. Die große Luftnummer vor dem Finale steuert die Truppe aus Pyongyang bei. Von einer Russischen Schaukel aus fliegen die Nordkoreaner(innen) zu drei statischen Fängern, die auf zwei verschiedenen Ebenen positioniert sind. Die raumgreifenden Sprünge werden durch ein Fangnetz gesichert.

 
Richter-Truppe. Sifolinis, Sorellas

Mit weniger Präzision als ihre koreanischen Kollegen, dafür aber mit deutlich mehr Verve, zelebrieren die sieben Jungs der Florian Richter-Truppe ihre Jockey-Reiterei. Die Kapelle heizt mit ungarischer Folklore richtig ein und treibt die Reiterin ihren Husarenkostümen nochmals an. Auch wenn die Sprünge nicht immer beim ersten Versuch gelandet werden, ist diese Darbietung ungeheuer mitreißend. Sicher hätten die Ungarn eine wirkungsvollere Schlussnummer als die auf Perfektion ausgerichteten Nordkoreaner abgegeben. Zwei männliche Duos komplettieren den artistischen Bereich. Risiko und Eleganz vereinen auf grandiose Weise die ebenfalls mit Bronze in Monte Carlo ausgezeichneten Sorellas. Das deutsch-schweizer Duo zeigt am ruhenden Trapez ohne Sicherung Tricks, die nicht nur die Akteure zum Schwitzen bringen. Nach ihrer Saison beim dänischen Cirkus Dannebrog drehen die Sifolinis nun in Lille ihre gewagten Runden auf dem Todesrad. Neben Sprüngen mit und ohne Seil läuft einer der beiden Bulgaren im Handstand auf dem Außenrad.


Totti und
Thierry Fééry, Jose Mitchell

Ebenfalls bei Dannebrog auf Saison engagiert war Clown Totti (Alexis). Er ist nicht zum ersten Mal beim Festival in Lille. Frühere Engagements hatte er sowohl mit der gesamten Familie als auch im Solo. 2011 agiert er zumeist im Dialog mit Thierry Fééry, der höchstpersönlich als Monsieur Loyal durchs Programm führt. Oftmals sind es witzige Dialoge, kleine Sketche, die die beiden zusammen spielen. Zudem gibt es „Totti-Klassiker“ wie das Spiel des Mechanikers mit einem Lichtpunkt. Wunderbare Vertreter des klassischen Clownsentree sind die Jose Mitchell-Clowns. Diese Spaßmacher können nicht nur einmalig gut musizieren, sondern begeistern wie immer mit ihrer Version des Wasser-Entrees. Ganz gleich ob man ihr Spiel um ein Gratis-Essen zum ersten oder zwanzigsten Mal sieht – es sorgt jedes Mal für befreiendes Lachen. Die engagierten Tierdressuren umfassen, neben den Pferden der Richter-Truppe, einen Affen, zig Hunde, eine große Raubtiergruppe und vier Elefanten. Mit dem Affen führt Aydin Israfilov schier unglaubliche Jonglagen vor, die vor einigen Jahren beim Cirque Arlette Gruss zu sehen waren. Israfilov ist während der Nummer zumeist auf dem Einrad unterwegs. Sein Affe jongliert mit ihm zusammen sowohl vom Boden aus als auch als Mitfahrer auf dem Rad. Zum Schluss heizt der Affe dann selbst auf einem Kinderfahrrad durch die Manege.


Rene Casselly

Ausgelassen geht es ebenfalls bei der Vorführung der Hundemeute von Wolfgang Lauenburger zu. Die Vierbeiner beherrschen viele Tricks, die hier nahezu spielerisch vorgeführt werden. Auf den Sprung von einem hohen Gestell wird inzwischen verzichtet. Dafür dürfen einige der Hunde jetzt auf einem Pony reiten. Imposant wirkt die Raubtiergruppe von Redi Montico mit Mähnenlöwen und Tigern allein schon durch die große Anzahl an Mitwirkenden. Tolle Tricks mit vielen Tieren gleichzeitig bestätigen den Eindruck einer imposanten gemischten Raubtiergruppe, wenngleich wir an diesem Nachmittag wohl nicht das ganze Repertoire zu sehen bekommen, wie Fotos aus anderen Vorstellungen in Lille vermuten lassen. Der Gesamteindruck wird zudem dadurch etwas getrübt, dass einige der Löwen schon einen sehr betagten Eindruck machen. Topfit sind die vier afrikanischen Elefanten der Familie von Rene Casselly. Im Mittelpunkt der aktuellen Nummer steht Sohn Rene junior, der gemeinsam mit den  Dickhäutern schier unglaubliche Tricks zeigt. Die meisten davon kennt man aus der Jockey-Reiterei. Etwa das vertikale „Umrunden“ eines laufenden Tieres oder Sprünge von Tier zu Tier. Dazu kommt der Spagat zwischen zwei Elefantenköpfen, der Handstand auf zwei verknoteten Rüsseln und der Sprung mittels Schleuderbrett auf den Elefantenrücken. Bei den Cassellys paart sich die ungeheuere Kreativität für immer neue Darbietungen mit den gleichen Tieren mit der Fähigkeit, diese auch umzusetzen. Für einen „Clown“ beim kommenden Circusfestival von Monte Carlo sollte es auf jeden Fall reichen. Wir drücken die Daumen!

__________________________________________________________________________
Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch