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Kasseler Circus Festival - 2009
www.flicflac.de


Kassel, 23. Dezember 2009: Von Außen sieht es aus wie Flic Flac, auf den Werbebannern wird der bekannte Name mitgeführt und doch legen die Veranstalter Wert darauf, dass es nicht Flic Flac ist. Sondern ein „ Festival der besten Artisten“. Alle Mitwirkenden haben schon bei mehr oder weniger renommierten Festivals teilgenommen, die meisten dort auch Preise gewonnen. Nun kämpfen sie mit der Teilnahme auf dem Mitten in der Innenstadt von Kassel gelegenen Friedrichsplatz um Gold, Silber und Bronze, verbunden mit Geldpreisen über 15.000, 10.000 und 5.000 Euro. Die Jury ist das Publikum: In jeder Vorstellung werden zehn Zuschauer ermittelt, die nach der Show ihren Favoriten bestimmen. Doch auch wenn die Veranstalter Wert darauf legen, dass das Festival nicht Flic Flac sei, ist die Show was die düstere Atmosphäre, Beleuchtung und Musikauswahl angeht, durchaus an den typischen Flic Flac-Stil angelehnt. Was es hingegen nicht gibt, ist eine geschlossene Inszenierung. Ebenfalls untypisch ist, dass die Artistinnen und Artisten beim Finale namentlich vorgestellt werden. Womit wir beim Moderator der Show wären, dem Comedian Dave Davis. Der Deutsch-Afrikaner nimmt in der Rolle des Klomann Motombo deutsche Klischees aufs Korn und macht aber auch Witze über seine dunkle Hautfarbe.

Dazu taucht er im Laufe der Vorstellung reihum in den verschiedenen Zuschaueraufgängen auf. Über seine Zwischenspiele kann man herzlich lachen, eine Verbindung zu den artistischen Nummern gibt es nicht. Die 16 Darbietungen – darunter viele Truppen - sind allesamt richtig stark und werden entsprechend vom Publikum gefeiert. Mit diesem imposanten Aufgebot würden anderswo wohl zwei bis drei Programm bestückt werden.


Truppe Tsisov, The Bikers

Zu Beginn der beiden Programmteile ist jeweils ein Fangnetz aufgebaut. Zum Start der Show dient es den Heros als Sicherung am Flugtrapez. Die jugendliche russische Truppe zeigt gute Ansätze, in der besuchten Vorstellung gehen nahezu alle Sprünge ins Netz. Beeindrucken dagegen, mit welcher Sicherheit die Truppe Tsisov auf dem Hochseil in verschiedenen Ebenen agiert. Die aberwitzigen, in Monte Carlo mit einem Silbernen Clown prämierten Spitzenleistungen, werden auch in Kassel begeistert gefeiert. Ein drittes, vertikal aufgehängtes Netz dient den Bikers als Landefläche für ihre hohen Sprünge von der russischen Schaukel. In ihrer Erstnummer zeigen die sechs Moldawier, jetzt ergänzt um eine junge Dame, ihre bekannten Sprünge auf überdimensionalem Autoreifen. Diese einzigartige Darbietung mit ihrem rockigen Präsentationsstil würde auch perfekt in ein Flic Flac-Tourprogramm passen.


Truppe Kanakov, Kourbanov, Desire of Flight

Das gilt natürlich ebenfalls für die Motorrad-Ikarier Kourbanovs, die schon richtige Flic Flac-Klassiker sind und auch In Kassel als Schlussnummer vom Publikum heftig umjubelt werden. Ähnlich in die Höhe schnellt der Applauspegel beim Strapaten-Duo Desire of Flight. Ihre Darbietung kommt im hohen Flic Flac-Chapiteau besonders gut zur Geltung und überzeugt mit zahlreichen gewagten Haltetricks sowie ungesicherten Abfallern. In Punkto Leistung können sie mithin problemlos bei Flic Flac auftreten, hinsichtlich Kostümauswahl – und natürlich auch Leistung – passen sie allerdings besser in ein klassisches Hochglanz-Programm, wie das von Roncalli. Gleiches gilt für die Truppe Karnakovi mit ihrer flotten Kür am russischen Barren, die durch perfekt gestandene Schrauben und Salti überzeugt. Flieger Sergey Mazurin ist außerdem solo an der Vertikalkette zu sehen.


Anatoli Zhukov, Tyrone Laner, Get the shoe, Crazy Flight

Von ihren Auftritten bei klassischen Circusunternehmen bekannt sind Anatoli Zhukov, Val de Fun und Karl Ramwell. Zhukovs Wasserfontänen und Feuersäulen faszinieren auch das Kasseler Publikum. Sein Outfit fügt sich hingegen nicht ganz ins coolen Flic Flac-Ambiente Der Krone-erprobte Val de Fun ist mit zwei Auftritten zu sehen (Schleuderbrett und Trapez), die deutlich gestrafft wurden und dadurch an Wirkung gewinnen. Karl Ramwell jongliert im klassischen Stil routiniert mit Fußbällen und Keulen. Als Bodenjongleur bedient er mit Bällen ein Keyboard. Ausschließlich mit Keulen arbeitet hingegen das Duo „Get the shoe“ und hat dabei seine raffinierten Jonglagen in eine kleine Geschichte mit Kampfkunfsteinlagen verpackt. In eine perfekte Choreographie sind auch die Handvoltigen und Handstände der Crazy Flight junior verpackt. Komplettiert wird das Programm von Tyrone Laner und Partnerin. Die Messerwurfdarbietung der beiden Italiener fällt vor allem wegen ihrer aufreizenden Präsentation und dem Einsatz von brennenden Messern aus dem Rahmen des in diesem Genre gewohnten. Larissa Kastein ist in der besuchten Vorstellung nicht aufgetreten.

Wie bereits eingangs festgehalten, besticht die Show des ersten Kasseler Circus Festivals in erster Linie durch ihr großartiges Aufgebot, wir konnten jedenfalls keine minderwertige Darbietung ausmachen. Zumindest wenn man einmal davon ausgeht, dass das Flugtrapez einen schwachen Tag hatte. Ein großer Publikumserfolg scheint das Festival ohnehin zu sein. Die von uns besuchte Vorstellung war jedenfalls fast voll besetzt und das Publikum spendete nach der Vorstellung sogar Applaus im Stehen, obwohl die straffe Gestaltung des Finales eigentlich überhaupt nicht dafür ausgelegt ist.

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Text: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan Gierisch