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14. Circusfestival von Enschede 2009
www.circusfestival.com

Enschede, 26. Dezember 2009: Auch die 14. Auflage des Internationalen Circusfestival im holländischen Enschede war im Prinzip ein außerordentlich gelungener Weihnachtscircus. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass hier sowohl das Publikum als auch eine Fachjury jeweils drei Preise vergibt. Erfolgreichste Darbietung war in diesem Jahr – das Festival ging bereits am 27. Dezember zu Ende – der im Adagio-Stil gearbeitete Hand-auf-Hand-Akt des polnischen Duo Vector. Das Publikum wählte das Duo auf Platz eins, die Jury gemeinsam mit der brasilianischen Flugtrapeztruppe Zuniga auf den zweiten Platz.

Absoluter Favorit der Jury war hingegen die ultrarasante Dschigiten-Reiterei der Eshimbekov. Publikum und Jury ist damit eine salomonische Preisverteilung gelungen. Denn beide Darbietungen hätten in meinen Augen den ersten Preis verdient gehabt.


Marcel Kalisvaart, Eshimbekov, Loic, Diana and Shanon

Platz zwei in der Publikumsgunst belegten die teilweise zu Rammstein-Musik arbeitenden Bikers mit ihrer außergewöhnlichen Darbietung auf überdimensionalen Gummireifen. Die Russen waren in Enschede mit der Originalbesetzung angetreten, während beim Flic-Flac-Festival in Kassel haargenau die gleiche Nummer von einer jüngeren Truppe gearbeitet wurde. Auf Platz drei setzte das Publikum die Kostümillusion von Loic, Diana und Shanon, die zwar nicht über Genrestandards hinauskam, aber mit der erst sechsjährigen Shanon, die vermutlich jüngste und niedlichste Kleiderwechslerin aller Zeiten zu bieten hatte. Die Jury wiederum sah Marcel Kalisvaart alias „Prince of Illusion“ auf Platz drei. Der junge Holländer überzeugte mit spektakulären Tricks und insgesamt neun sexy Assistentinnen. Hinter dem fliegenden Trapez der Truppe Zuniga, die die Jury auf Platz zwei gesetzt hatte, verbirgt sich im Übrigen ein Teil der Truppe Costa. Selbige hatte uns ja bereits in der letzten Reisesaison des Circus Barum damit begeistert, dass sie nicht nur Standards wie den Dreifachen im Repertoire hat. Besonders auffällig in Enschede: die obligatorische Passage wurde von zwei Frau gesprungen.


Melanie Kaselowsky, Victoria Enoch, Joulia Tchakanova

Nicht mit Preisen bedacht wurden dagegen folgende Darbietungen. Das Luftakrobatik-Trio Wozniewski, dessen Trickfolge an das Trio Jaroch erinnerte und mit vielen longengesicherten Voltigen überzeugte. Das Trio Essence, dessen Hand-auf-Hand-Nummer vor allem durch die ästhetische Präsentation der drei bildhübschen Ukrainerinnen in Erinnerung bleibt. Und die Kontorsionsdarbietung der 16-jährigen Tanya Vinnyk. Leer gingen auch die beiden Tiernummern des Festivals aus: Weder Bernhard Kaselowsky, der seine afrikanische Elefantenkuh effektvoll mit zwei Figurantinnen (Melanie Kaselowsky, Victoria Enoch) präsentierte, noch die traumhafte, Lamas und Windhunde vereinende Dressurkombination von Joulia Tchakanova erhielt einen Preis.


Oleg Popov

Einen Preis für sein Lebenswerk bekam dagegen Oleg Popov, der mir mit seiner ruhigen Art auch in Enschede wieder gut gefallen hat. Nichts anfangen kann ich indessen weiterhin mit Charly-Chaplin-Imitator und Mitmachclown Gagik Avetisyan. Fraglich bleibt auch, warum die Organisatoren von Enschede mit Angela & Vincenzo einen dritten clownesken Akt verpflichtet haben, der letztlich nur mit einer sympathischen, aber ziemlich kurzen Schleuderbrett-Parodie im Programm zu sehen ist. Einen ausgezeichneten Griff haben Bram van der Weide und Co. dagegen mit dem ehemaligen Barum-Kapellmeister Kazimierz Bilan gemacht. Er und seine Mannen sorgen für einen ausgezeichneten Sound, der ungewohnt druckvoll daher kommt.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch