Eine ganz
wunderbare Zusammenstellung von Darbietungen ist den Machern in
diesem Jahr geglückt: eine Schatztruhe von Nummern, die entweder
klassisch verkauft werden oder auf eine Weise „modern“ gestaltet
sind, die sich in ein echtes Circusprogramm bestens einfügt.
Bravo! Noch dazu gibt es in diesem Jahr ausreichend Tiere –
inklusive Raubtiernummer – und, wie eigentlich immer, herrliche
Clowns. Die Balance von Tieren, Clowns und Akrobaten stimmt.
Ungelöst ist aber nach wie vor die Frage, wie ein solches
Aufgebot großer Nummern mit vielen Umbauten und aufwendigen
Requisiten in eine durchgängige Show der schnellen Schnitte oder
fließenden Übergänge gekleidet werden könnte. So begnügt man
sich weiter damit, dass Ansager Peter Goesmann vor jeder Nummer
einfach so lange redet, bis der Umbau abgeschlossen ist – auch
wenn’s gar nicht viel zu sagen gibt. Hinzu kommt, dass viele
seiner Texte sich von Jahr zu Jahr wiederholen: Der
Stammbesucher kann schon mitsprechen. Ein Jammer ist, dass das
große, fantastische Orchester, das so herrlich druckvoll spielen
kann, nur selten eingesetzt wird. Von 14 Artistik- und
Tier-Darbietungen arbeiten zehn zu Band-Musik. Auch die
Knie-Pferdenummern, auch Victor Minasov im Ballon. Das pompöse
Licht lässt dagegen keine Wünsche offen.
Truppe aus Pjöngyang,
Shenyang Acrobatic Troupe, Truppe Hebei
Zurück zum
Lob: In diesem Jahr gefallen uns sogar die Asiaten! Ganz
traditionell arbeiten die Nordkoreaner in einer noch nicht
gesehenen Kombination aus Russischer Schaukel und Hochreck.
Sprünge, Salti, Schrauben von der Schaukel zum Reck und
umgekehrt werden von sieben Herren und einer Dame präsentiert,
außerdem auch spektakuläre Flüge übers Reck hinweg zur Fangmatte
– bis hin zum Fünffach-Salto und zum Blindflug durch einen
Reifen in mehreren Metern Höhe. Die ursprünglich angekündigten
Alexis Brothers, seit Monaten in einer Verletzungspause, wurden
ersetzt durch den Chinesen Zhang Fan mit seinem
Sensationsrepertoire auf dem Schlappseil. Die Shenyang Acrobatic
Troupe mit ihren spektakulären Schwertbalancen beim
Seidentücher-Flug sowie die fröhliche Fahrrad-Nummer aus Hebei –
Stichwort: zwölf Mädchen auf einem Rad – waren vor zwei Jahren
Highlights im benachbarten Heilbronner Weihnachtscircus. Nun
sind sie auch hier in einem Programm vereint.
Géraldine
Katharina Knie und Maycol Errani
Von Roncalli
bestens bekannt sind die Minasovs: als Paar in der wohl
rasantesten Kostümillusion überhaupt, Victor Minasov allein bei
seinem absurd-witzigen Überraschungsauftritt im Luftballon.
Künstlerisch wertvoll und hochriskant zugleich ist das Pas de
Deux am Vertikalseil der Bobrovs, eine weitere „Roncalli-Leihgabe“.
Ebenso stark vertreten ist das Knie-Programm 2008: mit der Hohen
Schule im Tangorhythmus von Géraldine Katharina Knie und Maycol
Errani sowie der großen Freiheitsdressur mit Pferden, Ponys,
Trampeltieren, Lama und neuen Vorführern: Géraldine Knie und
Maycol Errani, der sich hier mit großem Lauf-Engagement unter
anderem an der Präsentation der Kamele versucht. Mit durchaus
respektablem Ergebnis. Weitere Highlights aus dem
Knie-Tourneeprogramm: der kraftvolle Strapatenauftritt Anton
Belyakovs und die Ikarischen Spiele der Errani-Brüder zur neuen,
besonders mitreißenden Latino-Musik.
Kovgar, Truppe
Elena Drogaleva
Eine echte
Neuentdeckung ist dagegen die Truppe von Elena Drogaleva vom
Nikulin-Circus: drei Herren und die Namensgeberin jonglieren
ganz elegant in Nadelstreifen, wobei Elena im Stile der großen
Marlene Dietrich auftritt. Zwei hohe Sockel machen Wurfmuster
über drei Ebenen möglich. Eine Darbietung, die klassisch und
modern gleichzeitig wirkt. Großartig. Echter Circus-klassisch
modern: das gilt auch für die Schleuderbrett-Truppe Kovgar, die
eine geschmackvolle Präsentation mit folkloristisch anmutenden
Kostümen und Musikbegleitung „von heute“ gefunden hat. Zum
Repertoire gehören irrwitzige Sprünge auf Stelzen, zum
Vier-Mann-Hoch ohne Hilfsmittel oder hinauf auf ein wackliges
Konstrukt aus einer Art „russischem Barren“, auf dem ein Mann
auf hohen Stelzen eine Perche mit Sessel am oberen Ende trägt.
Darix Huesca und Fumagalli,
Tom Dieck junior
Nach drei
Jahren ohne Raubtiere ist nun Tom Dieck junior mit seinen fünf
Löwen zu Gast im Weltweihnachtscircus. Die Nummer überzeugt mit
vielen Sprüngen, Hochsitzern, Scheinangriffen und dem
differenzierten Spiel zwischen Mensch und Tier. Die
abwechslungsreiche Musikbegleitung, live gespielt, macht den
Genuss perfekt. Und dann ist da noch Fumagalli – der
Publikumsliebling zurück in Stuttgart! Diesmal wieder als
Dirigent und mit anderen kleinen Späßen zum Auftakt, mit neuen
Gags in der bekannten Kaskadeur-Nummer und – neu – einem Entree
im „Spukschloss“, das freilich witzig ist, aber trotz
aufwendiger Requisiten, zahlreicher Geister-Akteure und viel
Technik-Einsatz mit Blitz und Donner an den
Bienchen-Bienchen-Lachschlager nicht herankommt. |