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München, 1.
März 2009:
Um es gleich vorweg zu sagen: Gerade für uns Circusfreunde ist
die Winterspielzeit des Circus Krone mit ihren drei wechselnden
Programmen ein absoluter Glücksfall. Wird mit ihr doch die
circensische Saure-Gurken-Zeit vortrefflich überbrückt. Und zwar
mit meist wirklich sehenswerten Programmen, die traditionell in
Februar und März eine Auswahl von frisch gebackenen
Monte-Carlo-Gewinnern erstmals dem deutschen Publikum
präsentieren. Zwei, bereits oft beschriebene Mankos, mit denen
man sich notgedrungen arrangieren muss, haben dabei leider alle
drei Programme: Die schwachbrüstige Tonanlage, durch die das Markus-Jaichner-Orchester weit unter Wert verkauft wird, und das
lieblos gestaltete Finale. |
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Truppe Tsisov |
Die Attraktion des
März-Programm ist zweifelsohne die Hochseiltruppe Tsisovi. Die
in Monte Carlo mit dem silbernen Clown ausgezeichneten Russen
zeigen auf dem Hochseil einen wahren „Balance-Krimi“.
Besonderheit dabei: Die orientalisch gewandeten Tsisovi
verzichten bei allen Tricks auf Longen, arbeiten dabei aber, wie
Flugtrapez-Darbietungen, mit einem Netz. Was angesichts der
atemberaubenden Trickfolge nur verständlich ist. Das
Grund-Repertoire der Tsisovi ist dabei ähnlich dem der von
Fliegenpilz und Barelli bekannten Taskenbaev (Zwei- und
Drei-Mann-Hoch, Spagat auf den Köpfen zweier Untermänner), doch
warten die russischen Himmelsstürmer mit weiteren
Höchstschwierigkeiten auf. So wird das Seil bei einigen Tricks
auf 45 Grad schräg gespannt, bei anderen bewegt es sich hoch und
runter. Jeder Beschreibung spottet dann der wohl spektakulärste
Trick: Zunächst wird ein zweites Seil zwischen den zwei
Plattformen gespannt, dieses wird dann von einem Artisten, der
sich zwischen beide Seile klemmt, soweit hinunter gedrückt, dass
die Seile auf gleicher Höhe parallel zu einander sind. Nun
startet von beiden Seiten ein Zwei-Mann-Hoch, trifft sich in der
Mitte und kommt trotz der langen Balancierstangen irgendwie
aneinander vorbei. Sensationell! Leider wirkt das Ganze dabei
aber auch ziemlich technisch, man vermisst etwas einen
circensischen Verkauf. |
MG Team. Truppe
aus der Inneren Mongolei, Get the shoe
Ähnliches gilt
überraschenderweise auch für die italienischen
Rollschuhakrobaten des MG Teams, die bei ihrer trickstarken
Darbietung seltsam unbeteiligt wirken. Das glatte Gegenteil dazu
ist Vollblutartist und „Rampensau“ Dany Daniel, der auf der Rola
Rola volle Präsenz zeigt und so das Publikum zu wahren
Begeisterungsstürmen hinreißt. Chinesisch perfekt, aber doch
sympathisch sind die fünf Artistinnen aus der Inneren Mongolei
auf ihren Hochrädern, in der ersten Hälfte zeigen sie zusätzlich
eine eher unspektakuläre Bannerspiele. Abgerundet wird der artistische Part auch
im März durch eine moderne Darbietung. Das Duo „Get the Show“
verpackt seine risikoreichen Jonglagen als Kung-Fu-Kampf.
Gelacht wird im dritten Krone-Winterprogramm natürlich auch.
Dafür sorgen - beim Publikum gleichermaßen sehr gut ankommend -
Bauchredner Willer Nicolodi als Pausennummer und Clown Titto
Lester mit diversen Reprisen, die meisten mit
Zuschauerbeteiligung (Filmszene, Motorradfahrt).
Jana Mandana, Petra und Roland
Duss
Durchweg stark
besetzt war im März der tierische Teil. Allen voran natürlich
Petra und Roland Duss mit ihren vier Seelöwen. In unglaublichen
Tempo, präzise ohne den kleinsten Patzer wird ein
unerschöpfliches Trickfeuerwerk abgebrannt, das seinesgleichen
sucht. Besonders kreativ sind vor allem die interaktiven Tricks,
bei denen die vier Meeressäuger zusammenarbeiten, sich zum
Beispiel einen Ball von Schnauze zu Schnauze weiterreichen. Mit
Spannung erwartet wurde auch Martin Laceys neue Dressurnummer
mit zwei weißen und zwei normalfarbenen Löwinnen. Die vier Tiere
zeigen schon jetzt eine erstaunliche, an Laceys
Originaldarbietung gemahnende Trickfolge (Vierfacher Hochsitzer,
Löwenbar, Sprünge übereinander, Sprünge am oberen Gitter
entlang). Auch der Schlusstrick ist bekannt: Lacey lässt sich
von einer Löwin überspringen. Neu ist dagegen ein Fächer aller
vier Tiere. Somit bleibt festzuhalten: Von allen drei
Raubtiernummern, die im Winter in München zu sehen waren, war
Laceys neue Nummer die mit Abstand beste. Chapeau! Hut ab gilt
auch für Jana Mandana: Sie präsentiert zum einen zusammen mit
James Puydebois vier indische und zwei afrikanische Elefanten
und zum anderen endlich mal wieder eine Pferdefreiheit, die
diesen Namen auch verdient. Fünf Araber und sechs Palominos vereinen sich unter Mandanas eleganter
Peitschenführung, und ohne Beteiligung von Longen führenden
Manegenhelfern, zu schönen Figuren. Als Dacapi gibt es das
sechsfache Steigen der Palominos sowie einen kraftvoll
vorwärtssteigenden Araber. Diese Vorstellung, vermutlich nicht
zuletzt ein Verdienst des neu eingestellten Pferdetrainers
Robert Stipka, lässt hoffen, auch in der kommenden Reisesaison
im Krone-Chapiteau wieder Pferdedressuren zu erleben, die dem
Anspruch des Hauses Sembach-Krone gerecht werden. Freuen wir uns
darauf!
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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Tobias
Erber
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