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Circus Krone - Februar 2009
www.circus-krone.de ; 40 Showfotos

München, 14. Februar 2009: Ich hatte keine großen Erwartungen an das zweite Programm der Winterspielzeit 2008/09. So interessant las sich das Programm auf dem Papier nicht. In erster Linie ging es mir bei meinem Besuch in München darum, in der circusärmeren Zeit nicht „auf Entzug“ zu geraten. Und dann kam es mal wieder anders als gedacht. Der Nachmittag im Krone-Bau hat so richtig Spaß gemacht. Warum? Weil dort nahezu durchweg sympathische Manegenkönner unterwegs waren. Menschen, die Freude an ihrem Beruf im Rampenlicht haben und ihre „Arbeit“ dementsprechend begeisternd angehen. Einzig die beiden „großen“ Darbietungen aus Nordkorea fielen aus diesem Rahmen. Die kürzlich erst in Monte Carlo prämierten Sensationen an russischer Schaukel und unter der Circuskuppel gab es quasi als Zugabe obendrauf. 


Thomas Janke, Alain Allegria, Jana Mandana

Gleich zum Auftakt erfreuen Rosi Hochegger sowie Roger Mettin mit Hunden und Pferd. Ich hatte ihre Darbietungen mit Hunden bzw. als Jongleur zu Pferd bislang nur einzeln gesehen. Die Kombination nun – und es ist wirklich eine - ist eingebettet in eine fröhliche Marktszene. Die Hunde liegen unter einem Wagen mit Früchten, aus dem Roger Mettin seine Requisiten bekommt. So jongliert er mit Ananas am Stiel, welche ihm von einem der Hunde gebracht werden oder lässt große Melonen auf seinem Finger kreisen. Dazwischen zeigt Rosi Hochegger Kunststückchen mit den Hunden, welche auch auf dem Pferderücken stattfinden. Originell ist der Trick, bei dem Mettin seinen Rücken einem der Hunde als Aufstiegshilfe beim Voltigieren zur Verfügung stellt. In die Fußstapfen seines Onkels Sabu tritt Alain Allegria. Am Washington-Trapez zeigt er riskante Balancen. Zunächst am ruhenden, später am schwingenden Trapez. Wie Sabu, hat auch Alain das Balancieren auf einem Stuhl sowie die Aufnahme eines auf der Trapezstange liegenden Tuches mit dem Mund im Repertoire. Bei seinem Auftritt verhehlt Allegria nicht, dass südamerikanisches Blut in seinen Adern fließt. Ein junger Artist, den wir hierzulande hoffentlich noch öfter erleben dürfen. Noch ein gutes Stück jünger ist Thomas Janke mit seinen 13 Jahren. Es gehört schon Einiges dazu, sich in diesem Alter vor 3.000 Menschen zu stellen und mit Bällen, Ringen sowie Keulen zu jonglieren. Thomas meistert diese Situation ganz ausgezeichnet. Das Spiel mit seinen Requisiten ist ohnehin schon richtig gut, das Spiel mit dem Publikum entwickelt sich stetig weiter. Keine Frage, dieser Nachwuchsartist hat Zukunft. An diesem Nachmittag jedenfalls begeistert er seine Zuschauer wieder restlos. James Puydebois und Jana Mandana präsentieren eine neue Dressurkreation mit Elefanten. Colonel Joe tritt dabei mit einer Inderin und zwei Afrikanerinnen aus der Herde des Circus Krone auf. Besonders beeindruckend ist der Fächer aller Tiere. Neben viel Laufarbeit zeigt der große Bulle mit den mächtigen Stoßzähnen einige Soli, die er sehr selbständig arbeitet.


Truppe Moranbong, Vincenzo und Angela

Den Abschluss und leistungsmäßigen Höhepunkt des ersten Teils bildet die Truppe Moranbong.  Was die soeben in Monte Carlo mit dem silbernen Clown ausgezeichneten Nordkoreaner an russischer Schaukel und Reck zeigen ist wohl derzeit einmalig. Herausgehoben seien der vierfache Salto von der russischen Schaukel sowie der Sprung mit verbundenen Augen durch einen Reifen in sehr großer Höhe. Wusste diese Truppe in Monte Carlo noch durch eine fröhliche Art der Präsentation zusätzlich zu begeistern, herrscht in München wieder der typisch nordkoreanische, ganz auf Leistung konzentrierte, Stil vor. Experten in Sachen Fröhlichkeit hingegen sind die beiden Spaßmacher im Programm. In ihrem ersten Auftritt zeigen der schlaksige Vincenzo und seine füllige Partnerin Angela eine Ballerina-Version des Spiegelentrees. Die beiden Tschechen wissen dabei durch eigene Ideen und eine umwerfende Mimik zu überzeugen. Sympathisch sind sie sowieso. Ihren zweiten Auftritt haben sie am Schleuderbrett in stilechten Kostümen derartiger Truppen aus dem Ostblock. Ein Zuschauer „darf“ dabei unterstützen. Die Schwerkraft sorgt letztendlich dafür, dass niemand wirklich in die Luft geht. Ihren Auftritte drei, vier und fünf mit komischen Cowboyspielen, der Auseinandersetzung um einen Hut sowie „Herr und Frau Nachtigall“ sind ebenfalls sehenswert und dienen zusätzlich der kurzweiligen Überbrückung von Umbaupausen.


Jana Mandana, The new flying girls, Konstantin Mouraviev

Im Zentralkäfig zeigt Suzanne Chipperfield nach der Pause vier Tiger in verschiedenen Farben. Dabei sind neben zwei normalfarbenen Exemplaren ein weißer Tiger sowie ein Golden Tabby. Die Vorführung ist recht schnell vorbei, das Trickrepertoire nicht besonders vielfältig. Offensichtlich ist die Darbietung noch im Entstehen, wenngleich der geschickte Ablauf dies gut zu überspielen weiß. So lebt diese Dressurshow derzeit hauptsächlich von der Schönheit der Tiere. Zebras im Nebel leiten die arabische Phantasie unter der Leitung von Jana Mandana ein. Zunächst führt die Juniorchefin vier Zebras vom Pferd aus vor, um anschließend auf einem anderen Pferd Elemente der Hohen Schule zu reiten. Der Wechsel der Pferde wird reizvoll durch einen Umzug mit weißen Kamelen und Lamas gestaltet. Immer ein Garant für gute Laune und ebensolche Stimmung ist Konstantin Mouraviev. Auch diesmal gelingt es ihm mit seiner Rhönrad-Spezial-Diät blitzartig ordentlich Pfunde zu verlieren und anschließend mit kräftigen Schlucken aus einer Flasche Bier wieder draufzukriegen. Dafür wird ihm bei Krone sogar extra der Holzboden ausgelegt. Diesen nutzt kurz darauf ebenfalls das Duo Symbiose. Die beiden jungen Kanadier stellen in ihrer Partnerequilibristik zwei ungleiche Charaktere dar. Er als seriöser, schick gekleideter Gentleman, sie als Flic Flac-taugliche Rockerin mit zerfetztem Outfit. Zunächst animiert er sie zu artistischen Tricks, auf die sie nicht so recht Lust hat. Die zugehörige Musikbegleitung ist Rap. Dann wechselt die Tonalität hin zu gefühlvoller Klaviermusik. Nun will sie ihre Artistik gemeinsam mit ihm zeigen, er aber nicht mehr. Natürlich finden die beiden zusammen und zeigen eine hinreißende Kür, die auch leitungsmäßig überzeugt. Ohne Konkurrenz dürfte derzeit die Luftakrobatik der Truppe aus Pyong Yang sein, die aufgrund ihrer phänomenalen Leistung völlig zu recht den Schlusspunkt bildet. Mit welcher Präzision hier sogar der Vierfache gesprungen wird ist fast schon beängstigend. Die Mitglieder der gerade in Monte Carlo mit einem goldenen Clown ausgezeichneten Truppe nutzen den Raum unter der Kuppel optimal aus. Es gibt drei statische und einen mobilen Fänger sowie vier Absprungpunkte, die geschickt genutzt werden. So gibt es zum Abschluss eine regelrechte Flugschau.

 Wie endet ein schöner Nachmittag im Circus? Mit einem ansprechenden Finale, in dem der begeisterte Zuschauer die Gelegenheit hat, sich mit großem Applaus gebührend für die gezeigte Show zu bedanken. Leider gibt es auch diesmal wieder das für den Kronebau typische „Rein-Raus-Finale“. Das Fangnetz für das Trapez wird gar nicht erst abgebaut. Sobald der frenetische Applaus für die versammelten Künstler etwas abflaut, „grätscht“ das Orchester mit dem mitreißend gespielten monegassischen Circusmarsch „rein“ und gibt den Artisten das Zeichen, die Manege zu verlassen. Es erscheint Ringmaster Nikolai Tovarich, der auch diesmal den immer gleichen Spruch aufsagen muss - von Christel Sembach-Krone, die sich für den Besuch bedankt, einen angenehmen Nachhauseweg wünscht und sich auf ein Wiedersehen in „ihrem Circus Krone“ freut. Das Saallicht geht an, das Publikum hat den Kronebau zu verlassen. Schade, dass ein so schöner Circusnachmittag so abrupt enden muss. Die Freude am aktuellen Februarprogramm sollte man sich dadurch aber nicht vermiesen lassen. Die Artisten hätten es nicht verdient. Und natürlich gebührt auch den Verantwortlichen des Hauses Krone ein großer Dank dafür, dieses Programm zusammengestellt zu haben. 

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Text und Fotos: Stefan Gierisch