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Wintercircus Martin Hanson 2008
www.wintercircus.nl

Kerkrade, 18.  Januar 2009: Einen runden Geburtstag galt es zu feiern bei Martin Hansons Wintercircus – seit dreißig Jahren gibt es nun diesen Circus, der ohne Zelt und Wagen auskommt. Die Vorstellungen finden in den Theatern und Stadthallen der holländischen Tourneestädte statt. Ein Sattelzug genügt, um das technische Equipment des Circus zu transportieren. Die Bezeichnung als „Wintercircus“ ist folgerichtig, dauert die Tournee doch von Ende November bis Ende Januar. Auf einem Parkplatz direkt am Theater stehen die Campings und Wohnwagen sowie der Pferdestall und vermitteln nur schwach den Eindruck von „Der Circus ist in der Stadt“.

Zunächst sehen wir Beatrix Spindler mit Hoher Schule. Dieser Auftritt leidet, genau wie die später folgende Freiheit mit drei Friesen und drei weißen Pferden, unter den Gegebenheiten der Manege. Auf dem Bühnenboden liegen dicke profilierte Gummimatten, die mit Sägemehl bedeckt sind. Zudem ist die Manege sehr klein, so dass die großen Pferde nur langsam, vorsichtig laufen und deutliche Unsicherheiten, Schwierigkeiten mit der Balance, erkennen lassen. Von diesen Problemen abgesehen, handelt es sich um zwei ansprechende Auftritte. Ein wenig befremdlich ist es allerdings schon, den Spanischen Tritt eines Schulpferdes zu den Klängen von „We will rock you“ zu sehen, zumal die Besetzung des Orchesters für ein sehr ungewohntes Klangbild sorgt. Bei Martin Hanson gibt es ausschließlich Livemusik; Orchesterleiter ist seit dreißig Jahren Goty Teuteberg, der sich nach dieser Spielzeit zur Ruhe setzt. In ihrer dritten Nummer lässt Beatrix Spindler eine muntere Schar Hunde umhertollen. Es werden nicht nur die Standardtricks des Genres geboten, mehrere Tiere voltigieren zudem auf einem Doppelpony.


Jofri & Kladza, Truppe Alexander, Duo Peris

Als „Alte Kameraden“ sehen wir die vier Herren der Truppe Alexander. Der bekannte Gag mit dem angeblich vom mitmachenden Zuschauer demolierten Schleuderbrett zündet auch in dieser Vorstellung. In ihrem Hauptauftritt agieren sie, welch Überraschung, am Schleuderbrett. Eine junge Frau ergänzt als Fliegerin die Truppe. Es wird ein umfangreiches Repertoire schöner Sprünge vorgestellt. Höhepunkt ist ein Doppelsalto auf den Kopf eines Untermannes zum „Vier-Mann-hoch“. Aufgrund der kleinen Truppenstärke ist allerdings die zweite Position im Turm der Fänger nicht besetzt, und die Höhe wird nur mit einer Stange überbrückt. Die niederländischen Clowns Jofri & Kladza sind einige Male präsent, so zum Beispiel als „Hütchenspieler“, als „Karton-hoch-Stapler“ oder als Bäcker, deren Tun in einer „Sahnetorten-Schlacht“ endet. Die Reprisen zeigen viele eigenständige Elemente, geraten aber leider durchweg zu lang. Rasant geht es zu bei der Rollschuh-Show des Duo Peris. Eine Zuschauerin darf sich hautnah davon überzeugen und hat anschließend einige Probleme, wieder auf den eigenen Beinen zu stehen. Den wildgewordenen Terrier am Vertikalseil des Duo Richter kennen wir vom Circus Renz-Manege. Hier ist ihr actionreiches Spiel gleich im Anschluss an die Hundenummer der Spindlers zu sehen, und für einen Teil der Zuschauer scheint es eine zeitlang wirklich, als habe sich einer dieser Hunde selbständig gemacht. In den vergangenen Jahren sahen wir das Duo Musa am Trapez in diesem Circus, aktuell werden andere Disziplinen gearbeitet. Zuerst wird eine Limboshow, in der eine weitere Dame als zweite Tänzerin mitwirkt, geboten.  Später wird Salim in die „Festvorbereitungen“ eingebunden. Von einer hoch über der Manege hängenden Tafel ist eine Ziffer herabgefallen, und er soll sie wieder anbringen. Dies die Einleitung zu seiner Stuhlbalance. Es wirkt ein wenig befremdlich, dass der erste Stuhl fest auf dem als Basis eingesetzten Tisch verhakt wird. Dann folgen weitere Stühle und verschiedene Handstände. Ab dem vierten Stuhl arbeitet der Artist longengesichert. Mit dem sechsten Stuhl ist die Höhe erreicht, und die Ziffer landet wieder auf ihren Platz.


Rudolf Prokopov, Juye Qilin Acrobatic Troupe

Aus Moskau kommt der neunzehnjährige Jongleur Rudolf Prokopov, der sich eine sehr gute und originelle Nummer erarbeitet hat. Seine Requisiten – ein kleines Köfferchen mit den Bällen und einige eigenwillige Jacketts – werden auf einen großen Kleiderständer in die Manege gerollt. Die beiden Außentaschen der Jacken sind trichterförmig ausgestellt, und darin können Bälle gefangen bzw. zwischengelagert werden. Zudem dienen ihm weiße Kunststoffkleiderbügel als Jonglierutensilien. Auch feine Tücher werden eingesetzt. Zwischen die einzelnen Passagen seines Jonglierens sind kurze witzige Einlagen und Zauberkünststückchen eingestreut. So wird der ganze Auftritt aufgelockert, wirkt jugendlich verspielt und frisch.  Dreimal sind die jungen Chinesinnen der Juye Qilin Acrobatic Troupe mit ihren Künsten in der Manege vertreten. Als erste Darbietung zeigen sie „Face Changing“.  Hauchdünne Masken, die in mehreren Lagen vor dem Gesicht der Artisten angebracht sind, werden blitzschnell gewechselt. Da diese „Zauberei“ sehr kleinteilig ausfällt, werden die Zuschauer vor der Nummer von Arlette Hanson extra aufmerksam gemacht, worauf zu achten ist. Mit hohen Schwierigkeiten gespickt ihre Darbietung der tanzenden Teller. Bis zu fünf Teller jonglieren die Mädchen in jeder Hand und zeigen „ganz nebenbei“ großartige akrobatische Leistungen. Riesig wird der Applaus, als sie zum Schlusskompliment die Teller von den Stäben gleiten lassen und jeder im Publikum erkennt, dass diese wirklich balanciert wurden. Vollkommen zu Recht als Finalnummer platziert wurde ihre großartige Schlangenmächen-Nummer.

Die vier jungen Frauen bilden immer wieder neue Formationen, zeigen dabei viele schwierige Figuren und Handstände. Einmalig ihr Schlusstrick. Vier Mundstäbe sind übereinander angebracht, und die Artistinnen lassen im Mundstand stehend kleine Teppiche auf ihren Händen kreisen. Dabei verharrt das Mädchen an der obersten Position extrem lange in dieser Position, da die Formation von oben nach unten auf- und wieder abgebaut wird. Dann ist es soweit – Arlette Hanson kommt in die dunkle Manege, findet diese verlassen vor. Auf ihre Rufe hin flammen die Scheinwerfer auf, und die Artisten „überraschen“ ihre Chefin mit dem großen Fest. Ein fröhliches, stimmiges, nicht über Gebühr langes Finale beschließt ein unterhaltsames abwechslungsreiches Programm.

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Text und Fotos: Friedrich Klawiter