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München, 1.
März 2008: Zahlreiche Promis, umschwärmt von einer kleinen
Hundertschaft Fotografen, sorgten für viel Glamour anlässlich
der glanzvollen Premiere des letzten Programms dieser
Winterspielzeit im Rund des Circus Krone-Bau. Für mehrere
hundert Circusfreunde aus vielen europäischen Ländern die zum
“Programmwechsel“ gekommen waren, die GCD Jahrestagung fand u.
a. zeitgleich in München statt, war die Frage, was Krone nach
dem sehr starken Februarprogramm zu bieten habe, allerdings
interessanter. Um es gleich vorweg zu nehmen, ihre Erwartungen
sollten sich erfüllen und sie bekamen im so gut wie
ausverkauften Rund ein ähnlich starkes Programm wie am Vortag
geboten. Wo beginnen mit der Berichterstattung über dieses
Programm, dass auf so genannte Füller fast ganz verzichtet,
andererseits auch zwei für Krone untypische Besonderheiten
aufweist und aus dem anderenorts zwei gute Shows entstanden
wären? Bleiben wir am besten in einer chronologischen Reihung. |
Bingo, Wolfgang Lauenburger, Karl
3D, Ludmilla
Die Ouvertüre des
perfekt spielenden Krone-Orchesters unter Markus Jaichner gehört
ebenso zum traditionellen Programmstart im Krone-Bau wie die
distanziert unterkühlte Begrüßung des distinguierten Ringmasters
Nikolai Tovarich. Dann wird es furios. Das Charivari der Truppe
Bingo fegt über die Besucher hinweg und der so oft bemühte Funke
springt über, das Publikum geht mit. Die sieben Artisten/Innen
begeistern am Trapez, mit Akrobatik, Hand-auf-Hand und
Jonglage-Elementen. Nicht weniger rasant und präzise ging es mit
der neunköpfigen Hundemeute von Wolfgang Lauenburger weiter.
Voller Spiel- und Bewegungsfreude mischen sie die Manege auf.
Ganz im Gegensatz dazu steht die sehr ruhige, romantische Arbeit
von Ludmilla Khaylafova an der Lyra. Die demonstrative
Longensicherung zum Auftakt lässt einiges erwarten, doch weit
gefehlt. Relativ trickfrei “spielt” die Akteurin in erster Linie
verträumt mit einem mitgeführten großen Schleiertuch. Der
nachfolgende Akteur sorgt wiederum für einen kontrastreichen
Fortgang der Show. Karl 3 D arbeitet sehr sicher varianten- und
trickreich mit seinen Diabolos im Discostil. Selbstverständlich
kommt seine musikalische Begleitung von einer CD und per Rap
werden den Zuschauern die Bezeichnungen der “toughen Trix,
krassen Kombos und massiven Moves” nahe gebracht, sowie
angezeigt, wann Applaus erwünscht oder angebracht ist. Alles
unter dem Motto: "Haltet die Schnur stramm".
James Puydebois
Flankiert von den
beiden Elefantendamen Bara und Delhi schreitet Colonel Joe in
die Manege. Unter der Anleitung von James Puydebois zeigen sie
ein sehr umfangreiches Repertoire von Einzel- und Gruppentricks.
Der Dompteur dirigiert die drei Dickhäuter fast ausschließlich
mit seiner Stimme, auf die Mitnahme einer Peitsche verzichtet er
völlig. Die Perchsensation der Truppe Khaylafov bringt vor der
Pause noch einmal Höchstleistungen in die Manege. Die
beeindruckenden Tricks auf den sehr hohen Perchstangen kommen in
der hohen und weiten Kuppel des Hauses hervorragend zur Geltung.
Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Sprünge von
einer zur anderen Perch ohne unterstützenden Einsatz der Longe
nicht möglich sind. Bei allen anderen Tricks, auch dem äußerst
spektakulären Schlusstrick dient die Longe nur der Sicherheit
der Artisten. Seit Jahren ist Martin Lacey in der Kronemanege
zuhause. Zur Märzpremiere brillierte er mit besonders forschem
Auftritt. Der eine oder andere Circusfreund stellte anschließend
schon die Frage, ob alle Scheinangriffe in den gezeigten Form
wirklich so geplant waren.
Pieric, Anja Beran
und Nicole Ciroth
Kommen wir zu den “Krone
untypischen Besonderheiten”. In diesem Programm wird auf
klassische Clowns verzichtet und, in Anbetracht der großen
Anzahl an Pferden in den Kronestallungen sehr überraschend, es
gibt keine “richtige” Freiheitsdressur. Für beide Sparten wurde
der bretonische Dresseur Pieric engagiert. Er hat es mit seinem
feinen, sehr leisen, verträumt romantischen Spiel schwer in der
großen Manege und den weiten Dimensionen der Ränge. Außer zwei
kleinen clownesken Reprisen agiert er in den weiteren Auftritten
mit Pferden. Schön anzuschauen sein humorvolles Spiel mit vier
argentinischen Falabellas. Die temperamentvollen Minihengste, es
handelt sich um die kleinste Pferderasse, sind perfekt dressiert
und agieren erstklassig mit ihrem Dresseur, einzig sie wirken
ein wenig verloren im weiten Rund. In einer weiteren Reprise
erzählt er die Geschichte vom Clown, der der Voltigereiterin
imponieren will und versucht es ihr gleichzutun. Nach einem
unfreiwilligen Abgang vom Pferd findet die Story in der von uns
besuchten Vorstellung allerdings ein etwas jähes und so wohl
nicht übliches Ende. Sehr schön die Reprise als Hohe-
Schule-Reiter, in der Pieric in/auf einem umgehangenen
Stoffpferd den vorausgegangen Auftritt von Anja
Beran und Nicole Ciroth persifliert.
Die ausgebildete Dressurreiterin
Anja Beran besticht auf dem Lusitanohengst Pao durch perfekte
Haltung und Ausführung von wesentlichen Elementen der Hohen
Schule. Begleitet und showmäßig unterstützt wird sie hierin von
der Tänzerin Nicole Ciroth. Leider wird diese meisterliche
Demonstration reiterlichen Könnens durch die unpassende
Begleitmusik, und dann auch noch per CD, in ihrer Wirkung
beraubt und nicht angemessen präsentiert. Der Song “Maria” aus
der “Westside Story”, es geht um das Spiel der Geschlechter, ist
hier ob der Konstellation der Akteure nicht ideal. Dazu kommt,
dass die mit Gesang unterlegte CD “dem Pferd davonläuft”, im
Gegensatz zu life gespielter Musik eben nicht auf die vom Tier
vorgegebenen Tempi eingehen kann.
Dimitri Khaylafov,
Consuela Reyes, Rokashkov
Strapatennummern
haben Konjunktur und hier ist Dimitri Khaylafov mit diesem Genre
präsent. Sein Arbeitsgerät unterscheidet sich von den ansonsten
gebräuchlichen Gurten. Am Ende dünner, kaum sichtbarer,
Drahtseile sind Lederriemchen zu festen Gestellen angeordnet,
die permanent Hände und Unterarme umschließen. So ausgestattet
verharrt der Artist lange in der Luft, zeigt kraftvoll elegante
Flugsequenzen in Kombination mit Tricks die eher dem Repertoire
von Ringturnern entsprechen. Auf diese Weise versteht es der
Artist ausgezeichnet seinem Auftritt Eigenständigkeit zu geben.
Die zweite Jonglagedarbietung in diesem Programm ist im
Präsentationsstil ein Klassiker. Die Antipodistin Consuela Reyes
wirbelt in bester Circustradition äußerst gekonnt Zylinder,
kleine Tonnen und bis zu fünf große Bälle durch die Luft. Die
vier Rokashkov am Quadratreck sind durch einige Saisons bei
Roncalli keine Unbekannten hierzulande. Immer wieder zieht die
Geschichte um das Spiel einer Frau zwischen drei Männern, die um
ihre Gunst buhlen, das Publikum in ihren Bann. Hervorragend
choreographiert, wunderbar in Szene gesetzt und mit
erstklassigen, perfekt ausgeführten Tricks ausgestattet, gelingt
es dieser einmaligen Darbietung wunderbar, den ansonsten
Recknummern zumeist anhaftenden Touch von Turnwettstreit, zu
vermeiden. Entsprechend feiert auch das Münchner
Premierenpublikum diese stimmige Finalnummer.
Damit haben wir denn auch
den einzigen Kritikpunkt im ansonsten sehr guten und
stimmigen Programm erreicht: das Finale. Die Truppe Bingo erscheint
tanzend und jeder, der nun eine fetzige Eröffnung eines
groß angelegten Finales erwartet hatte, wird nach wenigen
Sekunden enttäuscht. Die Bingo-Artisten nehmen unmittelbar
ihre Position ein, die anderen Artisten marschieren hinter
Nicolai Tovarich, einer Ehrenformation auf dem Kasernenhof
nicht unähnlich, in strenger Formation ein, verharren für
zehn bis zwölf Sekunden und treten rückwärtsgehend genauso
wieder ab. Ringmaster Tovarich bleibt allein in der leeren
Manege zurück und entlässt die Zuschauer mit dem einen,
seit vielen Jahren stereotypen Abschiedssatz, den er
genauso unpersönlich und emotionsfrei wie die Begrüßung
vorträgt, aus dem Circus und tritt ab. Orchester aus. Spot
aus - Licht an. Kein zweiter Vorhang, oder gar -welch
unverfrorene Wunschvorstellung- ein dritter. Keine
Vorstellung der Akteure. Kein Applaus. Keine kleine
Zugabe. Schluss - Aus - Ende.
Abruptes
unschönes Ende einer ansonsten großen Show.
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