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München, 29.
Februar 2008: Ein schneeweißes Pferd mit eleganten Flügeln,
eine hübsche Reiterin in weiß gekleidet, die nach einigen Runden
in der Manege eine schöne Kür an Tüchern zeigt, um wieder auf
das Pferd zu wechseln. Danach ein herrlicher Sechserzug
Andalusier, wiederum opulent geschmückt mit weißen Decken. So
schön kann ein Circusprogramm beginnen. Das Februarprogramm 2008
des Circus Krone fängt so an. Es folgen gut zweieinhalb Stunden
bester Unterhaltung mit nicht weniger als vier – an diesem Abend
sogar fünf - aktuellen Clown-Gewinnern aus Monte Carlo. Keine
Frage, dieses Programm gehört zu den stärkeren Shows der
Winterspielzeiten im Krone-Bau. Mit dem Februar-Programm des
Vorjahres kann es allerdings nicht ganz mithalten, was nicht
weiter tragisch ist, denn jenes zweite Programm 2007 war wohl
einzigartig. |
Familie Casselly
Verantwortlich für dieses
stimmige Opening ist die Familie von Rene Casselly. Seine
Tochter Merrylu ist jene Reiterin und Artistin an den Tüchern.
In ihrer Luftnummer zeigt sie neben ruhigen Figuren auch gewagte
Abfaller. Auf dem Pferd reitet sie Elemente der Hohen Schule und
reiht sich mit ihrem Schimmel in die Freiheit ein, die ihr Vater
zu fließend laufenden Figuren dirigiert. Wie diese Familie immer
wieder neue Nummern mit ihren Tieren kreiert und präsentiert ist
äußerst bemerkenswert. Dies gilt ebenso für die Vorführung ihrer
vier afrikanischen Elefanten, ganz besonders aber für die „Post“
auf Elefanten und Pferden. Diese Show, mit Alexia Casselly im
Mittelpunkt, dürfte wohl einmalig sein. Alexia reitet stehend
auf zwei Elefanten und lässt sowohl Pferde als auch Elefanten
unter sich passieren, ihre Tochter assistiert auf einem Pferd
reitend. Außerdem zeigen die beiden Frauen den Wechsel vom Pferd
auf Elefanten und umgekehrt. Zum Schluss gibt es noch einige
Elemente aus dem Pas de deux zu Elefant, mit dem die Casselllys
bereits vor einigen Jahren zu erleben waren.
Valentina Pellanda, Val de Fun, Les Martini
Cesar und
Otto heißen die beiden gewaltigen kalifornischen Seelöwen,
mit denen Valentina (Pellanda) aus der Schweiz auftritt.
Gesten- und wortreich erklärt sie die aus dem natürlichen
Spieltrieb abgeleiteten Fähigkeiten ihrer Schützlinge,
welche diese für ein paar Fische natürlich gerne
demonstrieren. Komplettiert werden die Tierdarbietungen
von Jason Peters und seinen fünf männlichen Löwen. Im
Gegensatz zu der Raubtiershow von Martin Lacey jun. im
März-Programm ist es eine eher ruhige Präsentation.
Origineller Schlusspunkt ist die Fahrt von Jason Peters
auf dem Motorrad mit einem Löwen, quasi auf dem Sozius.
Komischer Begleiter durch das Programm ist
der Russe Val de Fu. In seinen Einlagen greift er verschiedene
artistische Disziplinen wie Jonglage, Schleuderbrett und Trapez
auf. Er arbeitet sehr extrovertiert und bezieht, wo passend,
auch gerne das Publikum ein. Und das gleich in größeren Mengen,
etwa wenn er die Wasserschlacht in der Manege auf die
Zuschauerränge ausweitet. Val de Fun hat viele eigenständige
Ideen, die großartig beim Publikum ankommen. Seine Auftritte
sind zwar nicht das was man mithin als langatmig bezeichnet,
etwas kürzer fassen könnte er sich an der einen oder anderen
Stelle aber doch. Vertreter der klassischen Clownerie mit
Weißclown und zwei Augusten sind die Martinis. Vor vielen Jahren
waren sie bei Busch-Roland zu erleben. Neben komischem beweisen
sie ebenfalls hohes musikalisches Talent.
Elayne Kramer, Crazy Wilson, Rejean St. Jules
Ein Großteil des artistischen Parts kommt,
ebenso wie die Cassellys und Martinis, geradewegs aus Monte
Carlo an die Isar. Elayne Kramer zum Beispiel. Was sie auf dem
Gebiet der Kontorsionistik zeigt ist schlichtweg phänomenal. Sie
verbiegt ihren Körper zu den ungewöhnlichsten Formen und
zerschießt mit Pfeil und Bogen zielsicher einen Luftballon, mit
den Füßen wohlgemerkt. Crazy Wilson kennen wir aus dem
Saisonprogramm. Allein schon die Aufhängung seines Todesrades
unter der freitragenden Kuppel des Krone-Baus erzielt eine ganz
besondere optische Wirkung. Seine Arbeit hat er ebenfalls
weiterentwickelt. Den Salto zeigt er nicht nur mit verbundenen
Augen, sondern im Anschluss gleich bei drei Umdrehungen
hintereinander. Den Abgang vom Rad verbindet er jetzt ebenfalls
mit einem Salto. Bei der Luftnummer der Truppe aus Shenyang
steht weniger der Thrill, als vielmehr der Schauwert, wiederum
verbunden mit hohem artistischem Können, im Mittelpunkt. Zu
zehnt zeigen sie eine Tücherakrobatik in Kombination mit
Säbelbalancen – zum Träumen schön. Genauso wie Crazy Wilson
wurden auch die Chinesen in diesem Jahr mit
einem silbernen „Clown“ ausgezeichnet.
Pelegrini |
Ergänzt wird der
artistische Part vom kanadischen Jongleur Rejean St. Jules, der seine Bälle in
einem großen Dreiecksgestell fliegen lässt bzw. vermeintlich mit
ihrer Hilfe „Klavier spielt“. Gemäß Programmheft hätte die Schlussnummer
den 1990 in Monte Carlo ausgezeichneten Alexis-Brothers gehört.
Da diese kurzfristig ausgefallen waren, erleben wir an diesem
Abend gleich vier braungebrannte Muskelpakete. Mit den
Pellegrinis und ihrer Equilibristik sind somit weitere aktuelle
Monte Carlo-Preisträger (Goldener Clown) zu bewundern. Wie nicht
anders zu erwarten bringen die vier Brüder aus Sizilien das
Publikum im Krone-Bau zum Toben. |
Alexis Brother |
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Eine
Stimmung, die sich auf das anschließende Finale überträgt, aber
leider abrupt abgewürgt wird. Wie gerne hätte das Publikum den
ausgezeichneten Künstlern in der Manege seine Anerkennung und
Begeisterung über das gerade Erlebte entgegengebracht. Und – das
unterstelle ich jetzt einfach mal – wie gerne hätten die
Artisten, Clowns und Tierlehrer diese Ovationen
entgegengenommen. Aber bei Krone scheint man auf solche Dinge
wenig Wert zu legen. Das Finale fällt betont kurz und
unpersönlich aus. So endet ein Programm, welches so wunderbar
begonnen hat, leider sehr nüchtern. In positiver Erinnerung
jedoch wird es trotzdem bleiben.
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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Tobias
Erber, Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch
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