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Alexis Gruss 2007
www.alexis-gruss.com

Paris, 15. Dezember 2007: Es ist nichts Neues, dass die Musik in seinen Programmen eine tragende Rolle spielt. Sorgfältig ausgewählte Stücke, passende Arrangements und ein großes Orchester. Daran hat sich der regelmäßige Besucher beim Cirque Alexis Gruss gewöhnt, das erwartet er Jahr für Jahr. Was liegt also näher als der Musik gleich eine ganzes „Spectacle“ zu widmen. Mit der 34. Produktion aus dem Hause Gruss hat man diese Idee nun umgesetzt. „Orchestra“ heißt das Programm, welches in Paris Premiere hatte und dort noch bis zum 09. März 2008 zu erleben ist. 

Natürlich ist auch diese Show wieder „typisch Alexis Gruss“. Er selbst hat es erdacht und sein ältester Sohn Stephan ist für die Umsetzung, sprich Inszenierung, verantwortlich. Im Mittelpunkt stehen die herausragenden Pferdedressuren und die akrobatischen Fähigkeiten der Familie Gruss. Drei Generationen sind in der Manege zu erleben. Die artistischen Leistungen selbst sind in der Regel nicht übermäßig spektakulär, gewinnen aber immens durch Kostüme, Ausstrahlung der Akteure, Inszenierung und eben die perfekt abgestimmte Musik.


Amelie Greth-Vallet & Louis Gruss, Ensemble

Damit sind wir mittendrin in der Manege des französischen Nationalcircus. Zur Eröffnung versammeln sich alle Artisten in der Manege, musizieren gemeinsam mit Mitgliedern des Orchesters und machen sich weich für die kommenden Auftritte. Ein überdimensionales Metronom gibt den Takt vor und der Kleinste – Louis Gruss – schwingt den Dirigentenstab. Es folgt gleich ein equestrischer Augenschmaus. Alexis Gruss dirigiert zunächst fünf Lusitanos und vereint diese anschließend mit fünf Friesen zu exakt laufenden Formationen. Dabei geht er auf jedes Tier individuell ein, lenkt seine Gruppe ruhig und souverän. Als Begleitung erklingt Klaviermusik von Bach. Mit Jazz geht es weiter. Amelie Greth-Vallet zeigt gemeinsam mit Louis Gruss kindgerechte Tricks der Partnerakrobatik und dann im Solo eine kurze Equilibristik-Arbeit. Auf dem hinteren Teil der in der Manege errichteten Bühne swingt ein Jazzorchester. Das Publikum swingt mit.

Eine Hohe Schule von Alexis sowie Gipsy und Maud Gruss schließt sich an, bevor wir Stephan Gruss beim Komponieren zusehen dürfen. Mit seiner Trompete sitzt er am Schreibtisch und hat offensichtlich einen „Kreativitätsstau“. Dies ändert sich schlagartig, als sein „Engel der Muse“ lebendig wird. Als solcher gewandet zeigt seine Frau Nathalie eine anmutige Kür an Tüchern, während Stephan dazu Trompete spielt. Keine schwierigen Tricks sind zu sehen, sondern eine kleine harmonische Komposition. Die Hohe Schule am langen Zügel verliert an diesem Nachmittag durch einen etwas nervösen Hauptdarsteller an Wirkung. Seine volle lebensfrohe Wirkung hingegen entfaltet die große Nummer vor der Pause unter dem Titel „Les jockeys du Roy David“. Zunächst gibt es einen Umzug mit Pferden, Esel und Lama. Danach Tanz und Reiterei. Zu sehen sind Tricks aus der Jockey- und Kosakenreiterei sowie Jonglagen zu Pferd. Begleitet von Klezmer-Musik entfacht das Ensemble ein wahres Feuerwerk.


Ensemble, Alexis Gruss & Söhne, Firmin Gruss

Von großer Kreativität zeugt ebenfalls die Guppenjonglage zu Beginn des zweiten Teils mit Stephan Gruss als Mittelpunkt. Die Familienmitglieder werfen ihre Keulen und Fackeln in faszinierenden Kombinationen. Angetrieben werden sie dabei vom Rhythmus der Trommeln. Selbstverständlich ist die Clownerie hier Familiensache. Im 34. „Spectacle“ dürfen wir Alexis Gruss wieder einmal als Weißclown erleben. Zusammen mit seinen Söhne bringt er – wie sollte es bei einem Programm mit diesem Titel anders sein – „Das Musizieren ist hier verboten“. Trotz aller Verbote wird hier natürlich viel musiziert. Was gut ist, denn die Herren Gruss sind nicht nur vielseitige Artisten sondern ebenfalls hervorragende Musiker. Bei den Frauen der Familie sieht dies nicht anders aus, wie Gipsy Gruss mit ihrer Akkordeon-Einleitung zum gemeinsamen Auftritt mit Tochter Maud am Washington-Trapez beweist. Mal synchron, mal im Solo zeigen Sie Tricks wie Hand- und Kopfstand.


Alexis Gruss

Vom sichtbaren Vertrauen zwischen Mensch und Tier lebt die indisch aufgemachte Arbeit von „Maharadscha“ Firmin Gruss sowie seiner Frau Laure mit Elefant Syndha, welcher viele der Tricks recht selbständig arbeitet. Zu sehen sind u.a ein Tragetrick und das Balancieren auf kleinen Holzpfosten. Alexis Gruss und seine „Feuerpferde“ beschließen die Show. Ehrlich gesagt hatte ich in Erinnerung an die vorangegangenen Programme hier eine große Nummer erwartet. Die kurze und rasante Vorführung von nacheinander fünf Friesen, einem Schimmel sowie 3 Lusitanos zu südamerikanischen Rhythmen erfüllten diese Erwartungen nicht. So bleibt es dem Finale vorbehalten, für das große Schlussbild zu sorgen. Alle Artisten sowie das 12-köpfige Orchester unter Sylvain Rolland werden vorgestellt. Und auch der kleine Dirigent ist wieder mit von der Partie.

Man muss der Familie Gruss einfach Respekt zollen. Respekt dafür, wie sie jedes Jahr eine komplett neues Inszenierung im Stile des „Cirque a l’ancienne“ mit viel Atmosphäre in die Manege bringt. Respekt, wie sie diese mit großem Können und Engagement Vorstellung für Vorstellung lebendig hält. Da ist es zu verschmerzen, dass „Orchestra“ mit den bislang von mir gesehenen Programmen nicht ganz mithalten kann. Die besondere Magie des Cirque Alexis Gruss aber erlebt man auch in der aktuellen Produktion.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch