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Paris,
13. Januar 2007: 110, rue Amelot, 75011
Paris eine der großen Adressen der
Circuswelt. An diesem Ort steht der vielleicht
schönste Circusbau, der heute noch existiert:
der Cirque dhiver der Familie Bouglione.
Von Außen ein wahrer Prachtbau, im Inneren ein
Palast aus einer längst vergangenen Zeit. Steil
ansteigende Ränge, Kronleuchter, eine große
Kuppel, ein aufwendiger Artisteneingang, rot und
gold die vorherrschenden Farben, in der Manege
mit dem Holzboden ist der massive Raubtierkäfig
aufgebaut. Klingt nach Circusmuseum? Ist aber
nicht so. Zum Glück! Seit 1999 wird hier jeden
Winter klassischer Circus gespielt.
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„Artistes heißt das Spectacle, mit
dem die junge Generation um Emilien, Sampion und
Joseph Bouglione in diesem Winter begeistert. Und
diese Show ist vom Feinsten. Das wird gleich zu Beginn klar. Im
großen Rund geht das Licht an und die Musik erklingt. Aber was
für ein Licht! Was für eine Musik! Die aufwendige und
hervorragend eingesetzte Beleuchtungsanlage unterstützt die
Wirkung des Programms enorm. Spots, Scanner, Laser, alles ist
da. |
Für den musikalischen Part
ist Tony Bario verantwortlich, der mit seinem
großen Orchester über dem aufwendigen
Artisteneingang thront. Von Streichern über
Bläser und Percussions bis hin zur E-Gitarre ist
alles dabei. Natürlich werden sämtliche Nummern
von Livemusik begleitet. Auch das
Begrüßungskomitee kann sich sehen lassen. Da
ist Sergio, der vielleicht berühmteste aller
Ringmaster unserer Zeit, Weißclown Alberto
Caroli, Darix Huesca und der Star des Programms,
Fumagalli. Sie geben die Manege frei und
begleiten uns durch den weiteren Verlauf des
Programms ebenso wie die Salto Dancers und der
schrullige Alte in der Königsloge mit seinem
Enkel. Letztere sind Puppen, die von Willer
Nicolodi zum Leben erweckt werden. |
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Sarah Houcke
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Zum ersten Mal seit der
Wiederaufnahme der Winterspielzeit gibt es eine
Raubtiergruppe im Käfig. Dem edlen Rahmen
entsprechend erscheinen an diesem Nachmittag
jeweils ein weiß-gestreiftes und ein
schneeweißes Exemplar sowie ein Golden Tabby. In
einer ruhigen Dressurfolge präsentiert Sarah
Houcke diese wunderschönen Tiere, welche sie
erst zwei Tage zuvor von ihrem Kollegen Hans
Suppmeier übernommen hatte. Dafür läuft die
Präsentation schon erstaunlich flüssig und
bestimmt wird auch der vierte Tiger bald wieder
zu sehen sein. Nachdem der Zentralkäfig abgebaut
ist folgt die erste Darbietung aus der Sparte
Jonglage. Drei weitere werden folgen.
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Schirme
sind die Requisiten, welche das Duo Yingling mit
den Füßen und Händen in der Luft hält.
Höhepunkt ihrer Antipodenspiele ist die
synchrone Balance von jeweils fünf Schirmen.
Romantisch-verträumt fährt das Programm fort
mit dem Pas de deux auf dem Einrad des
sympathischen Duos Strange Love aus Russland,
bevor die zweite Jongleurnummer durch die Manege
fegt. Zu fetziger Musik präsentiert
sich Sampion Bouglione jr. Im wilden Outfit zeigt
er eine Balljonglage, kombiniert mit Stepptanz
und akrobatischen Sprüngen. Der Höhepunkt ist
erreicht, wenn er die Jonglage seiner Bälle zum
Boden für einen Rückwärtssalto
unterbricht. Gut mit Bällen
umgehen kann natürlich auch Cecil. Er ist der
Akteur in der Seelöwendressur von Ingo Stiebner. Während sich
seine dreijährige Kollegin Lola noch an die Manege gewöhnt,
zieht Cecil alle Register seines Könnens und zeigt
beispielsweise den Einflossen-Stand. Die Show vor der Pause
gehört Bauchredner Willer Nicolodi.
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Duo Yingling
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Ingo Stiebner |
Ob mit
seinem gefiederten Freund, der unbedingt eine
Zigarette haben möchte, dem phlegmatischen Hund
Buddha oder drei Freiwilligen aus dem
Publikum, der Italiener hat das Auditorium im
Griff. In den folgenden 20 Minuten gibt
es die Stars der Manege zum Anfassen. Im Café
des Circusgebäudes sind Artisten, Tierlehrer
sowie Clowns zugegen, signieren ihre Bilder im
Programmheft und lassen sich gerne in ein kurzes
Gespräch verwickeln. Eine nette Aktion, die
Sympathien schafft und Publikumsnähe beweist. Derweil wird über der
Manege das Fangnetz aufgebaut, welches die Flying
Michael absichert. Das Netz brauchen die fünf
(laut Programmheft sind es sechs) Artisten aus
Brasilien an diesem Nachmittag nur für den
Abgang. Alle Sprünge, darunter auch der
Dreifache mit verbundenen Augen, gelingen mit
großer Sicherheit. Nach einem Zwischenspiel von
Fumagalli und Co. erscheint mit Hilfe der
versenkbaren Manegenmitte der dritte Jongleur im
Programm Ives Nicols im Nieten- und Lederdress, um seine
goldenen Fußbälle herumzuwirbeln. |
Eine tolle Wirkung
erzielen immer wieder seine Propeller, die er wie Bumerangs über
die Köpfe des Publikums sausen lässt und natürlich auch wieder
auffängt. Mit den Füßen jongliert
daraufhin einer der Söhne von Fumagalli seinem
Bruder. In ihrer Ikariernummer zeigen die Huesca
Brothers Tricks wie einen Doppelsalto und zum
Abschluss Salti am laufenden Band. Von der Schönheit von
Mensch und Tier lebt die Hohe Schule, die
anschließend Regina und Joseph Bouglione reiten.
Quasi als da capo erleben wir Fumagalli, der
durch die Vorführung eines Ponys zwar nicht
gleich zum Pferdeflüsterer wird,
seinen vierbeinigen Manegenpartner aber zu
vielfältigen Sprüngen durch beleuchtete Reifen
animiert. Mit einer anmutigen Kontorsionistik
erleben wir dann nochmals das Duo Yingling aus
China.
Fumagalli, Ballett
Vor dem Finale hat Fumagalli
seinen großen Auftritt. Unterstützt von seinem
Bruder Darix und Weißclown Alberto Caroli gibt
das Bienchen was wohl? - Honig natürlich.
Mit dem Feuerwasser-Entree hat Fumagalli bei
seinem zweiten Gastspiel im Bouglione-Bau das
Publikum wieder ganz auf seiner Seite. Außerdem
erleben wir ihn u.a. noch als komischen
Dirigenten und gemeinsam mit Bruder Darix in der
bekannten Kaskadeurnummer. Neu ist für mich sein
Auftritt als Magier. Herrlich, wie er gemeinsam
mit einem Jungen aus dem Publikum seine Ente
Donald von einem Kasten in den anderen wandern
lässt. Zugegeben, Bruder Darix ist nicht ganz
unbeteiligt, den großen Überraschungseffekt
gibt es zum Schluss aber trotzdem. Im Nachthemd und mit weißer
Zipfelmütze ist Fumagalli es auch, der nach der
Vorstellung gemeinsam mit den Puppen von Willer
Nicolodi, die sich ebenfalls bettfertig gemacht
haben, das Licht ausmacht. Zuvor gibt es aber ein
prächtiges Finale, zu dem alle Mitwirkenden in
die Manege strömen. Das Orchester spielt noch
einmal groß auf und der Innenraum erstrahlt im
phantastischen Licht. Die Show endet genauso
fulminant wie sie begonnen hat.
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Auf dem Bild auf der
Rückseite des aufwendig gestalteten
Programmhefts ist zu sehen, wie Fumagalli und
Donald für das nouveau spectacle der
Bougliones plakatieren. Im Oktober 2007 soll es
wiederum eine Show im Pariser Cirque dhiver
geben. Schön zu wissen, dass die noch
junge neue Serie der Winterspielzeiten auf dem
Weg dazu ist, zur Tradition zu werden.
Einen solch aufwendigen Hochglanz-Circus sieht
man heutzutage selten. Und auch wenn der
artistische Bereich schon stärker besetzt war
als in der laufenden Saison, der Weg nach Paris
lohnt sich allemal.
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Text: Stefan Gierisch; Fotos:
François Dehurtevent
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