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Friedrichsbau-Varieté - Warth's ab
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 17. April 2008: Die Schwäbin Rosemarie Warth, brav und bieder, sitzt in ihrem kleinen Wohnzimmer, häkelt und bleibt am liebsten daheim – bis ihr Bruder Johannes auftaucht, der Weitgereiste, sie an die Hand nimmt und ihr die Welt zeigt. Gemeinsam betreten die Geschwister immer neue imaginäre Räume, in denen Artisten ihre faszinierende Kunst zeigen – und im Laufe der Reise wird aus der schüchternen Rosemie ein lasziver Vamp. Das ist die Geschichte von „Warth’s ab“, der Frühjahrsproduktion des Stuttgarter Friedrichsbau-Varietés.


Rosemie und Johannes Warth

Türen und Fenster im Hintergrund bilden das wieder völlig neu eingerichtete Bühnenbild, vor dem Rosemie und Johannes Warth sowie die Artisten agieren – und Rosemie blüht auf der Reise mit ihrem Bruder verdammt schnell auf. Schummelt mit klappernden Bonbons im Mund eine Steppdarbietung aufs Parkett, steppt später richtig, bläst eine schräge Samba auf einem Alphorn, jodelt, singt – und wagt sich mit neuem Selbstvertrauen als erste durch die Tür, hinter der rotes Licht und laszive „Je t’aime“-Musik Verheißungsvolles ankündigen. Bruder Johannes steht ihr in Sachen Unterhaltungswert in keiner Weise nach: als schräger Jongleur, beim Reggae auf dem Akkordeon, als Xylophonspieler und Conférencier, der das Publikum gleich reihenweise per Rollenspiel zu spießigen Schwaben macht. Und all das ist, besonders vor der Pause, einfach zum Tränen lachen lustig – ausgelassene Stimmung herrschte bei der Vorpremiere im Kuppelsaal des Friedrichsbaus.


Duo Passion, Emilie Weisse und Menno van Dyke, Duo Elja

„Ein Duo kommt selten allein“ heißt der Untertitel des Programms, und so treten auch im artistischen Part ausschließlich Duos auf. Den Auftakt machen Julia und Ele Janke alias Duo Elja. Die Zwillingsschwestern aus Berlin, Absolventinnen der Staatlichen Artistenschule in der Hauptstadt, zeigen ein starkes Wechselspiel von fallen und gefangen werden, abwechselnd begleitet von Rockmusik und Ballade, halten sich nur mit den Kniekehlen oder den Füßen. Besonders kreativ und innovativ ist die Darbietung der Französin Emilie Weisse und des Holländers Menno van Dyke: Beide tanzen sinnlich Tango, während Menno gleichzeitig jongliert – sie jonglieren gemeinsam vier Bälle, jeder mit einer Hand. Sie greift Keulen aus seinen Wurfmustern und bringt sie zurück ins Spiel. Sie umschlingen sich, während er die Bälle sicher in der Luft hält. Was für ideenreiche, wunderschöne Bilder. Kontorsionistik und Equilibristik kombinieren Yulia Poddubna und Natalia Panasenko in ihrer modern gestalteten, aggressiv und sinnlich zugleich präsentierten, leistungsstarken Darbietung, die parallel auch auf einer Videowand zu sehen ist. Das Duo Passion, Natalia und Jerome, das an den Vertikaltüchern sonst in großer Höhe arbeitet, schwebt im Friedrichsbau nun ganz nah über den Köpfen der Zuschauer – es ist immer wieder faszinierend, hier in Stuttgart Luftartistik quasi unter dem Vergrößerungsglas zu sehen. Rosemie ist später die erste, die wieder aus dem verruchten Raum zurückkehrt – im Löwenkostüm.


Denise Randol

Ihre ganz neuen Seiten präsentiert sie dann in der gemeinsamen Kraftakrobatik mit dem Bodybuilder Holger Spreer, der sich damit eindrucksvoll als durchaus selbstironiefähig beweist. Rosemies Fazit: „Ich wusste gar nicht, was für ein Luder ich bin“. Aber auch Johannes hat sich in den Rotlicht-Raum gewagt, kehrt zerrupft und entrückt zurück und kann nur noch sagen: „Mir wurde geholfen“. Und kurz darauf sehen wir auch, von wem – der rassigen Denise Randols, die – assistiert von ihrem Mann Massimo – die Hula-Hoop-Reifen supersexy um ihr Lacklederoutfit kreisen lässt. Ihre bekannte Rollschuhdarbietung konnten die Randols bei der Vorpremiere krankheitsbedingt nicht zeigen.


Holger Spreer und Rosemie


Finale

Die Show gipfelt in einem wunderbar gestalteten Finale. Die Artisten kommen mit einem Stuhl auf die Bühne, setzen sich um einen großen Holztisch, im Hintergrund spielt das Varieté-Orchester „unplugged“, und Rosémie singt für Zuschauer Waldemar aus der dritten Reihe, der manchen Spaß mitmachen musste, ein Liebeslied. Dann ist der Holztisch die Bühne für schwungvolle Zugaben. Tolle artistische Nummern und urkomische Conférence geboten, das Ganze in eine Geschichte gebettet, eine kleine Botschaft vermittelt („Geht nicht gibt’s nicht“) – Hausregisseur Ralph Sun und Partner Johannes Warth haben in ihrer gemeinsamen Produktion alles richtig gemacht.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber