In „Soap“ zeigten die Artisten ihre
Kunst in Badewannen, in „MyLife“ wurde eine heb- und senkbare
Mittelbühne geschaffen. Auch „Verus“ spielt nun wieder in der Mitte des
Raumes. Die quadratische Bühne steht diesmal, rautenförmig sozusagen,
mit den Ecken zu den Längs- und Schmalseiten des Raumes. In jeder der
vier Ecken steht ein chinesischer Mast; an deren oberen Enden bilden
Traversen ein Quadrat, an denen vier Trapeze hängen. Weitere Luftnummern
ermöglicht ein zentraler Aufhängepunkt mitten über der Bühne – und von
der Bühne zur Rückwand des Raumes führt ein „Deckenlauf-Requisit“, so
dass die weiblichen Artisten stets kopfüber zu ihren Auftritten gehen.
Als „Weiterführung des klassischen Varietés und des Cirque Nouveau“
beschreibt „Circle of Eleven“ den eigenen Stil. Der Star ist die Show,
die Akteure können durchaus wechseln, während die Produktion über einen
längeren Zeitraum gehalten wird. Von der Premierenbesetzung steht
aktuell nur noch eine Künstlerin auf der Bühne. Kein Glitzer, sondern schlichte
Outfits, düsteres Licht, oft melancholische Musik – Versus hat, wie
schon die Vorgängershow „MyLife“ einen edlen, modernen, trendigen
„Look“. „Versus erzählt von der Begegnung zweier Welten, die nach und
nach zueinander finden, um schließlich zu einem neuen Universum zu
verschmelzen“, schreibt der Pressetext – ganz praktisch heißt dies, dass
im ersten Programmteil die vier weiblichen und die vier männlichen
Artisten jeweils getrennt auftreten, nach der Pause dann stets in
männlich-weiblichen Kombinationen, Liebesgeschichten erzählend. Ein
Video mit programmatischen Aussagen („Ich habe aufgehört zu sagen, ich
will wie alle sein“) und Forderungen („Ich will keine gespaltene
Gesellschaft“) läuft zu Beginn der Show auf einer Leinwand im
Hintergrund, nach der Pause auf einer Stoffbarriere auf der Bühne mit
den Aussagen in umgekehrter Reihenfolge – eine Barriere, die von den
beiden Lagern, Männern und Frauen, nun überwunden wird, sie
zusammenkommen lässt.
  
Manda Rydmann,
Anthony Weiss und Katharina Lebedew, Anthony Weiss
Am Beginn schwebt
Manda Rydmann am Luftring, während Alessandro di Sazio sie vom Boden aus
beobachtet, ihre Bewegungen nachahmt, Sehnsucht nach ihr zeigt. Synchron
arbeiten die vier Artistinnen am Trapez, dann schwingen sie weit aus,
jeweils zwei Artistinnen fassen sich, und nach zwei Platzwechseln von
Trapez zu Trapez arbeiten jeweils zwei der Damen im Duo. Verena Schmidt
erklimmt das Vertikalseil, präsentiert sich tief ins Seil verstrickt –
der Typ in schwarzen Klamotten will es ihr im Anschluss nachmachen, doch
er schafft es nicht, das Vertikalseil hinaufzuklettern, er zieht
vielmehr das Seil zu Boden. Julian Schulz spielt in der einzigen
komischen Nummer des Abends mit dem Publikum, lässt jede der vier Seiten
im Saal ein anderes Geräusch machen, wenn er den Mast erklimmt und
hinuntersaust. Katharina Lebedew wiederum präsentiert eine elegante
Handstand-Equilibristik. An einem ansonsten von Frauen dominierten
Requisit, aber ohne femininen Touch, sondern männnlich-kraftvoll
arbeitet Anthony Weiss an gelben Seidentüchern. Nach einer
Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung der Luftring-Kür Manda Rydmanns geht es
mit dem dynamischen Auftritt der Herren an den chinesischen Masten in
die Pause. Im zweiten Programmteil ist also die Zeit der
Liebesgeschichten gekommen. Zunächst faszinieren Manda Rydmann (Kontorsion) und Alessandro Di Sazio
(Breakdance) mit einer höchst interessanten
Kombination zweier grundverschiedener Genres. In einer Strapaten-Doppelschlaufe arbeiten zunächst Anke von Engelshoven und
James Kingsford-Smith, wenig später dann Anthony Weiss und Katharina
Lebedew am drehbar aufgehängten Duo-Trapez. Dazwischen gibt es noch eine
originelle Szene, in der sich zwei Akteurinnen (Manda Rydmann, Verena
Schmidt) beim Deckenlauf begegnen, einander umarmen – ihre beiden
Beobachter am Boden, Julian Schulz und Alessandro di Sazio, tun es ihnen
nach. Und so entwickelt sich eine Art Neck-Spiel, in dem die Damen immer
schwierigere Vorlagen geben, denen die Herren nachzukommen versuchen –
bis sich die Frauen küssen, was die beiden Bewunderer dann doch
unterlassen. Das Schlussbild vereint nochmals alle Akteure auf der Bühne
– zu einem akrobatischen Tanz an Seidentüchern, die sich zu einem Netz verspinnen.

Schlussbild |