Fast drei Monate sollte „TOLLhouse“ laufen, doch
gespielt wurde diese Show nur eine Woche. Am Freitag, dem Dreizehnten,
untersagte die Stadt Stuttgart aufgrund der Corona-Pandemie alle
Kulturveranstaltungen. Alle Vorbereitungen, alle Investitionen, alle
Proben waren umsonst, das Künstlerensemble von einem Tag auf den
nächsten ohne Arbeit. So wie das Kulturleben rund um den Globus seit
diesen Märztagen praktisch stillsteht.
Faeble Kievman,
Hieronymus, Guillermo Léon
Die Show spielt in einer Wohngemeinschaft von
Künstlern. Das Bühnenbild zeigt eine Wohnung. Der strenge Hieronymus
ist nicht nur ein Vertreter des „preußischen Entertainments“, sondern
auch das WG-Oberhaupt, der Vermieter und selbsternannte „Kapitän der
guten Laune“. In einem Casting sucht er geeignete Mitbewohner. Die
Kandidaten dürfen „vorputzen und vorkochen“. Und zeigen, was sie können.
So wie Komiker Faeble Kievman, der sich trotz seiner stattlichen Statur
durch einen handelsüblichen Klappstuhl zwängen kann. Guillermo Léon mit
seinem Rauschebart erweist sich als gewiefter Hutjongleur. Bis zu fünf
Kopfbedeckungen hält er in der Luft.
Hieronymus,
Helena Jans, Taras Nadtochii
Helena Jans wagt ein außergewöhnliches Duett an
Strapaten, denn ihr Partner ist das Skelett „Oscar“. Nach Solo-Passagen
schwingt sie sich gemeinsam mit ihrem leblosen Konterpart in die Lüfte,
kreist über der Bühne, begleitet von zauberhafter Musik. „Oscar“ sei
schon früher als Bewerber um ein WG-Zimmer da gewesen, „aber ein Trick
ging schief, jetzt finanziert seine Rente die WG“, kommentiert
Hieronymus in seiner herrlich mürrischen Art. Der motzende Miesling mit
Hang zur Pöbelei ist auch ein hervorragender Zauberer. Er kann Dollars
verschwinden lassen oder löst Rubicks Zauberwürfel in Windeseile.
Nummerierte Würfel ändern in einem Kubus auf wundersame Weise
Reihenfolge und Ausrichtung. Klischnigger Taras Nadtochii kann seinen
Körper auf extreme Weise nach vorne verbiegen – und dies sogar in
Handschellen.
Kai
Hou, Duo Strange Comedy, Guillermo Léon
Wie Conférencier Hieronymus sind mit Shelly Mia
Kastner und Jason McPherson alias Duo Strange Comedy noch weitere
Akteure dieser Show dem Friedrichsbau-Publikum bestens aus früheren
Engagements in Erinnerung. Doch werden ihre Künste wieder in einen ganz
neuen Zusammenhang gestellt. Ein schwarzer Paravent ermöglicht komische
Illusionen im Stile eines „schwarzen Theaters“, wenn zum Beispiel Shelly
scheinbar mit Ringen jongliert, die ihr hinter der Kulisse stehender
Partner mit den Händen bewegt. Vor der schwarzen Kulisse liefert Shelly
eine Quickchange-Performance und kann ihr Partner seinen Kopf um 360
Grad drehen. Das alles ist ein herrlicher Spaß. Gleiches gilt für den
Auftritt im zweiten Programteil, bei dem Jason in einer Box steckt und
via Fernbedienung gesteuert wird. Hohes akrobatisches Können
demonstriert dagegen Kai Hou bei seiner Arbeit am Doppelten Chinesischen
Mast. Mit gewagten Sprüngen bewegt er sich zwischen den zwei Stangen hin
und her, hinzu kommen Abfaller und kraftvolle Posen. Skurril wird es vor
der Pause, wenn Guillermo Léon seinen Bart vom Ensemble mit rohen
Spaghetti spicken lässt und selbigen dann in einen Topf mit heißem
Wasser taucht – das Ganze begleitet von Operngesang. Später überzeugt sein Können als Jongleur mit bis zu
fünf Keulen. Dabei lässt er die Requisiten auch in einer Kontaktjonglage
über seinen Oberkörper gleiten und bezieht natürlich wieder seinen Bart
ein.
The
Amazing Other, Faeble Kievman, Kai Hou
Eine wirklich starke Arbeit am Trapez präsentiert
das norwegisch-dänische Duo „The Amazing Other“. Eivid Øverland und
seine Partnerin Lalla La Cour kombinieren ihre Luftakrobatik mit einer
Parodie auf Wrestling-Shows, auch ihre Kostüme lehnen sich an die
grotesken Showkämpfe an. Solo- und Duotricks, Haltefiguren und
Schwungteile bis hin zu Salti wechseln sich ab. Selbst ein Zopfhang
gehört ins Repertoire. Zwei Komiker aus dem Ensemble stellen ihre
artistischen Fähigkeiten unter Beweis: Jason McPherson auf der Rola Rola,
Faeble Kievmann mit einer traditionellen chinesischen Vasenjonglage,
grotesk dargeboten als „Opernstar Grace Habanera“ im roten Kleid.
Chinesische Akrobatik ganz ohne Augenzwinkern zeigt dagegen Kai Hou als
Reifenspringer. Dabei erreicht er wirklich beeindruckende Höhen,
beispielsweise wenn Guillermo Léon einen Hula-Hoop-Reifen über seinen
Kopf hält und Kai Hou hindurchspringt. |