„S.P.O.R.T.“ lautet
das Programmotto der Absolventenshow im Jahr der Olympischen Spiele.
Viel offener und extremer als im Alltag träten im Sport Emotionen
zutage, heißt es im Programmheft. Daher ließen sich mit dem Thema
„Sport“ die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens besonders gut auf
die Bühne bringen. Immer wieder allerdings wurden der Berliner
Artistenschule auch eine übergroße Betonung der „sportlichen“ Ausbildung
und eine Vernachlässigung künstlerischer Aspekte nachgesagt. Da mutet
das Programmmotto fast schon wie ein ironischer Kommentar zu der
Dauerkritik an. Für die Gestaltung des Programms konnte mit dem Belgier
Marc Bogaerts, der in Berlin lebt, ein äußerst renommierter Choreograph
gewonnen werden. Getreu seinem Motto, dass jede Bewegung Tanz ist,
arbeitet er interdisziplinär in den Grenzbereichen von klassischem und
modernem Tanz, Sport und „Cirque Nouveau“. Im Ergebnis hat die
Absolventenshow ein modern und frisch wirkendes Antlitz erhalten.
  
Ensemble
Wie aus den
vergangenen Jahren gewohnt, werden die Darbietungen der einzelnen
Absolventen und Noch-Artistenschüler durch Zwischenspiele verbunden. Mit
den Mitteln von Artistik, Tanz, Schauspielerei und Gesang kreisen sie um
das Leitmotiv Sport, ohne dass die Geschichten allzu konkret würden.
Sehr „modern“ bzw. „nouveau“ ist allerdings auch der Einfall, dass die
jungen Künstler zum Ende ihrer Darbietungen jeweils nur kurz nach vorne
treten, um dann quasi von der Bühne zu schleichen. Damit enden mehrere
Darbietungen merkwürdig unvermittelt. Das klassische Kompliment ist
demgegenüber doch wesentlich gefälliger und publikumswirksamer. Von
Trios oder gar Truppen kann man in den Absolventenshows weiterhin nur
träumen, in diesem Jahrgang fehlt gar ein Duo im Ensemble - und schon
deshalb können spektakuläre Circus-Genres wie Schleuderbrett, Flugtrapez
und Co. nicht ausgebildet werden. Dafür gibt es zum Beispiel bei den
drei Luftnummern – Kette, Seil, Tuch – unübersehbare Parallelen im
Trickrepertoire.
  
Marie
Oldenbourg, Sascha Jacob, Max Loos
Zunächst gehört die
Bühne dem Berliner Sascha Jacob, der über die Kinder- und Jugendcircusse
Juxcircus und Cabawuzi letztlich zur Berliner Artistenschule kam und
unter seinen Referenzen unter anderem zwei Saisons beim Traumtheater
Salome vorweisen kann. In seiner innovativen Nummer, die zwei
Jonglier-Genres verbindet, lässt er zwei Diabolos übers Seil tanzen und
jongliert gleichzeitig mit drei Bällen. In einem weiteren Auftritt im
zweiten Programmteil misslingt an diesem Abend die Jonglage mit vier
Diabolos knapp (ohne Wiederholungsversuch), anschließend hält Jacob
jedoch drei Diabolos ausdauernd in der Luft. Auch Max Loos kam über
einen Kinder- und Jugendcircus zur Artistenschule und hat sich hier auf
den Chinesischen Masten spezialisiert. Ganz in weiß mit Kapuze, ein
Piercing ziert seine Unterlippe, beginnt er seine „cool“ dargebotene
Nummer mit einem Vorwärtssalto am Masten. Schwierige Haltetricks
wechseln mit kräftezehrenden Aufgängen und wagemutigen Abgängen, unter
anderem kopfüber, nur mit den Beinen gehalten – einer der stärksten
Auftritte des Abends. Marie Oldenbourg nutzt ihr Doppel-Schwungseil vor
allem für schnelle, dynamische Positionswechsel zwischen den beiden
Seilschlaufen. Spektakulär schon der erste Trick, bei dem sie sich vom
Fußhang am oberen Seil in den Kniehang am unteren Seil stürzt. Es folgen
Spagat, Schulterstand auf dem Seil, Genickhang am schwingenden Seil
sowie leidenschaftlich vorgetragene Verstrickungen und Verschlingungen.
Leistungsturnen und ebenfalls ein Kinder- und Jugendcircus führten die
Münchnerin an die Artistenschule.
  
Sarah Stiefel, Oscar
Kaufmann, Nathalie Wecker
Oscar Kaufmann ist
noch Artistenschüler, darf jedoch bereits mit auf Tour gehen. Damit ist
nun erstmals ein Cyr-Rad in einer Absolventenshow zu sehen. Geschickt
nutzt der junge Artist die beschränkten Platzverhältnisse auf der Bühne
– wenn das Rad sich, fast horizontal, nur knapp über dem Boden dreht und
der Artist sich aus dieser Position wieder in die Vertikale
emporschraubt, sorgt dies für großen Anklang im Publikum, genauso wie
beispielsweise die Drehungen, bei denen er sich nur mit den Händen am
großen Reifen hält. Ebenso noch Artistenschülerin ist auch die ehemalige
Leistungsturnerin Nathalie Wecker, die bei ihren eleganten Handständen
auf einem und zwei Armen einen Ball zwischen den Füßen, in den
Kniebeugen oder zwischen Fuß und Schienbein hält. So wird dem
Handstand-Genre eine andere Facette abgewonnen. Sarah Stiefel, von der
Sportakrobatik kommend, demonstriert in einer akrobatischen Luftnummer
an zwei Kettenschlaufen Kraft und Beweglichkeit, unter anderem bei
Genickhang, Spagat, Überschlägen im Seitspagat und schließlich auch bei
kontorsionistischen Elementen.
  
Elisabeth Schmidt, Ihor
Yakymenko, Paulina Wehrberger
Polina Wehrberger
entstammt der Fachrichtung Bühnentanz der Berliner Ballett- und
Artistenschule; ihre Teilnahme soll auch die enge Verbindung der beiden
Schulzweige demonstrieren. Ihr sinnlicher Tanz als Boxsportlerin könnte
sich durchaus auch in ein Varietéprogramm fügen. Mit 15 Jahren von der
Ballett- in die Artistikabteilung der Schule gewechselt ist Ihor
Yakymenko, der sich ebenfalls noch in Ausbildung befindet. Er hat einen
Chinesischen Masten mit einer kleinen Rundplattform am oberen Ende
versehen und präsentiert an dem Requisit eine Symbiose aus Mast- und
Handstandakrobatik. Die Übergänge zwischen den Tricks der beiden Genres
sind fließend, der Applaus kräftig. Die Ehre der Schlussnummer kommt
Elisabeth Schmidt mit ihrer dynamischen, schwungvollen Arbeit an zwei
roten Tuchschlaufen zu. Posen im Handstand und im Spagat, Abfaller und
mehr werden mit viel Ausstrahlung gezeigt. |