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Friedrichsbau-Varieté - Sirens
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 14. April 2011: Das Friedrichsbau-Varieté zeigt in diesem Frühjahr keine Eigenproduktion, sondern ein praktisch fertig eingekauftes Produkt: die neue Show „Sirens“ der Truppe Bingo, konzipiert und choreographiert von Iryna Germann und Igor Protsenko. Dennoch erfüllt auch dieses Programm den Anspruch des Friedrichsbaus, jeder Show ein ganz neues Gesicht zu geben. Der Titel nimmt Bezug auf die gleichnamigen Fabelwesen der griechischen Mythologie, die durch ihren Gesang vorbeifahrende Seefahrer anlockten, um sie auf ihrer Insel zu töten. Nur Orpheus und Odysseus widerstanden ihnen.

Jung, schön und verführerisch sind die 15 Sirenen der Truppe Bingo, die fast das ganze Programm alleine gestalten. In der Eröffnungssequenz ist ganz kurz, im Hintergrund, ein Mann zu sehen; dann gehört die Bühne bis weit in den zweiten Programmteil hinein den Damen alleine. Die einzigen beiden männlichen Artisten, Orpheus und Odysseus verkörpernd, sehen wir erst kurz vor Schluss wieder. Die Truppe Bingo zeichnet sich auch in „Sirens“ durch ihren typischen Look aus, der klassisch-zirzensische und modern- zeitgemäße Ästhetik vereint, was in dieser Kombination Seltenheitswert hat.


Ensemble

„Bingo“ ist in „Sirens“ für Artistik, Musik und Tanz gleichermaßen zuständig. Vier Musikerinnen (Ielyzaveta Kozlova, Diana Daiub, Oksana Martyniuk und Olga Sergeieva) alias „Bryats Ladies Band“ begleiten an Violinen, Akkordeon und Bass, unterstützt von einem Playback, live das Geschehen und stehen dabei mitten auf der Bühne, wie es in der Bingo-Produktion „Cult“ (2009 Friedrichsbau, 2010 Da Capo Darmstadt) bzw. aktuell in „Move“ in den G.O.P.-Häusern auch die Bryats Balaleika Band getan hat und tut. Moderne Musik auf alten Volksinstrumenten zu machen, mit Elementen von Rock, Pop, Jazz und Folk, ist auch hier das Konzept.


Kateryna Gurina, Anastasiia Krutikova, Tatyana Stepcheko und Ivan Taravsky

Ein besonderer Schwerpunkt dieser Produktion liegt auf der Luftartistik. Den Anfang macht Tatyana Stepcheko mit einer kraftvollen Darbietung an Strapatenbändern, die jeweils in der Mitte und am Ende Handschlaufen haben. Ein Achteck, das wie ein Luftring eingesetzt wird, dient Anastasiia Krutikova als Requisit einer weiteren Luftdarbietung, unter anderem mit Kontorsionselementen und Genickhang. Mit spektakulären Sprüngen in den Kniehang gefällt Tamila Perevariukha am Schwungtrapez. Durch Emotionalität und Dramatik überzeugt Kateryna Gurina bei ihrer Tuchakrobatik. Noch einmal, wie schon zum Programmauftakt, erklimmt Tatyana Stepcheko zum Abschluss des Programms die Strapaten, nun gemeinsam mit Ivan Taravsky, der sie in schwierigen Tricks zum Beispiel nur Fuß-in-Fuß oder Fuß-in-Kniekehle hält.


Iryna Pitsur, Duo Acrobatic, Trio Sunrise

Die wohl stärkste Nummer im Programm zeigen Anastasiia Krutikova und Artem Panasyuk alias Duo Acrobatic mit ihrer Hand-auf-Hand-Kür. Zu den herausragenden Tricks gehören der Handstand auf dem Becken der Partnerin, die dabei in der Brücke steht und noch die Hände vom Boden nimmt, oder auch auf ihren Knien, während sie eine Kontorsion am Boden zeigt. Bei dieser Nummer geht bei jedem Trick ein großes Raunen durch die Zuschauerreihen. Unter fortwährendem Applaus zelebrieren Alla Basiuk, Sofiya Mezentseva und Oleksandra Gorkovenko („Trio Sunrise“) direkt im Anschluss ihre Hand-auf-Hand-Akrobatik im Stile des Trios Bellisimo. Oksana Vielkana jongliert mit bis zu fünf roten, etwa fußballgroßen Bällen und verbindet ihre Arbeit auch mit Handstandposen, bei denen sie die Bälle in den Kniekehlen oder im Genick „parkt“. Von ihrem Engagement beim Circus Roncalli bekannt ist Iryna Pitsur, die ihre Hula-Hoop-Ringe auch im Handstand, im Standspagat und in kontorsionistischen Posen kreisen lässt. Zu der, für ein Varietéprogramm, vergleichsweise hohen Zahl von neun artistischen Darbietungen kommen immer wieder die modernen Tanzchoreographien, die insbesondere Solistin Nataliia Krotova von der Ballettcompagnie Soul B (2009 schon in „Cult“ dabei) und Iaroslava Slonova im Mittelpunkt sehen, sowie Auftritte der Band. So ergibt sich, auch ohne komisches Element, eine sehr abwechslungsreiche Mischung.

Ein gut gelungener Spannungsbogen sorgt dafür, dass die Stimmung im Publikum im Laufe des Abends immer euphorischer und begeisterter wird. Die wundervolle, mitreißende Musik, die starken artistischen Leistungen, die überzeugenden Tanzchoreographien und natürlich die besondere Ästhetik der Truppe Bingo mit ihren bildschönen Akteurinnen tragen dazu bei, dass hier ein moderner Varietéabend der Spitzenklasse entsteht, wie man ihn kaum besser machen kann. Das zweite Friedrichsbau-Programm im Jahr 2011 ist auch schon der zweite Volltreffer. Was soll man sagen? Bingo!

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber