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Friedrichstadt-Palast - Show Me
www.show-palace.eu

Berlin, 27. Juni 2014: Endspurt an der Berliner Friedrichstraße: Nur noch bis zum 19. Juli läuft in Europas größtem Revuetheater die aktuelle Produktion „Show me“, die mit über 700.000 Besuchern die erfolgreichste in der Geschichte des Friedrichstadt-Palastes gewesen sein soll. Gleichzeitig wird bereits fieberhaft an der neuen Produktion „The Wyld – Nicht von dieser Welt“ gearbeitet, die ab 7. Oktober zunächst im Rahmen von Previews besucht werden kann, ehe die offizielle Premiere gefeiert wird. Doch werfen wir zunächst noch einen Blick zurück auf „Show me“.

Ein Blick zurück – genau das war ja die Grundidee an „Show me“: Was wäre wenn? Was wäre, wenn drei große Vertreter der Revuegeschichte heute gemeinsam eine Show auf die Bühne bringen könnten? Wie würden die Gestaltungsprinzipien der 1920er bis 1940er Jahre ins Hier und Jetzt übersetzt werden können? Dieser Frage spürte der Berliner Friedrichstadt-Palast nun zwei Jahre lang mit „Show me“ nach. Die Regisseure Jürgen Nass und Roland Welke und das große Kreativteam fluteten dabei den Theatersaal mit überwältigend schönen Bildern.


Show-Eröffnung in Schwarz-Weiß 

„Show me“ wendet den Blick zunächst zurück auf die Revue in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Auf einer geschwungenen Showtreppe defilieren Showgirls, in ihrer Mitte tanzt ein elegantes Solistenpaar. Mit schwarz-weißen Kostümen, ebensolchem Make-Up und weißem Licht wird die perfekte Illusion eines Schwarzweißfilms geschaffen. Und dann – von einer Sekunde auf die nächste – wird der Schwarz-Weiß-Film zum Farbenmeer. Überall rund um die Bühne und den Zuschauerraum flammen die leuchtenden Bögen des Bühnenbildes auf, und das Ensemble tanzt in farbenfrohesten Kreationen. Was für ein Kontrast, was für eine Überraschung, was für ein Effekt!


Ein wahrer Palast mit der größten Theaterbühne der Welt

Bis solche Momente möglich waren, musste einiges investiert werden. Rund neun Millionen Euro Produktionskosten steckte der öffentlich subventionierte Friedrichstadt-Palast in „Show me“. Das sind Zahlen, von denen die Circusbranche freilich nur träumen kann. Allein im Jahr 2012 erhielt das Revuetheater – nach Abzug der Gebäudemiete, die wieder in die Staatskasse zurückfließt – rund 6,8 Millionen Euro Zuschuss von seinem Eigentümer, dem Land Berlin. Damit werden das „junge Ensemble“, in dem 250 Kids zwischen sechs und 16 Jahren mitwirken und zur Weihnachtszeit in speziellen Kindershows auftreten, sowie Erhaltung und Weiterentwicklung der Kunstform Revue gefördert. Zudem ließen die auswärtigen Besucher des Friedrichstadt-Palastes rund 125 Millionen Euro jährlich in Berlin, argumentiert das Theater. Und schließlich hat der Friedrichstadt-Palast Ausmaße, die einen kostendeckenden Betrieb wohl unmöglich machen. Der letzte Prachtbau der ehemaligen DDR, fünfeinhalb Jahre vor dem Mauerfall eröffnet, ist 110 Meter lang, 80 Meter breit, 32 Meter hoch. Er ersetzte den seit 1873 bestehenden „alten Friedrichstadt-Palast“ mit der Adresse „Am Zirkus 1“, der wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, und entstand auf einem nahe gelegenen Gelände an der Friedrichstraße, das zuvor von 1949 an den Circus-Barlay-Bau beherbergte. Der Theatersaal bietet 1891 Plätze. Mit fast 2900 Quadratmeter bespielbarer Fläche, 40 Prozent eines Fußballfeldes nach FIFA-Standard, hat das Haus die größte Theaterbühne der Welt.


Mit geometrischer Exaktheit in LED-Kostümen

Diesen enormen Raum und die technischen Möglichkeiten des Hauses zu nutzen, erfordert dann aber vor allem eines: brillante Ideen. Und die sind bei „Show me“ wahrhaft vorhanden. Dazu gehört die Sand-Arena, die aus dem Untergrund gefahren wird. Drei Tonnen Gummi-Granulat in Sandoptik lassen sich herrlich einsetzen, um sie bei einem lasziven Tanz auf Stühlen durch die Hände der Ballettdamen rieseln zu lassen. Kurz darauf werden Schaumwolken von zwei Windmaschinen über die Bühne und durch den Theatersaal bewegt. Und vor der Pause entsteht ein ganz kolossales Bild, wenn das fast 60-köpfige Ballett (rund 40 Frauen, 20 Männer) in „Roboter“-Kostümen mit leuchtenden, die Farben wechselnden LED-Kostümen in geometrischer Exaktheit tanzt. Die Geometrie und die Leuchteffekte sind eine Reverenz an Busby Berkeley. Der Filmmusical-Regisseur (1895-1976) ist der erste der drei früheren Revuemacher, auf die in „Show me“ Bezug genommen wird.


Schwelgen in verschwenderischer Pracht 

Von 2010 bis 2012 bot der Friedrichstadt-Palast in der Produktion „Yma“ mit den Kostümen von Stardesigner Martin Michalsky einen äußerst modernen, kühlen Look vorwiegend in Weiß, Schwarz und Rot. „Glamour is back“ heißt nun jedoch der Untertitel des aktuellen Programms, und so darf wieder in verschwenderischer Pracht geschwelgt werden. Die Kostüme für Opening und Finale stammen von dem weltberühmten Pariser Designer Christian Lacroix, den Großteil der 500 Kreationen entwarfen jedoch die äußerst erfolgreichen Berliner Kostümbildnerinnen Uta Loher – die auch für den Circus Krone arbeitet – und Conny Lüders. Der Höhepunkt ist gleich nach der Pause erreicht, wenn mehrere Damen in einer Art Modenschau an der halbrunden Bühnenkante atemberaubende Kostümkreationen präsentieren – inklusive Frauen, die als die Säulen goldener Harfen fungieren. Diese Szene ist insbesondere ein Reverenz an Florenz Ziegfeld, der ab 1907 mit seinen „Ziegfeld Follies“ am New Yorker Broadway Furore machte.


Wassershow, Shenyang Acrobatic Troupe 

Im Mittelpunkt des zweiten Programmteils steht vor allem das Wasser. Hier wird unter anderem an die kürzlich verstorbene Esther Williams erinnert. Die US-Schwimmerin war ab 1942 in filmischen „Aquamusicals“ erfolgreich. Und so tanzen die sexy Badenixen im zwei Meter tiefen Wasserbecken, bis sich dessen Boden hebt und das Wasser nur noch knöchelhoch steht. Nun rekeln sich knackige Kerle im flachen Nass. An Springbrunnen-Fontänen von unten schließt sich der 20 Meter hohe Wasserfall an, der sich ins Bassin ergießt, und Mitglieder des Balletts zeigen an Strapaten und in einem diamantförmigen Gestell ihre Fähigkeiten als Luftakrobaten. Aber natürlich sind auch in „Show me“ professionelle Artisten engagiert: die achtköpfige „Shenyang Acrobatic Troupe“ mit ihrer Säbelbalance an Tüchern (u.a. Heilbronner Weihnachtscircus 2006), das französische Duo Aragorn mit seiner zwar weitgehend ungesicherten, aber auch trickarmen Fangstuhlnummer, die Französin Marion Crampe mit ihrem hocherotischen Poledance, die „Fan Yang Bubble Show“ mit ihren spektakulären Seifenblasen sowie Pantomime Mauricio Franco, der insbesondere in den Schwarz-Weiß-Rückblenden agiert. Livemusik gibt es von der 16-köpfigen Band unter der Leitung von Daniel Behrens, Gesang von einem Damentrio und dem Musicalsänger Koffi Missah. Der Schwerpunkt jeder Revue im Friedrichstadt-Palast liegt jedoch beim modernen Tanz. Zwölf Choreographen haben unter der Gesamtleitung der Ballettdirektorin Alexandra Georgieva die Tanzbilder einstudiert, deren Höhepunkt die große und mit äußerster Exaktheit und Synchronität getanzte Girlreihe mit 32 Tänzerinnen ist. Zum Abschluss rotieren die Damen auf einer vierstöckigen, runden „Torte“, zu der sich die Drehbühne erhebt, am staunenden Publikum vorbei.

„Show me“ ist ein Triumph der Bühnentechnik und Ästhetik, freilich ohne jede inhaltliche Botschaft. Pure, verschwenderische, luxuriöse Schönheit um ihrer selbst willen – noch bis zum 19. Juli zu erleben.

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Text: Markus Moll; Fotos: Robert Grieschek (7), Götz Schieser (1), Tamás Hári (1)