|
Stuttgart, 1.
September 2011:
Mei, is des a Gaudi!
Der
Stuttgarter Friedrichsbau feiert, pünktlich zur Wasen-Zeit, sein
ganz spezielles "Herbstfest der Volksmusik". In der neuen Show
„Servus, Grüezi und Hallo – Der Gipfel des Vergnügens“ wird
geschuhplattelt, gejodelt und Alphorn gespielt, dass Karl Moik
seine Freude hätte. Dazu gibt es Artistik im Dirndl und in der
Krachledernen. Die Rituale aus dem Musikantenstadel werden dabei
so liebevoll auf die Schippe genommen, dass alle Spaß haben
können – die Freunde des Volkstümlichen ebenso wie jene, die den
Frohsinn allenfalls mit Ironie ertragen. |
|
Die detailreiche
Inszenierung beginnt spätestens, wenn man den Varietésaal betritt. Statt
der üblichen Loungemusik laufen im Hintergrund Crossover-Versionen von
Pop-Hits wie „Like a virgin“ und „Sexbomb“ im volkstümlichen Stil. Die
Tische tragen Karodeckchen, die Kellner Karohemden und ihre Kolleginnen
Dirndl. Statt der üblichen Menüs stehen nun zünftige „Brotzeiten“ und
weitere passende Schmankerln auf der Speisenkarte, und links der Bühne,
wo sonst das Orchester sitzt, wurde ein Weißbier-Ausschank eingerichtet.
Bühnenbauer Werner Fritzsche hat eine Bühne gezimmert, die dem
Musikantenstadel zu Ehre gereichen würde, eine Häuserkulisse mit
Jägerzaun, Lüftelmalerei, Biertischgarnituren und Geweihen. Das
Orchester, welches in dieser Produktion als „Fünf-Mann-Musikkapelle“
firmiert, sitzt vor alpenländischer Bergkulisse links auf der Bühne.
Max Nix und
Willi Widder Nix, Sandy Beach
Die Festwirte Max Nix
und Willi Widder Nix ziehen zu Beginn mit der feschen Sandy Beach in den
Stadel ein und schmettern ein fröhliches „Servus, Grüezi und Hallo“,
anschließend „Witzichkeit kennt keine Grenzen“ und natürlich das „Prosit
der Gemütlichkeit“. Max im goldenen Anzug mit Edelweiß-Applikationen zu
roten Schuhen und sein Widerpart Willi, klassisch im Trachtenoutfit mit
Lederhosen, formen ein kongeniales Duo, wie es dies seit Karl Moik und
dem Hias kaum noch gegeben hat. Sie haben die Rituale, Gesten und
Plattitüden der volkstümlichen Moderationskunst („Des is’ zünftig!“)
genau studiert und beherrschen diese perfekt. Zum vierten Mal sahen wir
das Duo nun in einer Eigenproduktion des Friedrichsbaus, stets mit neuen
aberwitzigen Facetten ihres musikalischen und komischen Könnens.
Inzwischen weiß man: Wenn Max Nix und Willi Widder Nix im Programm sind,
dann kann es nur gut werden. Da wird geschuhplattelt, baumstammgesägt,
gejodelt, sowie Trompete, Tuba und Alphorn gespielt. Und Max beweist
sich als „Max von Messerschmitt, einer der besten Messerwerfer aus dem
Zillertal“, der in Willi sein Opfer findet ("Stell di do hi, kriegst a
Zehnerl!“), das am Messerwerferbrett stehen muss. Später fliegt der
Betrug natürlich doch auf, die Messer wurden von hinten durch das Brett
gesteckt. Diese hinreißend lustige Szene wird nur noch durch den
„Todesslalom“ auf dem Einrad, zwischen einigen Zuschauern als
Slalomstangen hindurch, auf der Bühne überboten. Man hörte viele
Zuschauer Schreien vor Lachen. Aber Max und Willi (alias Thomas Nigl und
Marco Pfriemer) sind als Moderationsduo nicht alleine, sie habe ja Sandy
Beach an ihrer Seite, hinter der sich die bekannte Film- und
Fernsehschauspielerin Sandra Steffl verbirgt. Die wohlproportionierte
Blondine im Dirndl spielt gekonnt mit ihren Reizen, heizt die Stimmung
an, jodelt mit Hingabe und singt mit Willi inbrüstig ein Schlagermedley
von „Fiesta Mexicana“ bis „Du kannst nicht immer 17 sein“. Und dann
lässt sie in einer überdrehten „Burlesque auf Bayerisch“ fast alle
Hüllen fallen – der Striptease mit Augenzwinkern findet in den
Produktionen von Regisseur Ralph Sun immer wieder Platz.
Jean-Ferry, Heidis, Vanessa Lee
Selbst die
artistischen Nummern werden in dieser Produktion mal mehr und mal minder
intensiv in das Motto eingebunden. Zunächst lassen die beiden Heidis zur
Heidi-Titelmusik und zum „Roten Pferd“ die Hula-Hoop-Reifen kreisen, wobei der
Auftritt vor allem von der Stimmung lebt. Die „Heidis“ wurden zum 1.
Oktober planmäßig von ihrem männlichen Kollegen Kollegen Craig Reid im
gleichen Genre abgelöst. Jean-Ferry präsentiert im ersten Teil komische Artistik
auf dem Trampolin und nach der Pause Balancen auf der freistehenden
Leiter (die zunächst zum „Fensterln“ eingesetzt wird). Er absolvierte
2004 die Berliner Artistenschule, 2010 schloss dort Vanessa Lee ab. Sie
veredelt ihre Arbeit am Solotrapez mit dem zarten Spiel mit roten
Federn, die sie zwischen den Zähen oder mit dem Mund hält.
Oksana und Vadym, Abbdi,
Margo
Oksana und Vadym
kombinieren vor der Pause ihren mehr als rasanten akrobatischen Tanz,
präsentiert zu russischer Folkloremusik auf und neben einer Holzbank,
mit Quickchange-Elementen. Begleitet werden sie dabei von großem Jubel
aus dem Saal und den ersten Bravorufen des Abends. Die Französin Margo,
die mit ihrer Originalnummer bereits im Winter 2008/09 im Friedrichsbau
zu Gast war, zeigt ihre Handstandkür nun in einer neuen Version, als
Balancen auf Bierkrügen. Für einen fulminanten Schlusspunkt sorgt der
Äthiopier Abbdi mit einer rasanten, praktisch fehlerfreien und
vielfältigen Bouncing-Jonglage mit bis zu acht Bällen, mit der er auch
bei „Afrika! Afrika!“ zu sehen war war. Hier arbeitet er mit viel
Ausstrahlung, ganz sexy mit freiem Oberkörper in der Krachledernen, zu
Alpenrock à la Hubert von Goisern – ein echter Höhepunkt.
|