  
Atmosphäre innen und außen, Dirk Denzer
Das Unternehmen
des Festivalinitiators, „Dirk Denzer Performing Arts“, plant und
veranstaltet für große Unternehmen wie BASF und Kärcher Events und
Shows mit Varietékünstlern – offenbar wirtschaftlich und
künstlerisch erfolgreich, wie die Hochglanz-Jahresberichte des
Unternehmens zeigen. Das „Internationale Varietéfestival Magische
Momente“ bot nun nach 2004 und 2006 zum dritten Mal die Möglichkeit,
Dirk Denzers Schaffen in öffentlichen Veranstaltungen zu erleben.
Somit lieferte das Festival – zumal keinerlei Preise vergeben wurden
– weniger einen Blick auf Trends und Entwicklungen der Varietészene
generell,
sondern war vielmehr „Hausmesse“, bei der Dirk Denzer die
Leistungsfähigkeit seines Unternehmens präsentierte. Die
aufwendigeren Produktionen „Musica“ und „Wasserwelten“ wurden
jeweils an drei Abenden gezeigt, außerdem gab es eine „Comedy-Night“
und die Illusions-Show „Magic Moments“ an jeweils einem Abend.
Komplettiert wurde das Programm durch die Nachmittagsveranstaltung
„Erlebnisvarieté“ mit Mitmachkünstlern und eine Abschlussgala, in
der Highlights des Festivals gezeigt wurden. Nachdem alle
Veranstaltungen ganz oder praktisch ausverkauft waren, wurde noch
eine Zusatzshow angesetzt. Im 46-Meter-Zelt schlossen sich der Bühne
ein ebenerdiger Logenbereich mit Vierertischen und danach eine große
Tribüne an, so dass die hinteren Reihen doch weit vom Geschehen
entfernt waren. Besonderer Clou war ein 40
Quadratmeter großes LED-Netz im Bühnenhintergrund, das vielfältige
Lichteffekte ermöglichte. Wir haben vier Shows besucht.
  
Phoenix Firedancers,
Groove Connect und Giakomo, Michel Lauzière
„Musica – ein
musikalisches Varietéspektakel“ war die erste große Produktion
überschrieben (14.-16. Mai). Hier sollte die Musik die Hauptrolle
spielen, und in der Tat waren es vor allem die Klänge, die
begeisterten: Der Schweinfurter Michael Christof Schmidt alias
Giakomo spielte auf seiner gläsernen Violine, begleitet von der
famosen Frankfurter Band Groove Connect, sphärische
Eigenkompositionen. Zum Motto „Musica“ gut ausgewählt war auch die
Nummer des Duos „Viola“: Auf einem wunderschön geformten, sich
drehenden Holzstuhl spielte die Bratschistin Mariana Vozovik,
während ihr Partner Viktor Nebrik (für unser Empfinden etwas
holprig) Handstände zeigte. Die Artisten in „Musica“ arbeiteten zu
Giakomos musikalischen Kreationen statt zu ihrer Originalmusik (Reifenjonglage
– Duo Vetrich, Strapaten – Duo Excellence, Hand auf Hand – Cosmic
Artists). Hier wurde also von allen Festivalprogrammen am stärksten
„inszeniert“, sprich: aus vorhandenen „Zutaten“ etwas Neues geformt.
Einer der herausragenden Künstler des gesamten Festivals war der
kanadische Komiker Michel Lauzière, der auf skurrile Weise Musik
machte – zum Beispiel mittels eines Overalls, an dem 18 Hupen
angebracht sind, die mit Händen, Füßen und vollem Körpereinsatz
bedient werden können. So hupte er Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ mit
fließendem Übergang zu „Old McDonald had a farm“. Lauzière wurde bei
seinen Auftritten zunächst mit viel Jubel und Bravo-Rufen bedacht, kehrte dann aber wohl zu oft wieder, so dass die
Reaktionen mit der Zeit nachließen. Insgesamt war der Abend für
unsere Begriffe eher weniger Varieté, sondern eher „Performance“
oder ganz allgemein “Bühnenshow“ – eben eine Art von Entertainment,
die man sich gut zur Feier eines großen Firmenjubiläums vorstellen
könnte. Und genau das ist ja Dirk Denzers Spezialgebiet.
Der Eindruck beruht vor allem auf der Auswahl der weiteren
Darbietungen: Die Leuchtstab-Jonglage in Roboteroutfits sowie die
Feuershow der „Phoenix Firedancers“ und die skurrilen Fabelwesen auf
Stelzen der Münchner Gruppe „Zebra“ hatten eher Schau- denn
artistischen Wert; die Sprünge und Salti der Cosmic Artists aus
Berlin auf einem prall gefüllten Luftkissen konnten die Herkunft der
Künstler aus dem Sportbereich nicht verhehlen. Die zweite der drei
„Musica“-Vorstellungen wurde im Finale mit großem Beifall bedacht.
Fotogalerie mit 15
Musica-Fotos
  
Rigolo, Junge Junge, Sos Petrosyan junior
Für die
Illusionsshow „Magic Moments“ am 18. Mai hatte Dirk Denzer
eine Auswahl hervorragender Zauberkünstler engagiert. Der
preisgekrönte Comedy-Zauberer Topas aus Ostfildern führte durch den
Abend und zauberte selbst mit Partnerin Roxanne – originell,
verblüffend und unterhaltsam war zum Beispiel sein Auftritt vor der
Pause, in dem er zahlreiche riesige Lautsprecherboxen aus einem
Pappkarton zauberte. Besonders originell die „szenische Magie“ von
„Junge Junge“: Die beiden Stuttgarter Brüder zeigten eine kleine
Geschichte, in der sich ein „Englishman in New York“ die Schuhe
putzen lässt – plötzlichen Farbwechsel der Schuhe von braun nach
weiß und eine von Schwertern durchbohrte Kiste anstelle seines
Kopfes inklusive. Unterhaltsam auch Roy Gardner als blasierter Graf,
dem nichts so recht gelingen will, so dass sein Butler mit
mitleidig-strafendem Blick eine Taube nach der anderen herbeihext.
Der Quickchange-Nummer des Duos Petrosyan können wir – vor längerer
Zeit schon einmal in Stuttgart gesehen – aufgrund der bemüht
modernen Aufmachung mit Techno-Musik nach wie vor nichts abgewinnen,
im Gegensatz zum Auftritt der beiden Petrosyan-Söhne: Der elfjährige
Sos junior zauberte mit für sein Alter erstaunlich viel Ausstrahlung
und Bühnenpräsenz Unmengen von Spielkarten herbei und bewies sich –
assistiert vom neunjährigen Bruder Tigris – als
Entfesslungskünstler. Gut taten dem Programm – zum Aufwärmen
sinnvoll am Beginn platziert – die beiden artistischen Darbietungen
(avantgardistisch: Reifen-Jongleur Jochen Schell, ungewöhnlich:
Tamara Gray als Frau an den Römischen Ringen). Für besonders
magische Momente sorgte außerdem der Schweizer Rigolo, der in seiner
Solo-Performance aus lose aufeinander gelegten, getrockneten
Palmblättern ein gewaltiges Mobile schuf. Auf atemlose Stille
während seiner Darbietung folgten Riesen-Jubel und Bravo-Rufe nach
getanem Werk. Starke Nummern, durch eine witzige Conférence
verbunden – mehr brauchte es nicht für einen launigen Varieté-Abend.
Von den vier besuchten Shows des Festivals fanden wir diese am
unterhaltsamsten.
Fotogalerie mit 30 Magic-Moments-Fotos
  
Fafa, Cotton McAloon,
Krissie Illing
Zur „Comedy
Night“ lud Dirk Denzer am 19. Mai. Besonders vor der Pause
herrschte beste Stimmung im Publikum, fast alle Künstler ernteten
viel Gelächter und großen Jubel. Das gilt zunächst für
Slapstick-Künstler Tom Murphy, der beim Versuch, Einrad zu fahren
und auf der freistehenden Leiter zu jonglieren, in alle erdenklichen
Pannen schlitterte. Bestens kamen – wie am Vorabend mit ihrer
Schuhputzszene – „Junge Junge“ an. Nun formten die beiden Künstler
aus weißen Hüten immer neue Miniatur-Kostümierungen und wechselten
zu passender Musikbegleitung blitzschnell von einer Rolle in die
nächste. So bekam man Napoleon, einen Panflötisten, einen Boxkampf,
die Sister-Act-Nonnen und den Untergang der Titanic zu sehen.
Eindeutiger Publikumsliebling aber war Comedy-Jongleur Cotton
McAloon, der – „halb Ami, halb Franzose, ich wohne in Kreuzberg“ –
die Marotten verschiedener Kulturen aufs Korn nahm. Fafa als
qualmende Französin beim Frühstück und die bekannte Queen-Parodistin
Krissie Illing hatten es dagegen schwerer. Das dürfte auch an der
Größe des Raumes gelegen haben. Im zweiten Teil flaute die Stimmung
zunächst merklich ab; Bauchredner Frank Rossi und erneut Krissie
Illing, diesmal in einer Blinddate-Szene, fanden nicht die Gunst der
Zuschauer. Wie gut, dass dann Alexander Xelo, die Rampensau, mit
seiner mitreißenden Diabolo-Jonglage die Stimmung wieder kräftig
anheizte. Michel Lauzière, Star der „Musica"-Show, setzte mit seinem
Hupen-Overall und – ähnlich wie von Victor Minasov (Roncalli)
bekannt – im überdimensionalen Ballon den Schlusspunkt. Wie in den „Magic
Moments“ hatte auch für die Comedy-Night Topas die Conférence
übernommen (nur mit Standup-Comedy, ohne Illusionen), und auch mit
dem „Grafen“ Roy Gardner und Butler James gab es ein Wiedersehen.
Wir hätten aus Gründen der Abwechslung gerne neben Xelo noch eine zweite „ernsthafte“
artistische Nummer gesehen. So oder so: Am Ende des
Finales entschied sich das Publikum für Beifall im Stehen.
Fotogalerie mit 25-Comedy-Night-Fotos
  
Alona Jouravel, Power
Percussion, Bellowski
Für die zweite
große Show „Wasserwelten“ (20. – 22. Mai) war es Dirk Denzer
tatsächlich gelungen, ausnahmslos Künstler zu verpflichten, deren
Darbietungen einen Bezug zum nassen Element hatten. Eine
spektakuläre Lasershow als Auftakt, ein zehn Meter hoher
Regenvorhang an der Bühnenkante und der Auftritt von „Fisch“ und
„Hummer“ im Eröffnungsbild – zwei wundervollen Kreationen der
Kostümbildnerin Anna Möntmann – zeugten vom Ehrgeiz, eine
„Inszenierung“ zu bieten. Freilich war in der Kürze der eintägigen
Probezeit aber kaum mehr möglich, als die Darbietungen rund ums
Thema Wasser durch eine passende Conférence zu verbinden. Diese
wurde von den „Physikanten“ aus Dortmund übernommen, die in
allerhand Experimenten physikalische Phänomene erläuterten. Das war
lehrreich, zum Teil auch recht unterhaltsam, aber für die vielen
Auftritte nicht witzig genug. Im artistischen Teil hatte das Wasser
die Aufgabe, für Sinnlichkeit und Erotik zu sorgen, was
Handstandkünstlerin Alona Jouravel im drehbaren Würfel mit
Sprühregen bestens gelang, Dmitry Ikin aber nur zum Teil – der junge
Jongleur arbeitete in einem sehr flachen Wasserbecken stehend, was
zur Folge hatte, dass die Bälle glitschig wurden und
ihm oft entglitten. Bei seiner abschließenden Dusche unterm
Regenvorhang zog er sich durch das Zerreißen seines T-Shirts, was
besonders sexy wirken sollte, gar
Unmut im Publikum zu. Die Caesar Twins begannen mit ihrer mit
Abstand stärksten Darbietung, einer höchst anspruchsvollen
Hand-auf-Hand Nummer, und weckten so Erwartungen, die sie später bei
ihren Salti auf einem Luftkissen und – als Schlussnummer – der
Akrobatik auf und in einem Plexiglas-Wasserbecken nicht mehr
erfüllen konnten. Zudem ähnelte das Requisit zu sehr dem von
Amazonia, die zur Programmeröffnung Kontorsion in und über einem
fast baugleichen Wasserbecken gezeigt hatte. Außerdem im Programm:
Power Percussion aus München mit Wassertrommeln,
Michael Menes mit einer Jonglage wassergefüllter Schalen an einem
Seil sowie im Rettungsring "auf hoher See" und die schöne
Trapeznummer des weiblichen Duos „Neptuna“ als Unterwassernixen. Ein
kleines Glanzlicht setzte im Übrigen Bellowski mit seinen
schillernden Skulpturen aus Seifenblasen. Das Premierenpublikum
spendete im Finale freundlichen Beifall.
Fotogalerie mit 40-Wasserwelten-Fotos |