CHPITEAU.DE

GOP Essen - "RED"
www.variete.de

Essen, 1. September 2011: „Eine Hommage an die Farbe der  Liebe“ soll sie sein, die GOP-Produktion RED, die noch bis Ende Oktober 2011 im Essener Varieté-Theater zu sehen ist. Entstanden ist eine im hohen Maße eigenwillige Show, die mit einer Mischung aus Artistik und Rock-Musical aufwartet. Allerdings überzeugt dieser interessante Versuch nicht immer und lässt beim Besucher eine ungewohnte Schwere zurück. Momente der Begeisterung gibt es nur wenige. Und so fällt der Applaus am Ende des Abends auch deutlich verhaltener aus als sonst üblich.


Schneewittchen,
Les Soeurs Pilléres, Georges & Motoreta

Die ungewohnte Schwere bringt in erster Linie das deutsche Gesangsduo „Schneewitchen“ in die Show hinein. Mit ihren Rockballaden sorgen Sängerin Marianne Iser (mit stimmgewaltiger Rockstimme) und Pianist Thomas Duda zwar für einen neuen Ansatz, hinterlassen mit ihren makaber-melancholischen Texten aber zugleich beim Publikum einen zwiegespaltenen Eindruck. Einzig ihre Ballade „Du musst an dich glauben“, im Zusammenspiel mit den Clown-Charakteren Georges & Motoreta,  weiß uneingeschränkt zu gefallen. Die beiden französischen Komiker erzählen mit vielen poetischen Momenten die hinreißende Geschichte einer Frau, die den Mann von der Liebe überzeugen muss. Mit ihrer liebenswerten Art und musikalischem Talent setzen die Zwei einen angenehmen Kontrapunkt zur Musik von „Schneewitchen“, der schlussendlich natürlich im Kuss der Akteure gipfelt. Gerade die eine dauernd vor sich hin redende, permanent Stoßgebete gen Himmel schickende Spanierin spielende Raquel hat dabei die Lacher auf ihrer Seite. Unglaublich ihr Pfeifkonzert auf dem Mund des Partners, urkomisch ihr Ukulele-Spiel. Ganz anders die Persiflage auf das klassische Ballett von Les Soeurs Pilléres, die das Ganze auch nochmal am Trapez zeigen. Ihr Slapstick wirkt eher bemüht und sorgt kaum für Erheiterung.


Hilty und Bosch

Wahre Begeisterungsstürme hingegen sind die Reaktionen auf die japanischen Tänzer Hilty & Bosch. Mit ihrem Lockdance, einer Form des Hip Hop, brennen die beiden Akteure ein wahres Feuerwerk an dynamischer Bewegung und perfekter Synchronität ab. Gerade wenn beide bei der Zugabe nach dem Finale nochmals nachlegen, und auch Ton und Licht den eher ruhigen Grundtenor der Show ablegen dürfen, steht das Publikum Kopf. Absolut mitreißend! Ein zweites Mal völlig begeistert zeigen sich die Zuschauer bei Slava Perevyasko´s überzeugender Arbeit am Cyr-Rad. Hervorzuheben ist auch sein zweiter (kurzer) Auftritt auf der freistehenden Leiter, auf der er abschließend einen Handstand zeigt. Wunderschön anzusehen ist freilich auch die Tücher-Kür von Inna Leonova. Beide Bahnen sind am unteren Ende verbunden und geben der Ukrainerin so weitere Benutzungsmöglichkeiten des Requisits. Eine traumhafte Musikbegleitung verstärkt den starken Eindruck der als Schlussnummer platzierten Darbietung. Ergänzt wird das Programm durch zwei weitere Solo-Darbietungen: die Kanadierin Sabrina Aganier produziert sich am Luftring, Anastasiia Mazur aus der Ukraine hat sich der Kontorsion verschrieben. Beide Nummern kommen nicht über den Standard hinweg.

Darin liegt neben der gewöhnungsbedürftigen Musik ein weiteres Problem. Die Show kommt ohne wirkliches artistisches Highlight aus. Die engagierten Darbietungen verkörpern kaum das Grundmotiv Liebe – hier wäre z. B. die Verpflichtung eines leistungsstarken Hand-auf-Hand-Duos eigentlich naheliegend gewesen. Ensembleszenen sowie diverse Projektionen werden lose eingestreut, aber nicht konsequent fortgeführt… Mit RED  haben die Verantwortlichen die bisher vielleicht „künstlerisch wertvollste“ Show geschaffen,  sich dabei aber ungewohnte Schwächen erlaubt – und so bleibt „ungewohnt“ wohl das passende Adjektiv, um RED zu beschreiben.


Sabrina Aganier

__________________________________________________________________________
Text: Benedikt Ricken; Fotos: GOP