Bei unserem ersten
Besuch im neuen Friedrichsbau-Gebäude Anfang Dezember waren wir doch
noch etwas irritiert: Die plüschige Gemütlichkeit des alten Rundbaus war
einem allzu sachlichen Ambiente im neuen Haus gewichen. Nun, zwei Monate
später, hat sich schon ganz vieles zum Positiven gewandelt, und man
fühlt sich wohl in der neuen Spielstätte. Auf dem Dach prangt nun eine
riesige Leuchtschrift und sorgt für einen einladenden Empfang.

Einladender Empfang dank großer Leuchtschrift
Im Foyer wurde ein
roter Teppich ausgerollt und die Beleuchtung stimmungsvoller gestaltet.
Vor allem aber wurde die Sitzordnung im Theatersaal gelockert. Mehrere
Tische samt Stühlen wurden herausgenommen; die verbliebenen Tische
leicht aufgefächert. Bereits dieser erste Schritt hat das Ambiente
wesentlich verbessert. Ab der nächsten Produktion „Clowns“ wird ein
komplett neuer Saalplan realisiert. Die ehemals kahlen Wände im
Theatersaal wurden mit Varietéplakaten geschmückt. Eine Zwischenlösung,
denn in den nächsten Monaten sollen die Wände mit rotem Samt bespannt
werden. Der Ton, vor zwei Monaten noch unzureichend, ist durch
zusätzliche Investitionen erheblich verbessert worden und nun
einwandfrei.

Bühne
Guter Ton ist für
auch unverzichtbar für das aktuelle Programm „Particles“. Im Mittelpunkt
steht das Werk der beiden Stuttgarter Klangkünstler Steffen Wick und
Simon Detel alias „Piano Particles“. In jeder Vorstellung sind die
beiden persönlich auf der Bühne – Wick am Piano, Detel mit
„Live-Elektronik“ in verschiedenen Facetten. Hinzu kommen ein rein
weibliches Streichquartett sowie Sängerin Regina Maria Chur. Klassische
und zeitgenössische Elemente verbinden sich hier mit Pop, Elektronik und
Filmmusik. Wick und Detel haben zahlreiche Stücke eigens für diese
Varietéshow komponiert; andere wurden für das Programm neu arrangiert –
und die Choreographien der Darbietungen an die Musik angepasst. Das
Bühnenbild bildet die wunderschöne und preisgekrönte Installation aus
hunderten geknüllten Papierpartikeln des Designers Marc Engenhart – eine
schwebend leichte Wolke, die durch wechselnde Beleuchtung in immer neuen
Farben strahlt.
  
Ihor Yakymenko und Tjorm Palmer, Fleeky Flanco, M. Lillies und Cortes
Young
„Take my hand / and come with me / a wonderland / is waiting here“,
heißt es im ersten Song “Tonight” während des Openings mit allen
Künstlern. Und diese träumen gemeinsam von der Reise in dieses
Wunderland, während ein Lichtstrahl auf einen Globus fällt. Die
Eröffnungsszene geht nahtlos über in die erste artistische Darbietung.
Ihor Yakymenko und Tjorm Palmer, Absolventen der Berliner Artistenschule
2013, zeigen gemeinsam eine Mischung aus Sprung- und Partnerakrobatik.
Dann gehört die Bühne alleine der Musik. Wick und Detel spielen ihr
Stück „Aero“, das zugleich in einem Video von Stephen Malinowski
visualisiert wird. Hier werden die Klänge sichtbar gemacht durch bunte „Particles“,
die auseinanderdriften und wieder zusammenlaufen. Das Jonglage-Duo M.
Lillies und Cortes Young (Marie Seeberger und Thomas Dürrfeld aus
Deutschland) jongliert auf originelle Weise mit fünf Bällen: Die beiden
stecken in einem Mantel und jonglieren so gemeinsam „wie ein Mann“ mit
einer Hand. Sie waren erst Anfang 2014 in der Geburtstagsshow „20“ des
Friedrichsbaus zu sehen. Die heitere Jonglage geht über in poetische
Momente – zum Zugvögel-Song „Migrant“ greift Cortes Young einzelne
Blätter aus der Bühneninstallation und schickt sie als Papierflieger auf
die Reise. Fleeky Flanco aus den USA, androgyner Typ mit lila
Zottelhaaren, faltet sich in seiner exzentrischen Klischnigg-Darbietung
in sein außergewöhnliches Requisit, ein Metallrohr-Fass, und dreht darin
Runden über die Bühne.
  
Regina Maria
Chur,
Dennis Mac Dao, Ihor Yakymenko
„Trip to the moon“ heißt das dynamisch-treibende
Musikstück, in dem das Ensemble wie gebannt den Stummfilm-Klassiker "Die Reise
zum Mond“ aus dem Jahr 1902 verfolgt. Er wird auf die runde Scheibe im
Bühnenbild projiziert. Der 24-jährige
Deutsch-Vietnamese Dennis Mac Dao, Zweitplatzierter der TV-Show „Got to
Dance“, zelebriert seinen Federtanz – er springt und er dreht
Pirouetten, greift weiße Federn vom Boden und wirft sie weg. Am Ende
entfachen Windmaschinen einen Schneesturm aus Federn, durch den er
ekstatisch rotiert. Nochmal Musik, nunmehr mit Sängerin, Regina Maria
Chur, noch eine Ensembleszene: Hier tanzen zu einem fröhlichen Song
Ping-Pong Bälle auf den Saiten des offenen Klaviers oder wird mit
Drum-Sticks jongliert. Dann ist Pause. Ihor Yakymenko arbeitet zu Beginn
der zweiten Hälfte an einem Mast mit einer kleinen Plattform am oberen
Ende. Er kombiniert Hand- und Kopfstände auf der Plattform mit Akrobatik
am Mast – besonders beeindruckend sind auch die dynamischen Passagen, in
denen er sich aus dem Handstand den Mast hinunterstürzt und wieder
fängt.
  
Fleeky Flanco, M. Lilley
und Cortes Young, Tjorm Palmer
Handstände bis hin zum Klötzchen-Abfaller und außergewöhnliche
Klischnigg-Posen kombiniert Fleeky Flanco in seinem zweiten Auftritt.
Dafür erntet er starken Applaus. Auch Dennis Mac Dao ist noch mal zu
sehen, wenn er das Streichquartett umtanzt. Bei ihrer Keulenjonglage
garnieren M. Lilley und Cortes Young ihre Passingjonglagen mit
Pirouetten oder jonglieren gemeinsam sechs Keulen, während sie Rücken an
Rücken stehen. "Was sich liebt, das neckt sich", könnte das Motto ihres
Auftritts sein. An einem hohen Metallkubus, einer Art Reck, zeigt Tjorm
Palmer letztendlich Schwünge, Handstände und Flüge im vollen Einklang
mit der Musik. |