Ein charmanter
Gastgeber führt durch den Abend, das Lichtdesign ist wirklich grandios,
die Toneinspielungen sind von hoher Qualität. Nicht zuletzt trägt das
Dolce Theater seinen Teil zur Gesamtwirkung dabei. Der Jugendstilsaal
schafft trotz seiner Größe eine gemütliche Atmosphäre.
Diablos del Fuego, Topas, Emi Velkova und Carlos Triberti
Die Oberhessische Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH, kurz OVAG,
als Veranstalter hat also einmal mehr alles aufgeboten, um ihren Kunden
einen unvergesslichen Abend zu bereiten. Allen voran die künstlerischen
Leiter Andreas Matlé und Anne Naumann. Los geht es mit den Diablos del
Fuego. Eine Dame und zwei Herren aus Argentinien bringen Gaucho-Feeling
nach Bad Nauheim. Sie präsentieren Bola-Spiele und schlagen großen
Trommeln. Ist ihr Auftritt so schon feurig, lassen sie zum Schluss echte
Flammen kreisen. Mit brennenden Schnüren zaubern sie stimmungsvolle
Effekte. Tatsächlich zaubern kann Thomas Fröschle alias Topas.
Zumindest geben wir uns gerne der Illusion hin, dass er dies beherrscht.
Der Magier und Entertainer ist uns vom Neujahrs-Varieté 2015 in bester
Erinnerung. Noch einmal dürfen wir fasziniert zusehen, wie er immer mehr
Lautsprecherboxen aus einem Karton holt, sie anschließt und dann
wirklich zum Klingen bringt. Das Publikum unterstützt singend. Alle
anderen Tricks zeigt der vielfach ausgezeichnete Illusionist hier zum
ersten Mal. So auch sein eigenes Erscheinen aus einer mit Luft gefüllten
flatternden Figur aus Kunststofffolie. Topas ist zudem ein wunderbarer
Moderator, der die Gäste mit viel Wortwitz bestens unterhält und den
Artistenkollegen die Bühne bereitet. Einige davon revanchieren sich bei
ihm durch die Mitwirkung in einem Sketch, in dem er von den Fahrten in
den Familienurlaub berichtet. Die äußerst amüsanten Erzählungen über das
Hören von Howard-Carpendale-Kassetten enden in einer originellen
Choreographie. Emi Velkova und Carlos Triberti sorgen mit rasanter
Rollschuhakrobatik für Schwung. In hohem Tempo erzeugen die beiden auf
runder Fläche einen guten Schuss Nervenkitzel. Die gewagten Touren
werden sehr charmant verkauft.
Rabia Ahmadi,
Giacomo Jasters, Alessio Fochesato
Eine
Herzensangelegenheit war den Produzenten das Engagement von Rabia Ahmadi.
Die vierzehneinhalbjährige Gymnasiastin kommt aus Kabul. Sie ist
Mitglied des Mobile Mini Circus of Children (MMCC). Der MMCC ist eine
Nichtregierungsorganisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, sich um
Kinder in Kabul und den Provinzen zu kümmern. Unter professioneller
Anleitung sollen sie über einen künstlerischen Weg gefördert werden, wie
das Programmheft informiert. Rabia Ahmadi jongliert mit Bällen und
Keulen. Das auf dem Boden, auf der Rola Rola und auf einer Kugel. Zum
Schluss hält sie vier Fackeln in der Luft. Gemeinsam mit ihrem Trainer
Hamid verabschiedet sie sich mit der Fahne ihres Heimatlandes in der
Hand. Rabia Ahmadi bestreitet den berührendsten Auftritt des Abends. Sie
agiert verständlicherweise noch recht zurückhaltend, dafür umso
authentischer. Damit gewinnt sie das Publikum im Nu für sich. Ebenso mit
ihrem artistischen Können, das wirklich sehenswert ist. Die Jasters
sorgen seit 1992 in den großen Manegen der Welt für Nervenkitzel.
Giacomo ist der präzise Messerwerfer und Armbrustschütze. Elena die
wagemutige Partnerin, die sich ans Messerbrett stellt und Gegenstände
hält, die von Pfeilen durchbohrt werden. Spektakulär sind immer wieder
der Tellschuss und das Werfen mit Messern auf ein rotierendes Brett.
Glücklicherweise geht alles gut, und das sympathische Ehepaar kann die
Bühne wohlbehalten verlassen. Nach dem ersten Auftritt von Otto Wessely
geht es weiter mit Alessio Fochesato und seinen Papageien. Der Italiener
braucht nur wenige Requisiten, um mit den prächtigen Vögeln herrliche
Kunststücke zu zeigen. Seine einzigartige Dressurnummer ist inzwischen
bestens bekannt. Insbesondere die ausdauernden Flüge der Papageien sind
immer wieder eine wahre Freude.
Duo
Yingling, Duo Stauberti, Katrin Weißensee
Äußerst witzig ist die Einleitung zur Partnerakrobatik des Duo Yingling.
Mit Selfiestick und Smartphone spielen sie mit dem Klischee chinesischer
Touristen in Europa. Dabei sind die beiden Artistinnen aus Shanghai
längst in Freiburg und Bern heimisch geworden, was sie zur Verblüffung
der Zuschauer offenbaren. Traditionell chinesisch ist aber ihre
eigentliche Darbietung, in der sie Kontorsion, Equilibristik und
Tücherjonglagen verbinden. Hoch hinaus geht es für Nancy Stauberti. Auf
langen Perchestangen balanciert sie ihr Onkel Dimitr. Dies auch dann,
wenn er auf einer freistehenden Leiter oder einem Einrad das
Gleichgewicht hält. Nancy zeigt oben Tricks wie den Handstand. Für das
Duo Stauberti gab es 2018 einen Silbernen Clown in Monte Carlo.
Flüchtige Kunstwerke aus winzigen Körnern zaubert Katrin Weißensee. Die
studierte Diplom-Betriebswirtin wurde in eine Artistenfamilie in
Thüringen hineingeboren. Im deutschsprachigen Raum gilt sie als
„Sandmalerin der ersten Stunde“, so das Programmheft. Sie lässt uns am
Entstehen ihrer Kunstwerke aus Sand teilhaben. Wir sind dabei, wenn sie
mit geschickten Fingern immer neue Details herausarbeitet, bis das
endgültige Bild fertig ist. So geht es mit einer ruhigen Stimmung in die
Pause.
Black Blues Brothers, Romina Micheletty, Miracle of Love
Umso lebhafter
beginnt der zweite Teil. Dafür sorgen die Black Blues Brothers. Die fünf
vor Energie strotzenden jungen Kenianer erfreuen das Publikum mit
Menschenpyramiden und einer akrobatischen Variante des Seilspringens.
Dazu tragen sie schwarze Anzüge mit weißen Hemden und
Krawatten. Die passende Musik macht das Blues Brothers-Feeling komplett.
Den Kontrapunkt dazu setzt Romina Micheletty. Sie verzaubert mit einem
ungeheuer sinnlichen Tanz, bei dem sie mit ihren goldenen Reifen
„spielt“. Die attraktive Französin verwöhnt uns mit fließenden
Bewegungsabläufen. Darin eingebunden sind Handstandakrobatik, Kontorsion
und eben Jonglage. Am Ende lässt sie etliche Ringe um ihren Körper
kreisen. Das traumhafte Lichtdesign sei hier nochmals explizit erwähnt.
Und wieder gibt es einen Stimmungswechsel. Auf Körperbeherrschung pur
folgt Dilettantismus. Der ist natürlich gewollt und zum Brüllen komisch,
Otto Wessely sei Dank. Der Magier aus Wien beherrscht sein Handwerk
exzellent, etwa wenn er Rasierklingen schluckt und dann an einer Schnur
wieder aus dem Mund holt. Aber die Präsentation ist höchst eigenwillig.
Wenn am Zaubertisch die vorderen Beine wegbrechen, kippt er die
Requisiten einfach den Zuschauern in der ersten Reihe vor die Füße. Den
großen Pokal funktioniert er kurzerhand zum Aschenbecher um. Er wirkt
missmutig und doch liebenswürdig zugleich. Partnerin Christa versucht,
in dem Chaos den Überblick zu behalten. Comedy vom Feinsten. Anmutig
präsentierte Spitzenakrobatik servieren danach zehn Vertreterinnen des
Chinesischen Nationalcircus in Peking. „The Mircale of Love“ nennen sie
ihre Artistik auf Fahrrädern. In goldenen Kleidern und mit Fächern
kreieren sie wunderschöne Bilder. Ganz gleich, ob sie mit mehreren
Rädern Formationen fahren oder zu siebt auf einem Fahrrad unterwegs
sind.
Strahlemann & Söhne, X-treme Brothers, Diorios
Aus Berlin kommen
zwei Businessmen auf die Bühne des Dolce Theaters und jonglieren mit
Keulen. So weit, so gut. Doch während der Passings tauschen sie die
Outfits. Sie ziehen sich bis auf die Unterwäsche aus und dann mit den
Klamotten ihres Gegenübers wieder an. Die Kleidungsstücke wechseln in
der Darbietung von Strahlemann & Söhne gemeinsam mit den Keulen den
Partner. Gleich oberkörperfrei treten Laurentiu, Valentin und Ionut ins
Scheinwerferlicht. Sehr zur Freude des weiblichen Teils des Publikums.
Mit ihrer Partnerakrobatik überzeugen die X-treme Brothers dann aber
alle Gäste im Saal. Neben Kraft ist dafür ein ausgeprägter
Gleichgewichtssinn notwendig. Beides besitzen die Rumänen, die sich seit
ihrer Kindheit kennen. So haben sie etwa den Trick im Repertoire, bei
dem ein Artist seinen Partner im Handstand balanciert, dann auf einem
Stuhl nach hinten über die Lehne herunter und anschließend wieder zurück
in den Stand geht. Spektakulär endet die Show mit der Motorradkugel der
Diorios. Bis zu vier Fahrer jagen gleichzeitig durch die Kugel, die sich
für eine kurze Zeit sogar in der Mitte öffnet. Verletzungsbedingt an
diesem Abend nicht dabei ist Anastasia Makeeva mit ihrer Luftakrobatik
an geflochtenen Tüchern. Wie immer ausführlich zelebriert wird das
Finale. Ein furioser Abschied einer fulminanten Show. |