Wir
sahen die Vorstellung im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart, das den
jeweiligen Absolventen alljährlich ein Podium gibt. Zwei nahezu
ausverkaufte Vorstellungen künden davon, dass dieses Format hier schon
viele Stammgäste hat. „We will be happy on the road“ heißt es in der
Begleitmusik zum Opening. Einer der Artisten sitzt einsam auf einer Bank
an einer Straße, und die übrigen Ensemblemitglieder schlendern vorbei,
gesellen sich zu ihm, zeigen Kostproben ihres Könnens. Daraus entspinnt
sich die erste Darbietung.
 
Jule Schuster, Florian Maertz,
Giulia Reboldi
Die
Schweizerin Giulia Reboldi drückt zunächst einige Handstände auf einem
Stuhl. Dieser wird bald in die Höhe gezogen und zum Requisit ihrer
Luftnummer. An dem hängenden Sitzmöbel präsentiert sie Haltefiguren,
Umschwünge, Abfaller und kontorsionistische Posen. Rechts auf der Bühne
steht ein Straßenschild, dessen Beschriftung immer wieder wechselt. Die
Straßennamen nehmen Bezug auf die Handlung oder die Namen der Künstler.
Und so gelangen wir von der Giulia-Gasse in die Maertz-Allee. Florian
Maertz hat seine Balljonglagen auf originelle Weise gestaltet. Unter
anderem jongliert er mit Bällen, während er eine Autotür mit geöffnetem
Fenster über seine Schultern gehängt hat. Dabei ist seine rechte Hand an
den Türrahmen gekettet. Klassische Jonglage pur gibt es, wenn er später
- dann wieder ohne Kette - bis zu zehn (!) Bälle auf die Reise schickt. Auch Kombinationen mit
Pirouetten, hinter dem Rücken und mit der auf dem Kopf balancierten
Autotür gehören zum Repertoire. Starker Applaus ist der Lohn, trotz
kleinerer Unsicherheiten. Einige
artistische Kabinettstückchen des Ensembles führen weiter in den
Schusterweg. Hier wagt sich Jule Schuster auf das Schlappseil. Eine
wilde Mähne, Lederjacke und Strumpfhosen mit Laufmaschen gehören zum
Outfit. Herkömmlicher und seitlicher Spagat, Kopfstand (mit einer Hand
am Seil) sowie das Schaukeln im freien Stand sind einige Elemente dieser
gekonnten Vorführung.
  
Carina Guillermo und Leonid
Bethäuser, Dana Schulte-Siepmann und Kyra Reinert, Lukas Köster
Ein
Tanz mit aufgespannten und Passing-Jonglagen mit geschlossenen
Regenschirmen gehören zu den kleinen Zwischenspielen, die aus den
Einzelnummern eine Show mit fließenden Übergängen machen. Für die
Pausennummer sorgen Carina Guillermo und Leonid Bethäuser mit Partner-
und Wurfakrobatik, die mit viel Szenenapplaus bedacht wird. Zum Beginn
des zweiten Programmteils folgt eine schöne Überraschung: Ein weibliches
Schleuderbrett-Duo haben wir wohl noch nicht gesehen. Dana
Schulte-Siepmann und Kyra Reinert katapultieren sich gegenseitig zu
Sprüngen und Salti in die Luft. Zwischendurch kombinieren sie dies mit
Bodenakrobatik. Zu den stärksten Auftritten in dieser Absolventenshow
gehört der von Lukas Köster. Er hat für seine Bouncing-Jonglagen einen
neuen Dreh gefunden: Indem er zunächst drei Bälle gegen Dreiecke prallen
lässt, springen diese um die Ecke. Später lässt er fünf und sieben Bälle
gegen den Boden dopsen und fängt sie sicher wieder.
  
Carina Guillermo und Leonid Bethäuser, Nicole Ster,
Julia Grote
Eine
kurze Partnerakrobatik-Einlage mit seiner Partnerin Julia Grote leitet von
Lukas‘ Jonglagen zu deren Luftring-Arbeit über. Sie hat elegante,
varianten- und trickreiche Figuren im Repertoire. Eine klassische
Handstand-Arbeit auf ein und auf zwei Armen präsentiert Nicole Ster in
einem
eleganten Glitzerkostüm. Am Ende geht es auf Händen die Treppe ihres
Requisits hinab. Schluss- und auch Höhepunkt des Programms ist das
Duotrapez von Carina Guilermo und Leonid Bethäuser mit seinem Wechsel
aus Haltefiguren sowie gewagten Schwung- und Flugpassagen bis hin zum
Rückwärtssalto.
  
Tim Kriegler, Finale, Miriam van der Neut
Zwei Darbietungen konnten in der
besuchten Vorstellung leider verletzungsbedingt nicht arbeiten. Und so
haben wir Alexander Leumann gebeten, Fotos und Beschreibung
beizusteuern. Er sah die Vorstellung in Tuttlingen beim Honberg-Sommer.
„Tim Kriegler an den Strapaten war mit seinen kraftzehrenden
Aufschwüngen der heimliche Star des Abends und genoss ein wenig
Heimvorteil, stammt er doch aus Friedrichshafen am Bodensee. Jongleur
Florian Maertz leitete mit einem Tangotanz mit Miriam van der Neut zu
ihrer Luftakrobatik am Netz über. Diese beinhaltet alle üblichen Tricks
an diesem Requisit“, fasst
Alexander zusammen. Zurück zur Vorstellung in Stuttgart. Die Absolventenshow
bietet auch in diesem Jahr wieder fertig ausgebildete Darbietungen auf
hohem Niveau. Insbesondere die zweite Hälfte des Programms konnte
überzeugen, zumal sie temporeicher, dynamischer ausfällt als die erste. |