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Frankfurt-Höchst,
3.
November 2021: Endlich wieder Live-Unterhaltung genießen können.
Endlich wieder vor „echtem“ Publikum auftreten dürfen. Die Gäste im
Saal sind glücklich, die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne sind
es ebenfalls. Nach über anderthalb Jahren Zwangspause gibt es endlich
wieder Varieté im Neuen Theater. Alle sind also „Happy“. Der Song mit
diesem Titel bildet somit die passende Musik zum
ausgelassenen Opening der Comeback-Show im Herbst 2021. Und gleich
kommt ordentlich Stimmung auf, treffen die Glücksgefühle von
Mitwirkenden und Zuschauern aufeinander.
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Sie
überdauern die folgenden gut zwei Stunden. Denn auch die Show selbst
macht einfach riesigen Spaß. Im März des vergangenen Jahres musste der
Varietè-Frühling mitten in der laufenden Spielzeit abgebrochen werden.
Corona hatte Deutschland erreicht, die Maßnahmen zur Eindämmung der
Pandemie machten derartige Veranstaltungen unmöglich. Anfragen zu
unzähligen bereits gebuchten Tickets mussten bearbeitet werden. Im
November und März darauf konnte nicht gespielt werden. Jetzt geht es
also wieder los. Mit 2G und reduziertem Sitzplatzkontingent. Besonders
auffällig ist hier der Mittelgang, der den Saal nun in zwei Hälften
teilt.
Nicole Siegel von Neelah, Patrizia Moresco
Die neue Show wurde wiederum von Frank Rupprecht zusammengestellt und in
Szene gesetzt. Diesmal stehen die Frauen im Mittelpunkt. Drei männliche
Artisten sind dabei, der weitere Abend gehört dem weiblichen
Geschlecht. Zwei Damen begleiten uns gar durch die Show. Da ist zum
einen Nicole Siegel. Sie ist die Sängerin der neuen Band Neelah. Im
Opening intoniert sie eben jenes Lied „Happy“. Gemeinsam mit ihren drei
Musikerkollegen ist sie bereits zur Einstimmung vor dem Beginn der
Vorstellung zu hören. Einige der Darbietungen werden ebenfalls von
diesem jungen Quartett professionell begleitet. Und da ist Patrizia
Moresco. Als Moderatorin ist sie für die Varietéshows im Neuen Theater
wirklich eine Rarität, sind dort doch in der letzten Zeit nahezu
ausschließlich Männer in dieser Rolle zu erleben gewesen. Die
Kabarettistin unterhält uns aufs Beste mit ihren Beobachtungen sowie
Gedanken zu Themen wie Aktivitäten während der Corona-Pandemie,
Ernährungs- und Trinkgewohnheiten. Das alles recht trocken, wirklich
witzig und mit Berliner Schnauze. Letztere ist allerdings nicht ganz
„akzentfrei“. Denn ganz eigentlich ist Patrizia Moresco Italienerin mit
schwäbischen Wurzeln, wie die Homepage des Theaters verrät. Wie dem
auch sei, wir fühlen uns bei ihr wunderbar aufgehoben. Zudem stellt sie
die Künstlerinnen und Künstler der Show vor.
Antonia Modersohn, Vanessa Lee, Krissie Illing
Als
erste Darbietung kündigt sie uns die Akrobatik am Pole von Antonia
Modersohn an. Es sieht so leicht aus und kostet doch so viel Kraft,
wenn die blonde Artistin immer wieder den Masten hinaufklettert,
herunterrutscht oder etwa einen Spagat zeigt, bei dem sie sich mit
beiden Händen an ihrem Requisit festhält und mit einem Fuß abdrückt.
Gleich zwei Auftritte hat Vanessa Lee. Wie Modersohn ist auch sie
Absolventin der Staatlichen Artistenschule in Berlin. Vanessa Lee ist
herrlich quirlig, kreativ und artistisch stark. Vor der Pause erleben
wir sie mit Hutjonglagen. Wobei sie dafür sowohl Hände als auch Füße
benutzt. Von letzteren hat sie reichlich, kommt sie doch mit zig Beinen
in schwarz-weiß gestreiften Strümpfen auf die Bühne. Man braucht etwas
Zeit, um die echten erahnen zu können. Ihre Trapezakrobatik verbindet
sie mit Zauberei. So befördert sie während ihrer Kür etwa ein immer
länger werdendes Band aus ihrem Mund. Quasi nebenbei begeistert sie mit
unglaublicher Gelenkigkeit und vielfältigen Tricks wie dem Zehenhang am
ruhenden Trapez. Krissie Illing gehört schon länger zu den
Künstlerinnen, die ich live erleben wollte. Das Warten hat sich
gelohnt, denn die britische Comedian ist wirklich herrlich komisch.
Ihre beiden Auftritte beginnen bieder und enden (relativ) exzessiv. Im
ersten hat sie ein Date und wird versetzt. Kurzerhand reißt sie sich
die obere Schicht Kleider vom Leib und spuckt im gewagten pinken
Outfit Wasser über die Bühne. Später erleben wir Illing als Queen
Elizabeth II. Auch hier gibt sie sich zunächst recht brav, legt dann
aber einen heißen Strip hin. Dazu gibt es eine umwerfende Mimik und ein
perfektes Timing. In der kommenden Sommersaison wird Krissie Illing mit
Roncalli auf Tour gehen. Pausen- und Schlussnummer gehören den Magic
Pearls. Das Trio präsentiert charmant Illusionen, die zu den Klassikern
des Genres gehören.
Jeromy Zwick, Duo
Forza
Jeromy
Zwick gewann beim European Youth Circus 2018 in Wiesbaden den
Preis des Neuen Theaters Höchst. Damit verbunden ist ein
Auftritt in einer der Varieté-Produktionen. Wenn der gebürtige
Australier auf der Bühne steht, füllt sich diese immer mehr
mit weißen Bällen. Von beiden Seiten des Vorhangs fliegen ihm
die Requisiten zu. Was ein wenig chaotisch aussieht, ist
natürlich Teil der Inszenierung. Denn im Tennisdress „spielt“
Zwick gekonnt mit den Kugeln und jongliert mit bis zu sieben
von ihnen gleichzeitig. Können und Comedy vereint das Duo
Forza. Lian stammt aus Kuba, Jose aus Spanien. Die beiden
jungen Männern mit den geschminkten Schnurrbärten und echten
Muskeln überzeugen mit Hand-auf-Hand-Akrobatik. Ihre
kraftvollen Tricks würzen sie mit ordentlich Humor. Mit dem
urkomischen Verkauf fügen sie dem Programm eine weitere
witzige Facette hinzu. „Another one bites the dust“ spielt die
Band dazu. Zumindest so lange bis das Duo das Publikum
auffordert, seine Arbeit mit Taktapplaus zu begleiten. Zum
Finale der Show gibt es bei der Premiere Standing Ovations.
Die Gäste sind restlos begeistert - und eben „Happy“.
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