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Neues Theater - Varieté-Herbst 2017
www.neues-theater.de - 85 Showfotos

Frankfurt-Höchst, 1. November 2017: Mit gleich zwei großartigen Jongleuren werden die Gäste des Herbst-Varietés 2017 verwöhnt. Die beiden Meister ihres Fachs bekommen die prominentesten Plätze in diesem Nummernprogramm. Alexander Koblikov jongliert am Ende des ersten Teils mit Bällen, Claudius Specht vor dem Finale mit Keulen sowie Bechern. Dabei pflegen sie grundsätzlich andere Formen des Auftritts. Somit erscheint die Dopplung dieses Genres gar nicht als solche. Vielmehr kommt diese Show als äußerst abwechslungsreiche Mischung daher.

Der zweieinhalbstündige Abend im gemütlichen Theater vergeht wie im Flug. Zusammengehalten wird das aktuelle Herbst-Varieté von Thomas Otto. Otto ist Entertainer und Zauberkünstler gleichermaßen. Beide dieser Facetten seines Künstlerberufs beherrscht er exzellent, lässt sie miteinander verschmelzen.


Thomas Otto

Zaubernde Conferenciers gab es in Höchst schon oft. Die Kunststücke von Thomas Otto verblüffen aber noch einmal mehr. Faszinierend, wie er einen 100-Dollar-Schein verschwinden und dann auf schier unglaubliche Wiese wieder erscheinen lässt. Unfassbar, wie er Unmengen von Salz aus seiner Hand rieseln lässt. Wozu das führt, erleben die Zuschauer nach der Pause. Den Salzberg darf der Magier höchstpersönlich aufkehren. Noch an einer anderen Stelle nimmt er - im wahrsten Sinne des Wortes - den einmal gesponnenen Faden wieder auf. Eine Geschichte, die Otto zuvor beiläufig erzählt hat, wird ein origineller Teil des Finales. Die Moderationen, die seine Illusionen begleiten, sind immer höchst amüsant. Das Publikum wird des öfteren einbezogen. Sei es im Zuschauerraum oder auf der Bühne. Nie aber werden die Gäste vorgeführt. Immer haben die Mitwirkenden auf Zeit Spaß bei ihren Auftritten. Thomas Otto bekommt in dieser Produktion sehr viel Raum. Vielleicht ein wenig zu viel. Was nicht heißt, dass er langweilt – im Gegenteil. Aber im Verhältnis zu den Auftritten der weiteren Artisten ist er recht oft präsent. Ein rein quantitatives Thema. Denn er spielt sich nie in den Vordergrund. Otto nimmt sich ausgiebig Zeit, seine Künstlerkollegen anzukündigen. Immer gibt es eine individuelle Vorstellung. Im Fall von Andrey Katkov sogar eine eigene Geschichte, die den Auftritt des Equilibristen stimmungsvoll einleitet.


Jonas Slanzi, Herr Kasimir, Serge Huercio

Los geht es aber mit dem Duo E1NZ. Die Artisten aus der Schweiz präsentieren eine äußerst originelle Darbietung, die letztendlich zwei Disziplinen beinhaltet. Zunächst jonglieren Esther und Jonas Slanzi mit Champagnerflaschen, die sie sich auf einem angekippten Tisch zuschieben und -werfen. Dabei agieren sie sehr sympathisch. Auf den gleichen Requisiten zeigt Jonas dann einen Flaschenlauf. Das ist nur ein Ausschnitt aus ihrem Repertoire, ergibt aber eine rundum gelungene Auftaktnummer des Herbst-Varietés. Es folgt der erste größere von mehreren Auftritten des Herrn Kasimir. In klassischem, nicht ganz korrekt sitzendem Outfit, hat der Komiker uns bereits mit einer großen Glocke begrüßt. Den Hasentrick interpretiert er mit einem flauschigen Langohr auf seine eigene Weise. Er jongliert mit Hut, Stock und Ball oder spielt auf zwei Blockflöten gleichzeitig. Mit der Nase wohlgemerkt. Zudem ist er der kongeniale Bühnenpartner von Thomas Otto. Kasimir assistiert nicht nur auf witzige Weise, sondern scheint manches Kunststück erst möglich zu machen. Das Outfit von Serge Huercio ist genauso klassisch wie sein Auftrittsstil. Mit fröhlicher Miene dreht der Franzose seine Runden auf einem Fahrrad. Dies tut er in immer wieder neuen Varianten: vorwärts, rückwärts, auf einem und auf zwei Rädern. Einfach virtuos. „Kurz und gut sind die Jonglagen von Alexander Koblykov. Als schwankender Seemann wirft er unzählige Bälle in die Luft und fängt sie wieder auf. Dies tut der junge Ukrainer in einem atemberaubenden Tempo und so perfekt, dass keines der weißen Requisiten zu Boden fällt.“ Das schrieb ich 2013 über Andrey Koblikovs Auftritt beim Internationalen Circusfestival von Monte Carlo. Damals gewann er einen Silbernen Clown. So wie er die Jury im großen Chapiteau von Fontvieille überzeugt hat, begeistert er jetzt das Publikum im Neuen Theater.


Andrey Katkov, Charlotte & Emma, Claudius Specht

Nach der Pause begibt sich Andrey Katkov hinter Gitter. In einem Käfig zelebriert der Russe seine Equilibristikkür. Das ausdrucksstarke Spiel wird durch das wunderbare Lichtdesign von Philipp Zier genial unterstützt. Es ist eine kleine Symphonie in Weiß und Rot. Im Mittelpunkt stehen aber natürlich die kraftvollen und doch so leicht aussehenden Handstandvariationen von Katkov. Charlotte de Bretèque und Emma Laule waren beide erfolgreiche Teilnehmerinnen des European Youth Circus. De Bretèque gewann 2012 mit einer anderen Partnerin in Wiesbaden den Publikumspreis, Laule 2016 im Solo Silber. Ihre jeweilige Disziplin war schon damals das Vertikalseil. Seit rund drei Jahren arbeiten die beiden jungen Damen daran eine gemeinsame Nummer. Das französisch-deutsche Duo erinnert in seiner kecken Art ein wenig an das Trapez-Duo Passe Pieds. Immer mal wieder „zicken“ sie sich gegenseitig an. Das natürlich gewollt und durchaus charmant. Ihre Tricks sind vom Feinsten und zum Teil nicht ungefährlich. Die sympathischen Artistinnen servieren somit einen wirklichen Hingucker. Für Livemusik sorgt die Tom-Schlüter-Band. Das Quartett begleitet uns durch den ganzen Abend. Beim Auftritt von Claudius Specht spielen sich die Musiker in einen wahren Rausch. Und so wird der letzte Auftritt des Abends ein Hochgenuss. Der gebürtige Basler ist nicht nur ein genialer Jongleur, sondern ebenfalls ein großartiger Showman. Letzteres auf eine ungemein sympathische, bodenständige Art ohne billige Effekthascherei. Er muss nicht um Applaus buhlen. Dieser fliegt ihm nur so entgegen. Ungeheuer mitreißend und anspruchsvoll jongliert er mit Keulen. Faszinierend ist zudem sein Spiel mit silbernen Bechern, die er in die Luft wirft und dann alle mit dem untersten wieder auffängt. Claudius Specht setzt den fulminanten Schlusspunkt hinter diesen Varieté-Herbst 2017. In Wirklichkeit aber ist es ein dickes Ausrufezeichen. Den Epilog bildet das wie immer sehr originell gestaltete Finale.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass mit dem aktuellen Programm der 30. Geburtstag der Varieté-Produktionen im Neuen Theater Höchst gefeiert wird. 1987 startete Gerald Zier diese Reihe. Im Herbst 2015 übernahm Sohn Julius. Sie feiern mit uns gemeinsam dieses beachtenswerte Jubiläum. Nimmt man die laufende Show als Maßstab, so können die Macher nicht nur auf eine glanzvolle Vergangenheit blicken, sondern ebenfalls in eine blendende Zukunft. Herzlichen Glückwunsch!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch