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Neues Theater - Varieté-Frühling 2023
www.neues-theater.de - 116 Showfotos

Frankfurt-Höchst, 3. März 2023: Natürlich kommen die Varieté-Programme im Neuen Theater Höchst immer wie aus einem Guss daher. Die Auswahl der Darbietungen, der Moderator und die Inszenierung sorgen dafür, dass eine runde Show entsteht. Im Kern aber wird ein Nummernprogramm gezeigt. In diesen März nun steht die Produktion unter einem übergreifenden Thema. Passend zur Jahreszeit heißt es „Veronika, der Lenz ist da! - Die 20er Jahre Frühjahrsrevue“. Prägendes Gesicht ist Jo van Nelsen, der mit Schlagern aus dieser Zeit durch den Abend führt.

Gemeinsam mit Frank Rupprecht hat er das Konzept entwickelt, die Artisten ausgewählt und auch Regie geführt. Und so nimmt uns das Ensemble mit auf eine Reise um 100 Jahre zurück in der Zeit. Bereits vor dem eigentlichen Beginn sind einige der Künstler im Zuschauerraum – jetzt wieder in der Vor-Corona-Bestuhlung – unterwegs. Musik gibt es ebenfalls schon. Die gewohnte Band Neelah pausiert in diesem März. An ihrer Stelle spielen die Charleston-Chasers. Das sind Pianist Bernd Schmidt, Schlagzeuger Ralf Göldner, Saxophonist Thomas Kilian und Bassist Frank Willi Schmidt. Sie sorgen den ganzen Abend über für authentische Livemusik. Eben aus den 1920er Jahren. Dies bei den Chansons von Jo van Nelsen genauso wie bei nahezu allen Auftritten der weiteren Künstler.


Jo van Nelsen

Der Abend beginnt mit, wie kann es anders sein, „Veronika der Lenz ist da“. Jo van Nelsen interpretiert damit einen Gassenhauer der Comedian Harmonists. Sodann holt er uns thematisch ab und entführt uns in die Zeit des Wirtschaftswunders, aber auch der kulturellen Blüte. Mit immer neuen Schlagern aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire begleitet er uns durch den Abend. Immer mit einer persönlichen Note, einem ganz eigenen Stil. Auch die Garderobe wechselt und bringt uns so formvollendet verschiedene Outfits aus dieser Zeit näher. Zudem obliegt es Jo van Nelsen, die artistischen Darbietungen anzukündigen. Das beherrscht er natürlich aus dem Effeff, war er doch viele Jahre als Conferencier im Tigerpalast zu erleben. So bereitet er seinen Künstlerkollegen immer ganz wunderbar die Bühne.


Jeton, Shelly, Frank Willi Schmidt

Los geht es mit Gentlemanjongleur Jeton nebst Assistentin Carmen. Er im dunklen Smoking, sie im eleganten roten Abendkleid, passen die beiden schon in ihrer gewohnten Bühnengarderobe perfekt in den Rahmen. Jeton jongliert mit Stock, Melone und verknoteten weißen Handschuhen sowie mit drei Bällen. Besonders faszinierend sind aber seine einzigartigen Tricks. Bei dem einen balanciert er einen großen Spiegel auf der Stirn, um ihn dann mit dem Kopf auf die nächste Ecke gleiten zu lassen. Bei dem anderen hält er zwei aufeinanderliegende Queues auf dem Kinn im Gleichgewicht. Auf dem oberen liegt noch eine Billardkugel. Dazu serviert Jeton „gepflegte Herrenwitze“. Als aufgedrehte spanische Flamencotänzerin gibt Shelly vom Duo Strange Comedy eine erste Kostprobe ihrer Kunst. Ein herrlicher Spaß, bei dem die Dame auch auf drei Beinen unterwegs ist. Frank Willi Schmidt bringt mit der singenden Säge ein seltenes Instrument virtuos zum Klingen. Für den zugehörigen Song verwandelt sich Jo van Nelsen in die Schauspielerin Pola Negri.


Margo Darbois, Noah Chorny, Silea

Ungeheuer stilvoll, ausdrucksstark präsentiert Margo Darbois ihre Handstand-Akrobatik. Ganz in Schwarz gehüllt tanzt sie einen Tango, aber eben auf den Händen. Ihr Parkett wird quasi von vier Handstäben gebildet. Darauf hält sie ihren Körper variantenreich im Gleichgewicht. Den Flirt mit dem Publikum beherrscht sie ebenfalls par excellence. Was es mit der Gaslaterne auf sich hat, die direkt vor der Bühne platziert ist, erfahren wir, wenn Noah Chorny seinen Auftritt hat. Er schaut wirklich so aus, als sei er einem Hollywood-Stummfilm entsprungen. So jedenfalls wird er im Programmblatt beschrieben. Offensichtlich ist es seine Mission, für Licht zu sorgen. Als das Erklimmen der Laterne mit einer Leiter nicht funktioniert, klettert er kurzerhand den Mast hinauf. Dabei handelt es sich um einen Schwankenden Masten. Darauf arbeitet Noah Chorny verwegene Eskapaden. Natürlich ist er ein begnadeter Akrobat. Gleichzeitig ein wunderbarer Spaßmacher. Beim Striptease in luftiger Höhe gibt er die Blicke auf seinen muskulösen Oberkörper frei. Zurück auf dem Boden gönnt er sich einen Schluck aus der Pulle. Den darf sich das Publikum in der folgenden Pause ebenfalls genehmigen. Wenn sich der Vorhang wieder öffnet, ist das Drahtseil gespannt. Darauf tanzt Silea. Die gebürtige Frankfurterin lebt inzwischen in Schweden. Ihre Performance kommt aus einem Guss daher, äußerst dynamisch, voller Lebensfreude. Eben ein einziger Tanz. Darin verpackt sind unter anderem der Spagat, hohe Sprünge und Balancen auf einem Bein. Das Ganze serviert mit viel Personality.


Jeton, Shelly (Duo Strange Comedy), Monsieur Chapeau

Noch einmal stehen Jeton und Carmen im Scheinwerferlicht. Nun wirft der Jongleur Untertassen und Tassen in die Luft, um sie auf seinem Kopf zu stapeln. Teelöffel und Zuckerstück komplettieren den Turm. Selbstverständlich wird all das wieder mit viel Witz serviert. Das komische Highlight in diesem an heiteren Momenten nicht eben armen Programm setzt das Duo Strange Comedy. Es fängt schon damit an, dass ihr eigener rot-golden eingefasster Artisteneingang mit schwarzem Vorhang auf Fingerzeig „vollautomatisch“ auf die Bühne fährt. Die dunklen Stoffbahnen sorgen dafür, dass die verrückten Tricks überhaupt funktionieren. Da steckt die aufgekratzte Shelly den Kopf ihres Partners Jason in eine Zauberkiste und verdreht ihn nach Belieben. Auch das Jonglieren mit vier Reifen gelingt Shelly dank der Hilfe aus dem Off wunderbar. Einfach ein schräges Paar, das letztendlich doch perfekt harmoniert. Jede Menge Koffer hat Monsieur Chapeau im Gepäck, wenn er mit Hose, Weste, kurzem weißen Hemd, Fliege und Schiebermütze die Bühne betritt. Die Reiseutensilien bilden das Podest, auf dem er seine Rola Rola-Balancen arbeitet. Er springt auf einer Rolle Seil, hält sich auf einer Kugel im Gleichgewicht und stapelt am Ende fünf Walzen übereinander. Wenn Monsieur Chapeau auf diese wackelige Konstruktion steigt, stehen seine Kollegen an der Seite bereit, um ihn im Notfall aufzufangen. Aber die Übung gelingt souverän. Eine Nebenrolle in dieser flotten, ungemein sympathisch gespielten Darbietung nimmt ein Teddybär ein, der eine überraschende Verwandlung durchmacht. Zum Schluss noch das obligatorische, aber hochverdiente Lob an Licht- und Tonregie. Sie machen den Genuss perfekt.

Mit dieser 20er Jahre Frühjahrsrevue fügt das Neue Theater seiner ohnehin sehr erfolgreichen Varieté-Reihe ein wahres Juwel hinzu. Durch das liebevolle und durchgehend umgesetzte Motiv gerät die Show sehr harmonisch und atmosphärisch dicht. Zudem bringt sie viele bislang hier noch nicht zu sehende Artisten nach Höchst, die allesamt starke Darbietungen zeigen und diese professionell zu präsentieren wissen. Für das frenetisch applaudierende Publikum ganz sicher ein Abend, den es so schnell nicht vergisst.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch