
|
Frankfurt-Höchst,
7. März 2018: Mit etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit – inklusive
Pause – hat dieser Varieté-Frühling genau die richtige Länge. Drei
Darbietungen im ersten, drei im zweiten Teil, dazu ein zaubernder
Conferencier – diese Mischung sorgt für kurzweilige Unterhaltung. Hinzu
kommt die vierköpfige Tom Schlüter Band, die die meisten Acts live
begleitet. Produzent Julius Zier setzt verstärkt auf eher unbekannte
Artisten. Eine perfekte Gelegenheit also, Neues kennenzulernen.
Andererseits wird einem einmal mehr bewusst, dass die vertrauten Stars
von Bühne und Manege nicht zu Unrecht diesen Status haben.
|

|
Eine
wirklich mitreißende Nummer, die einen begeistert mitgehen lässt,
fehlt. So, wie etwa die Jonglagen von Claudius Specht im
Herbst-Programm des vergangenen Jahres. Hier bildeten Leistung,
Persönlichkeit des Artisten und grandiose musikalische Begleitung
eine magische Symbiose.
  
Marko Karvo, Alena Ershova, Marta Paley
Mit
Marko Karvo hat aber auch die aktuelle Produktion einen würdigen
Höhepunkt. Der finnische Magier ist ein Showman par excellence. Seine
nordeuropäisch-kühle Art verleiht dem Auftritt zusätzlich etwas
Geheimnisvolles. Im schwarzen Frack lässt er sein Publikum staunen.
Scheinbar aus dem Nichts erscheinen Vögel. Sein Markenzeichen sind
Illusionen mit prächtigen Papageien. Einer von ihnen dreht sogar eine
Runde durch den Theaterraum. Auch die Artistin, die die Pausennummer
bestreitet, ist keine Unbekannte. Alena Ershova gewann beim European
Youth Circus 2016 Bronze. Ihre Handstandakrobatik macht sie durch
Einbeziehung von einem, später zwei, Reifen zu etwas Besonderem. Diese
lässt sie an den Füßen kreisen, während sie sich variantenreich auf
zwei Händen oder gar nur einer im Gleichgewicht hält. Dafür wird die
junge Artistin aus Moskau mit frenetischem Applaus bedacht. Ebenfalls
aus Russland stammt Marta Paley. Ihre Jonglagen mit Zigarrenkisten
präsentiert sie als Ballerina. Das ist zunächst einmal ein ungewohnter
Anblick. So ganz anfreunden kann ich mich damit nicht. Drehungen um die
eigene Achse gehören allerdings sowohl zum Ballett als auch zur
Kistenjonglage. Somit gibt es ein verbindendes Element, das diese
Kombination durchaus plausibel macht. Insgesamt bringt der Auftritt von
Marta Paley interessante neue Eindrücke.
  
Nacho Ricci, Onni Toivonen, Trio Beautiful
Ebenfalls
nicht alltäglich ist eine Vertikalseilnummer, die von einem Mann
ausgeführt wird. Kraftvoll arbeitet Nacho Ricci am von der Decke
hängenden Tau. Der beim Festival Cirque de demain ausgezeichnete
Argentinier mit Dreitagebart tut dies formvollendet in schwarzer Hose,
schwarzer Weste und weißem Hemd. Insbesondere seine Abfaller sind nicht
risikolos. Aber keine Angst, Ricci weiß, was er tut und steht nach
seinem Auftritt sicher auf dem Boden der Bühne. Dass Finnen groß und
blond sind, mag ein Klischee sein. Auf Onni Toivonen jedenfalls trifft
es zu. Moderator Alexander Merk überragt er sogar gleich um einen
ganzen Kopf. Toivonen jongliert die meiste Zeit mit fünf, am Ende sogar
sieben weißen Keulen. Dazu zeigt er eine innovative Choreographie.
Diese ist tänzerisch und leicht skurril, aber immer sympathisch. „Hier
ist der Name Programm“, schreibt der Flyer zur Show über das Trio
Beautiful. Das wird wohl keiner der Premierengäste bestreiten. Die
Ukrainerinnen sehen nicht nur blendend aus, sondern sind natürlich auch
wunderbare Artistinnen. Sie haben sich der Equilibristik verschrieben.
Gemeinsam bilden sie fragile, temporäre Kunstwerke. Die musikalische
Begleitung wird von Saxophonklängen dominiert.

Alexander Merk
Bleibt noch unser Begleiter durch den Abend, Alexander Merk,
Jahrgang 1987. Er setzt die Reihe der zaubernden Conferenciers
im Neuen Theater fort. Die zumeist bekannten Tricks variiert
er und gibt ihnen so eine persönliche Note. Diese ergibt sich
natürlich auch durch die Geschichte, in die er sie verpackt.
So verbindet er den Faden, den er in Stücke zerteilt und am
Ende wieder als Ganzes präsentiert, mit einer Geschichte über
die sonntäglichen Radtouren mit dem Großvater. Seinen für mich
stärksten Trick zeigt er aber gleich zu Beginn. Er bittet das
Publikum, mit der Kamera des Smartphones einen Moment
festzuhalten. Dazu hält er das Wort „Moment“ in einem Rahmen
hoch. Während die Gäste im Saal fotografieren, wechselt Merk
mal eben Teile seines Outfits und tauscht zwei Buchstaben des
Wortes. Keiner der Zuschauer merkt es, bis der Magier sie
darauf hinweist. Seine Künstlerkollegen kündigt er
wertschätzend an. Gemeinsam zelebrieren sie das wie immer
ausführliche Finale. Dabei holt uns Alexander Merk sogar die
Sterne vom Himmel.
|