Eine
solche gibt es in Höchst schon sehr lange. Der große Unterschied:
Während die bisherige NTH Combo zu Beginn der beiden Programmteile und
zwischen den Nummern spielte, begleitet die neue Band unter der Leitung
von Tom Schlüter nun die gesamte Produktion live. Und das tun die vier
Musiker ganz wunderbar. Die einzelnen Nummern sowie der Gesang des
Conferenciers erhalten so eine deutliche Aufwertung. Die Chance zur
Erneuerung ergab sich durch den Wechsel des bisherigen Bandleaders zum
Puppenspiel nach Köln. Mit dem neuen musikalischen Leiter habe man
einen Glücksgriff gemacht, erzählt Julius Zier begeistert. Tom Schlüter
ist nicht nur für die allabendliche Begleitung verantwortlich. Er hat
das Quartett auch zusammengestellt.
Im Kern handelt es sich dabei um die Band, die in den
Anfangsjahren im in der Innenstadt ansässigen Tigerpalast
musizierte.

Kay Scheffel und Herr Riesling
Nicht
zuletzt aufgrund der Abstimmung der musikalischen Begleitung waren die
Proben für die aktuelle Produktion noch intensiver als bisher. Vier
statt sonst zwei Tage wurden für das Einstudieren der Show investiert.
Getragen wird diese von Conferencier Kay Scheffel und seinem
Counterpart Herrn Riesling. Beide waren im vergangenen Winter im
Saarbrücker „Alexander Kunz Theatre“ engagiert. Man merkt, dass sie
nicht zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne stehen. Gleich im Opening
herrscht Hollywood-Atmosphäre. Die Scheinwerfer kreisen, die markante
Stimme von Sylvester Stallone kündigt Großes an. Und wer bewegt zu
diesem pompösen Auftakt die Lippen? Das immer leicht vertrottelt
wirkende Bewegungswunder Riesling. So kündigt er die Band und den
Gastgeber des Abends an. Kay Scheffel ist einer jener Entertainer, die
mit verschiedensten Fähigkeiten gesegnet sind. Er ist Moderator, Sänger
und Bauchredner. Zudem hat er immer „noch'n Gedicht“ parat. Eine
Reminiszenz an Heinz Erhardt. Er rezitiert nicht nur in dessen Stil,
sondern sieht dem Komiker auch ziemlich ähnlich. Dreiteiler, Krawatte,
Einstecktuch und markante Brille machen den Gesamteindruck perfekt. So
drückt er diesem Frühjahrs-Varieté seinen Stempel auf. Immer wieder
begleitet von Herrn Riesling.
  
Sarah Lindermayer, Emma Philips, Antonia Modersohn
Artistisch
gesehen gehört der erste Programmteil den Frauen. Den Auftakt macht
Sarah Lindermayer. Wunderbar leichtfüßig tänzelt sie über das
Drahtseil. Die Wahlberlinerin wird dabei getragen von der Musik.
Harmonisch hat sie in ihren Tanz Sprünge und einen Spagat auf dem Seil
eingebaut. Selten zu sehen ist der Fersenhang. Nach ihrem Auftritt
schenkt sie dem verzückten Herrn Riesling ihr Herz in Form eines roten
Luftballons. Diesen steckt er sich vor den Bauch und scheint damit zu
schweben, während Kay Scheffel am Bühnenrand sitzend ein Gedicht
vorträgt. Gleich darauf steht Scheffel alleine im Scheinwerferlicht.
Was nicht ganz korrekt ist, denn er hat zwei Partner. Den Vogel Rocky
und eine schillernde Las Vegas-Schönheit mit frechem Schnabel. Mit
diesen Puppen beweist er seine Künste als Bauchredner. Die in die
Plaudereien eingebauten Witze sind zumeist nicht neu, kommen aber beim
Publikum glänzend an. Perfekt inszeniert ist der Auftritt von
Emma Philips, die kurzfristig für das verletzte Duo Laos
einsprang. So gibt es jetzt Antipodenspiele statt
Hand-auf-Hand-Akrobatik. Sie bekommt dazu ein wunderbares Lichtdesign
und eine hinreißende musikalische Begleitung. Letztere markiert die
beiden Sequenzen ihrer Fußjonglagen. Zunächst lässt sie ruhig und
harmonisch Tücher sowie Schirme tanzen. Danach wird es turbulent, wenn
die Neuseeländerin einen massiven Holztisch durch die Luft wirbelt.
Eine mitreißende Darbietung, die höchst charmant verkauft wird.
Während Kay Scheffel vor der Bühne seine eigene Version von Lenas
„Satellite“ singt, wird hinter dem Vorhang der chinesische Mast
aufgebaut. Daran arbeitet Antonia Modersohn kraftvolle Tricks, die bei
ihr beneidenswert leicht aussehen. In bemerkenswertem Tempo rutscht sie
die Stange wieder herunter. Dabei findet die sympathische Artistin
immer den Kontakt zum Publikum. Dank einer mit dem Mund betriebenen
Glühbirne trotzen Kay Scheffel und Herr Riesling dem vermeintlichen
Stromausfall. So geht es in die Pause, in der man neuerdings mit einem
Glas Champagner die ohnehin beste Stimmung weiter steigern kann.
 
Trio Tresperte, Sergey Timofeev
Danach
gehört den Männern die Bühne. Lediglich Claudia mischt sich unter die
Herrenriege. Sie ist Teil des Trio Tresperte. Julius Zier hat es bei
einem Straßentheaterfestival entdeckt. Erstmalig arbeiten die Künstler
auf einer Varietébühne. Das bedeutet, dass sie jetzt ein Publikum
haben, welches sich ganz auf ihren Auftritt konzentriert und nicht nur
für ein paar Minuten stehen bleibt. Zudem müssen sie ihre eigentlich eine
Stunde dauernde Geschichte innerhalb von 15 Minuten erzählen. Es ist,
wie sollte es anders sein, eine Liebesgeschichte. Zwei junge Männer,
der eine gut aussehend, der andere nicht zuletzt aufgrund einer
erkennbaren Sehschwäche nicht ganz so attraktiv, buhlen um die Gunst
der hübschen jungen Dame. Mal liegt der eine in ihrer Gunst vorne, mal
der andere. Eingebaut in dieses Spiel sind akrobatische Tricks wie
Handvoltigen oder ein Drei-Personen-Hoch. Am Ende ergibt sich dann beim
Wer-mit-wem eine zunächst nicht ganz so absehbare Konstellation. Der
Akkordeonspieler, welcher den Auftritt begleitet hat, spielt darin eine
nicht unwesentliche Rolle. Nachdem vor der Pause das Licht ausgefallen
war, versagt nun das Mikrofon seinen Dienst. Kay Scheffel schafft es
aber auch so, das Publikum zu unterhalten. Sogar Standing Ovations
werden gespendet. Nachdem sich Herr Riesling mit dem defekten Mikrofon
befasst hat, steht er unter Hochspannung. Entsprechend bewegt er sich
über die Bühne. Seine perfekte Körperbeherrschung und eine hinreißende
Mimik sorgen für größte Heiterkeit. Diese wird noch gesteigert, als Kay
Scheffel zwei Zuschauer auf die Bühne holt und mit ihnen seine
Fähigkeiten als Bauchredner demonstriert. Er gibt ihnen neue Stimmen
und animiert sie zu munteren Gesprächen. Als Zugaben singen die drei
Blue Suede Shoes sowie Frere Jacques. Wenn Kay Scheffel nach
Verabschiedung der Gäste von der Bühne „noch'n Gedicht“ vorträgt und
dann noch eins, ist es doch ein wenig zuviel des Guten. Zumindest für
mich gerät dieser komische Block zu lang. Ich hätte mir eine weitere
artistische Darbietung für den zweiten Teil gewünscht. Denn es folgt nur
noch Sergey Timofeev. Das „nur“ bezieht sich selbstverständlich
ausschließlich auf die Quantität, nicht aber auf die Qualität. Denn
Timofeev ist ein exzellenter Artist. Seine variantenreichen Handstände erreichen
höchste Schwierigkeitsgrade. Dennoch sieht alles spielerisch aus. An
dieser Wirkung hat sein Requisit einen großen Anteil. Immer wieder
verändert er die Zusammensetzung seines bunten, vieleckigen Podests. Es
sieht nicht nur wie ein Zauberwürfel aus, sondern lässt sich auch so
drehen. Beim anschließenden Finale geben die Blues Brothers das Thema
vor. Das Publikum feiert das Ensemble und erinnert sich dabei an die
zuvor einstudierten Standing Ovations. |