Hauptfigur ist dabei Mrs. Nana, eine Puppenfigur, die sich nach Auftritten in Varietés
rund um die Welt auf Schloss Silberberg zur Ruhe gesetzt hat und dort
eine Galerie eröffnen will. Das schöne Bühnenbild zeigt ihren Salon mit
den ausgestellten Bildern. Mrs. Nana wird von Gordon Leif im Rahmen seiner „Nanaischen Spiele“ dargestellt.
Das ostsibirische Volk der Nanai hat diese Art des Spiels mit
überdimensionalen Puppen einst für traditionelle Feste erfunden, heißt
es in der Presseinformation zur Show. Leif, der schon mit dem bekannten Jonglage-Duo Strahlemann & Söhne
im Friedrichsbau aufgetreten ist, versteht es hervorragend, dieser Figur
und im Verlauf der Show auch anderen Puppen
ganz eigene Persönlichkeiten zu geben. Dabei steckt er jeweils in einem
schwarzen Ganzkörperoutfit, das ihn vor dem Bühnenbild fast unsichtbar
werden lässt und bewegt die Puppen vor sich. Besonders gelungen ist
seine Darstellung der überheblich-überdrehten Mrs. Nana. Als deren
Juwelen verschwinden, muss ihr Verehrer, Kommissar
Erwin Duckdich (ebenfalls eine Puppe, aber eine deutlich kleinere), diese wieder finden.
Die Suche nach dem Schmuck zieht sich als ein Handlungsstrang durch die
gesamte Show.
 
Rodrigue Funke und Gordon
Leif alias Mrs. Nana, Jennny Thiem
Der zweite ergibt sich aus den Bildern an der Wand. Sie zeigen die
auftretenden Künstler. Wenn Mrs. Nana anhand der Gemälde über ihre
Erinnerungen spricht, werden diese auf der Bühne lebendig. Die Artisten
erscheinen hinter einer Glastür im Nebel, als kämen sie aus einer weit
entfernten Vergangenheit. Durch dieses Portal betreten sie die Bühne. So
werden die Nummern der abgebildeten Artisten eingeleitet und in die
Handlung integriert. Weitere Bilder liefern kleine Hommagen an große
Künstler wie Heinz Ehrhardt und Marlene Dietrich. Insgesamt schafft die
Gemäldekulisse genau den richtigen Rahmen für diese Show. Doch
von vorne: Nachdem Mrs. Nana das Publikum in ihrem Schloss begrüßt hat,
stellt sie ihr Personal vor. Den ersten Auftritt haben dann ihre
Sicherheitsmänner, die für viele Lacher sorgen. Edd und Lefou alias
Steffen Lemke und Nils Hellmuth-Truchseß überraschen mit den
verschiedensten Varianten des „High-Five-Handschlags“. Für mich setzen
sie die komischsten Akzente in der „Gallery“. Ein Gesamtkunstwerk
schafft Jenny Thiem an den Tüchern. Mit „Diamonds are a girl‘s best
friend“ begleitet sie ihre starken Tricks gesanglich. Hinzu kommt die
überaus sympathische Ausstrahlung der Artistin.
  
Ully Loop,
Emiria Snyman,
Rodrigue Funke
Magier Ully Loop
überbringt Mrs. Nana einen Fruchtbarkeitsbaum und hat dann seinen ersten
Auftritt. Er verbindet drei Ringe von Zuschauern zu einem und löst sie
wieder voneinander. Seine skurrile Art gibt dem Ganzen das
gewisse „magische“ Extra. Als Erwin Duckdich Mrs. Nana die Juwelen
zurückbringen will, befindet sich in der Tasche leider nur eine Ratte.
Mit dieser und einem Artgenossen zeigt Rodrigue Funke, ehemals Teil des
Trapez-Duos Sorellas, einige Tricks rund um Mrs. Nanas unzählige Taschen. Die
japanisch-südafrikanische Kontorsionistin Emiria Snyman demonstriert sehr
fließend und elegant ihre Verbiegungen. Etwas an Wirkung verliert ihr
Auftritt an diesem Abend durch den nicht sicher gehaltenen Mundstand als
Schlusstrick. Wort- und witzreich erläutert uns sodann Mrs. Nana alle
möglichen Bedeutungen des Wortes „Hut“. Auf der Hut sein muss definitiv
Rodrigue Funke im Anschluss bei seiner Dressur mit Foxterrier-Dame Lulu.
Diese spielt ihrem Herrchen nämlich gerne den einen oder anderen
Streich. Vielfältig sind zudem die Tricks des ungleichen Duos. So läuft
Lulu unter anderem Kreise um Funkes Arme, wenn er im Handstand steht. In
die Pause geht es mit einer besonderen Version der Nanaischen Spiele. Dabei führt
Mrs. Nana einen
lustigen Tanz mit Kommissar Duckdich auf. Bemerkenswert ist die
Körperbeherrschung, die Gordon Leif als gleichzeitiger Darsteller beider
Figuren zeigt.
  
Rodrigue Funke, Edd und Lefou,
Gwenaelle
Dem Reiz der Schuhe für die Dame widmet
sich Mrs. Nana nach der Pause, um dann für den komischen Boxkampf von Edd und
Lefou Platz zu machen. Zu Giuseppe Verdis „Vorspiel zum ersten Akt“ aus
„La Traviata“ und mit humorvollen Kommentaren aus dem Off läuft der
harte Kampf in einer präzisen Zeitlupe ab. Schluss ist erst, wenn beide
Kämpfer scheinbar mehrere Zähne verloren haben. Während Mrs. Nana nun mit
„Ein bisschen Frieden“ eine Hommage an „ihre Freundin“ Nicole darbietet,
lässt Rodrigue Funke auf der Mittelbühne im Zuschauerraum eine weiße
Taube kleine Tricks zeigen und sorgt damit für den dritten tierischen
Auftritt im Programm. Neben Ully Loop gibt es noch eine zweite
Vertreterin der Sparte Magie in Mrs. Nanas Galerie. Auch Gwenaelle macht
einen leicht verrückten Eindruck, gibt sich dabei jedoch der Faszination
der Schmetterlinge hin. Ehe ihre eigene Verwandlung per Quick Change zum
Schmetterling ansteht, zaubert sie kleinere Exemplare aus ihren Fingern.
Charmant sind auch ihre weiteren Tricks, wie die Sonnenbrille, die
hinter einem Tuch aufgesetzt wird, das sie mit beiden Händen hält. Sogar
ein Pferd hat den Weg auf den Stuttgarter Pragsattel gefunden. Es
handelt sich jedoch um ein Individuum mit hohem Stoffanteil. Das „alte
Circuspferd“, vorgeführt von Mrs. Nana, bewegt sich dann auch durch die Zuschauerreihen.
 
Ully Loup, Stanislav Vysotsky
Einem guten Drink scheinen die wenigsten
Besucher ablehnend gegenüber zu stehen. Zauberkünstler Ully Loup erfüllt
„auf Kosten des Hauses“ (fast) jeden Wunsch – indem er Wasser in das
gewünschte Getränk verwandelt. Nur beim Eierlikör muss er an diesem
Abend passen. Amaretto, Ramazotti und Co. stellen dagegen kein Problem
dar. Herrlich komisch, wenn auch mit zahlreichen Obszönitäten
geschmückt, ist Mrs. Nanas anschließendes Gedicht auf den menschlichen
Körper. Selten treffen vollmundige Ankündigungen vollkommen zu. Der als
„Newcomer der Jongleure“ annoncierte Stanislav Vysotsky kann den
Erwartungen jedoch standhalten. Temporeich jongliert er bis zu sieben
Bälle. Interessant ist die starke Einbeziehung der Füße in seine
Darbietung, zum Beispiel bei der Jonglage von drei Bällen mit einem Fuß.
Für noch mehr Tempo sorgt dann ein artistisches Intermezzo mit Rodrigue
Funke und Mrs. Nana. Passend zum 80er Hit „I need a hero“ von Bonnie
Tyler gibt es dazu grelle Kostüme. Einfach genial ist die Idee eines
gemeinsamen Keulenpassings von Puppe und Artist. Gewachsen ist
inzwischen auch der Fruchtbarkeitsbaum, dessen Blüten nun gepflückt
werden können. Im ersten Teil des Finales werden alle Artisten noch
einmal vorgestellt. Doch eine Sache wurde vergessen: Mrs. Nanas Juwelen sind
immer noch nicht aufgetaucht. Durch ein verdächtiges Rascheln finden sie
sich in einem Schrank, geklaut von den Ratten. Nun hat auch die
Gastgeberin ihre Schätze wieder, und kann beruhigt das Schlossleben
genießen. Dann genießen die insgesamt neun Akteure die Begeisterung des
Premierenpublikums. Diese gebührt am Premierenabend sicher auch
Regisseur Ralph Sun, der diesmal auf mitgebrachte Szenen von Gordon Leif
aufbauen konnte. |