„The Urban
Artistic Show“, so der Untertitel des Programms, lädt das Publikum zu
einem Streifzug durch eine imaginäre Großstadt, in der außergewöhnliche
Menschen aufeinander treffen. Regisseur Ralph Sun hat hierzu keinen
durchgehenden Handlungsstrang kreiert, sondern eine Abfolge von „Shortcuts“,
Kurzgeschichten, die durch klare Schnitte voneinander abgesetzt sind.
Beim Bühnenbild wurde davon abgesehen, zum Beispiel eine reale
„Wolkenkratzerkulisse“ zu bauen. Vielmehr bleibt die Bühne diesmal
völlig schwarz, nur der Flügel von Pianist und Sänger Mr. Leu steht am
linken Bühnenrand. Stattdessen werden wechselnde Stimmungen aus Licht
geschaffen, fast durchgehend in eher düsteren Farben. „Metropolitan“
widersteht dabei der Gefahr, ins Unterkühlte abzugleiten.
  
Mr. Leu, Michael Clifton,
Margot Marcadé
Auch wenn diese
Show einen edlen, modernen Look hat, bleibt sie ein Abend der großen
Gefühle. Großen Anteil daran haben die fünf Musiker des
Friedrichsbau-Orchesters, welche die komplette Vorstellung live
begleiten – und natürlich Mr. Leu. Gemeinsam mit seiner Bühnenpartnerin
und Ehefrau Evi Niessner war er in den vergangenen fünf Jahren dreimal
im Friedrichsbau zu Gast. Stets war sie es, die dabei im Vordergrund
stand, die (auch) von ihrem Mann ins rechte Licht gerückt wurde. Nun hat
Mr. Leu erstmals im Friedrichsbau die Gelegenheit, selbst als
Hauptakteur alle Facetten seines musikalischen, gesanglichen und
darstellerischen Könnens zu zeigen. Und er tut dies mehr als
überzeugend, insbesondere mit vielen Songs aus dem Repertoire von
Blues-, Jazz- und Folk-Sänger Tom Waits. Außerdem rezitiert er immer
wieder Zeilen eines Gedichts. Weiterer musikalischer Akteur ist zudem
Michael Clifton, der 2011 bereits in „Youkali“ auf dieser Bühne zu Gast
war, mit seinen absurden musikalischen Beiträgen. Unter anderem spielt
er auf sich selbst die „Body Drums“ oder bringt die Speichen eines
rotierenden Fahrradreifens zum Klingen. „Metropolitan“ ist gleichermaßen
ein artistischer wie ein musikalischer Abend.
  
Lea Hinz,
Mathieu Bolillo, Margot Marcadé und Mr. Leu
Verkehrslärm, das
Wort „Großstadt“ in verschiedenen Sprachen und Kommentare zum urbanen
Leben tönen zum Beginn der Show aus dem Off, ehe das Ensemble durch den
Zuschauerraum auf die Bühne zieht. „Clap Hands“ fordern die Artisten die
Besucher auf, und das tun diese an diesem Abend reichlich. Für die Show
wurden fast durchweg innovative artistische Darbietungen ausgewählt, die
sich durch „das gewisse Etwas“ auszeichnen. Eine von ihnen zeigt Robert
James Webber, Absolvent der Circusschule von Montréal 2010, mit einer
außergewöhnlichen Jonglage mit lediglich zwei Requisiten, einem Hut und
einem Besen. Eingebettet in einen Tanz lässt Webber den rotierenden
Besen in vielfältigen Varianten über den Körper kreisen und fliegen,
fängt ihn mit dem Fuß und kickt ihn wieder in die Luft, wobei der Hut
ständig in dieses Spiel integriert ist.
Mr.
Leu interpretiert dazu am Piano Waits’ „Invitation to the Blues“.
Die 23-jährige
Berlinerin Lea Hinz, ehemaliges Mitglied der deutschen
Nationalmannschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik, präsentiert am
Luftring eine in diesem weit verbreiteten Genre künstlerisch wie
artistisch herausragende Darbietung mit Umschwüngen, Genickhang und
dynamischen Posenwechseln am rotierenden Requisit. Ihr zweiter Auftritt
nach der Pause kombiniert zum Song „Shadow“ Equilibristik, Kontorsion
und Tanz mit einem perfekt auf das Bühnengeschehen abgestimmten Video,
das ein Schattenspiel der Künstlerin selbst zeigt – Realität und Fiktion
verschmelzen hier zu einem wunderbaren Ganzen. Mathieu Bolillo, ehemals
Artist in der Soleil-Show „Ka“, hat für seine Darbietung „CirKolution
II“ ein ganz außergewöhnliches Requisit entwickelt. Auf einen
Metallreifen als „Bodenplatte“ sind im rechten Winkel zwei halbrunde
Bögen montiert. So kann Bolillo auf dem Metallgestell nicht nur
Handstände drücken, sondern dies auch in der Art eines Cyrrads kreisen
lassen. Margot Marcadé, die in der Musikantenstadel-Parodie „Servus,
Grüezi und Hallo“ im Friedrichsbau auf Maßkrügen balancierte, ist nun in
einer äußerst sinnlichen Darbietung direkt auf Mr. Leus Piano mit ihren
Fähigkeiten als Equilibristin zu sehen.
  
Richard Cameron Morneau,
Charlotte de la Bretèque
Die wunderbare
Charlotte de la Bretèque, bekannt zum Beispiel vom European Youth Circus
und vom Schweizer Circus Monti, demonstriert hier ihre innovative
Darbietung an einem Teppich aus Seilen, der es ermöglicht, Tricks aus
verschiedenen Disziplinen – wie Handstand, Strapaten, Chinesischer Mast
– in einer Nummer zu kombinieren. Richard Cameron Morneau zeigt als
Schlussnummer an seiner doppelten, kreisenden Strickleiter Genickhang,
Spagat, kraftvolle Posen sowie blitzschnelle Positionswechsel und
Schwünge von einer Sprosse zur nächsten. |