Choreograph und
Regisseur Ivan Luzan hat die einzelnen Darbietungen mit vielen schönen
Ideen und kleinen Ensembleszenen zu einer Show mit Titel „M-Box“ (wie
Musikbox) zusammengefügt. Um ein komplett abendfüllendes Programm
gestalten zu können, werden die Absolventen alljährlich auf Tournee von
Artistenschülern begleitet, die das letzte Jahr ihrer Ausbildung noch
vor sich haben.
  
Bertan, Jeffrey Hein,
Philip
Einer von ihnen ist
Bertan, der fröhlich, natürlich und ungekünstelt wirkende
Bouncing-Jongleur. Bis zu sieben Bälle lässt er über den Boden springen,
stets eingebettet in Hip Hop-Tanz. Eine eher selten gezeigte Disziplin
hat auch Judith Pietsch gewählt – das Schlappseil. Zu den Besonderheiten
der Darbietung gehört, dass die junge Artistin bei vielen ihrer Tricks
nicht auf dem Seil steht oder geht, sondern daran auch hängend Elemente
aus Trapezdarbietungen wie Fers- und Kniehang zeigt. Hochhackige Schuhe,
Netzstrümpfe und Netzoberteil, pinkfarbene Handschuhe, Make-up:
Sozusagen mit geballter Weiblichkeit provoziert Hula-Hoop-Künstler
Philip bei seinem Auftritt mit bis zu fünf Reifen. Die funkige Musik
lässt das Publikum begeistert mitgehen – freilich würden wir ihm dennoch
empfehlen, von seiner Darbietung noch zusätzlich eine im Auftreten
gemäßigtere Variante anzubieten, um über breitere Auftrittsmöglichkeiten
zu verfügen. Ein echtes Circuskind ist Jeffrey Hein vom früheren Circus
Hein; seine Familie arbeitet heute vor allem in Parks. Er ist laut
Programmheft bereits das neunte Familienmitglied, das die Berliner
Artistenschule durchläuft – seine Handstanddarbietung auf dem
klassischen hohen Piedestal zeigt er zu einem fröhlichen Popsong,
während er mit Artistenkollegin Liv – am Fuße des Requisits mit einer
Rose wartend – flirtet. Anschließend erklimmt Liv das Solotrapez, und
Jeffrey beobachtet sie bei klassischen Trapeztricks und kontorsionistischen
Elementen.
  
Aniko, Vanessa und Sven,
Benno und Johannes
Bei durchweg hohem
Niveau der Darbietungen dieser Absolventenshow ist ein besonderes
Glanzlicht der Auftritt der Equilibristen Vanessa und Sven. Hier ist die
etwas größere Partnerin die Unterfrau, die – unter anderem in
verschiedenen Spagatständen – den muskulösen Herrn in schwierigsten
Posen trägt. Sicher, leistungsstark, elegant, toll choreografiert – das
Paar hat noch ein Jahr an der Artistenschule vor sich, seine Darbietung
aber wirkt jetzt schon fertig und könnte bereits überall arbeiten. Zu
Recht die ausgiebig bejubelte Pausennummer. Erfreulich auch: Im Gespräch
berichten die beiden, dass sie nicht nur in Varietés und bei Galas,
sondern gerne auch im Circus arbeiten möchten. - Nun aber zu jenen
jungen Künstlern, welche die Artistenschule bereits tatsächlich
abgeschlossen haben. Zu ihnen gehört Seraina mit ihrem poetischen
Auftritt am Solotrapez. Aus dem Off wird das Rilke-Gedicht „Die Welt die
monden ist“ rezitiert, während die Künstlerin zunächst in einen weißen
Umhang gehüllt am Boden kauert, dann tanzt. Am Solotrapez präsentiert
sie schließlich zu wundervoller, ruhiger Cellomusik ein umfassendes
Repertoire mit diversen Abfallern und bis hin zum Genickhang.
Interessant, weil ungewöhnlich sind ihre Umschwünge vor- und rückwärts
um die Trapezstange. Ein Drahtseilapparat, an den beiden Plattformen
links und rechts jeweils ein Telefon – das ist das Requisit von Aniko,
welches sie zunächst als Sekretärin mit grauem Rock, Hemd und Krawatte,
vor allem aber auf hohen Absatzschuhen überquert. Dann streift sie aber
das Buisness-Outfit ab und tanzt als schwarz-rote Femme Fatale auf dem
Seil, unter anderem mit Spagat, Seilspringen und Spagat im Stehen. Zum
Song „Sweet Dreams“ in der Version von Marilyn Manson präsentiert Jakob
Kraft und Können an den Strapaten – freihändiger Spagat zwischen den
Schlaufen, Auf- und Abwickeln und Flugpassagen gehören zum breiten
Repertoire. Der junge Berliner tritt als Maler auf, der zwischen den
Darbietungen einige Striche auf die am Boden liegende Leinwand setzt.
Der Österreicher Carlo Schöbel, Mitglied der fünften Generation einer
Artistenfamilie, ist zwischen den Darbietungen omnipräsent als eine Art
fantasievoll gekleideter Zeremonienmeister. Gegen Ende des Programms
präsentiert er seine expressive Handbalancing-Darbietung mit
kontorsionistischen Elementen. Den Schlusspunkt setzen die famosen
Diabolo-Jongleure Benno und Johannes, trickstark und mit toller,
mitreißender Bühnenpräsenz. Bis zu fünf goldfarbene Diabolos lassen sie
gemeinsam fliegen. |