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Friedrichsbau Varieté - Lollipop
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 30. August 2007: In den vergangenen Eigenproduktionen des Stuttgarter Friedrichsbau-Varietés, über die wie hier berichtet haben, wurden die artistischen Nummern stets durch die Conférence – erst eine Sängerin, dann ein Gedankenleser-Duo, schließlich ein Komiker – lose zu einem Programm zusammengefügt. Die neue Herbstrevue „Lollipop“, die noch bis zum 27. Oktober gespielt wird, ist nun viel mehr als das, nämlich eine durchgängige Inszenierung zum Leitmotiv „Rendezvous mit den 50er und 60er Jahren“.


Sylvia Wintergrün, Max Nix und Willi Widder Nix

Diesmal bilden nicht verschiedenfarbig beleuchtete Vorhänge das Bühnenbild. Nein, diesmal wurde eine richtige Theaterkulisse gebaut: eine städtische Szenerie mit Milchbar, Friseursalon, mobilem Eisverkäufer und Vesparoller. Ein munteres Völkchen belebt dieses Wirtschaftswunder-Städtchen – die artistischen Nummern der Ensemblemitglieder entwickeln sich aus den kleinen Spielszenen auf der Bühne.Die zentrale Figur ist zum einen die Besitzerin des Frisörsalons, die Berliner Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Sylvia Wintergrün. Ihr charmant-witziger Vortrag passt prima zu ihrem Repertoire – gleich zu Beginn kommen die „zwei kleinen Italiener“ zu neuen Ehren, später heißt die Sängerin „willkommen auf dem Traumboot der Liebe“. Einen fetzigen Kontrapunkt zum Schlagerkitsch setzt das spielfreudige Friedrichsbau-Orchester mit heißem Rock’n’Roll. Zum anderen spielen neben der Sängerin zwei äußerst skurrile Herren die Hauptrollen: Max Nix und Willi Widder Nix. Ihre Zauber-Comedy im Sambarhythmus mit garantiert durchschaubaren Tricks sorgt für ausgelassene Heiterkeit im Friedrichsbau, ebenso die Jodelnummer vor der Pause und freilich auch der Rock’n’Roll auf zwei originalen Alphörnern vor dem Finale.


Valentino Bihorac, Dace Ulanova, Igor Boutorine, Duo Flash

Jongleur Valentino Bihorac eröffnet den artistischen Reigen mit wirbelnden Bällen, Keulen und Ringen, wobei der Bosnier den heißblütigen Latino gibt – der Verkauf ist die wahre Stärke dieser Darbietung. Ein erstes artistisches Highlight setzen dann die Kaskadeure des Duos Flash mit ihren fröhlich-spektakulären Höhenflügen. Was in einer 50er-Jahre-Show nicht fehlen darf, sind natürlich auch Hula Hoop-Reifen, die hier von einem männlichen Artisten bewegt werden, Igor Boutorine – ein weiteres umjubeltes Glanzlicht. So bietet „Lollipop“ in der ersten Hälfte perfekte Varieté-Unterhaltung. Das weckt natürlich besonders hohe Erwartungen an den zweiten Programmteil, die aber nicht ganz erfüllt werden: Erst werden Ausschnitte aus alten Werbefilmen mit dem HB-Männchen gezeigt – eine nette Idee, natürlich, aber sie wird überstrapaziert. Weniger wäre hier mehr. Unspektakulär ist dann die folgende Darbietung am Solotrapez von Dace Ulanova, wie sie hier gezeigt wird – vielleicht steht ja das Petticoat-Kostüm einer aufregenderen Trickfolge im Weg...


Trio Bingo, Farellos, Finale

Das weitere Programm überzeugt dann wieder: beeindruckende Menschen-Pyramiden türmen die drei Damen des Trio Bingo, und die komische Fahrradnummer der Farellos ist ohnehin eine Wucht – vor jedem Publikum ein garantierter Abräumer. Der Schlusstrick: Artist Ralf trägt seine Partnerin Jaci auf den Schultern, während er auf dem Einrad die Treppe des Requisits hinaufhüpft.

Die Show „Lollipop“ ist kein typisches Nummernvarieté, sondern eine konsequent inszenierte Ensembleleistung, wie wir sie gerne öfter sehen würden  – witzig, temporeich und mit einigen artistischen Highlights versehen, die den etwas lahmen Auftakt der zweiten Hälfte wieder wettmachen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber