Verbinden wird sie immer die qualifizierte
Ausbildung, die sie in Berlin genossen haben. Und das Erlebnis, auf
einer gemeinsamen, umfangreichen Tournee viel wertvolle
Auftrittserfahrung gesammelt zu haben, ehe sie künftig auf sich alleine
gestellt sind. Engagements im Varieté, auf Kreuzfahrtschiffen und bei
Galas sind es, was die meisten der Jung-Artisten sich wünschen. Von
einer Circus-Karriere träumen sie leider kaum. Für die Organisation der
Absolventen-Tour zeichnen in bewährter Weise Maik M. Paulsen und Jan van
Aubel mit ihrer Firma „Wundercircus“ verantwortlich. Dabei durfte der
traditionelle Stopp im Stuttgarter Friedrichsbau nicht fehlen. Nur in
Stuttgart und Darmstadt ist das Programm jeweils gleich vier Abende in Folge zu sehen.

Ensemble
In der diesjährigen Produktion „Initial“ machen
die Absolventen sich selbst zum Thema. Karl-Heinz Helmschrot hat
erstmals Regie geführt, Cristiana Casadio die Choreographien der
Ensembleszenen geschaffen. In Einspielungen aus dem Off wird von der
Entscheidung der jungen Artisten berichtet, aus der Passion eine
Profession zu machen. Jeder wird kurz mit einigen seiner wesentlichen
Charakterzüge vorgestellt. Und es werden kleine Szenen aus dem
Trainingsalltag gezeigt – beispielsweise Übungen an der Ballettstange
unter den strengen Augen des Ausbilders. So wird das Künstler-werden
nacherzählt.
  
Monalaura, Duo
Sienna, Saleh Yazdani
Das Opening mündet in die Duo-Tüchernummer von
Monalaura alias Mona Tesch und Laura Borkowski. Auf einen ruhigen Beginn
folgen hier in dynamischem Tempo viele Halte- und Drehfiguren. Abfaller
werden in riskanter Weise Hand-in-Hand oder mit einem Fuß in einer
Kniekehle beendet. So ist gleich nach diesem ersten, starken Auftritt
für großen Applaus und Jubel gesorgt. Saleh Yazdani hat für seine
Handstände ein außergewöhnliches Requisit in Form eines großen
Holzschaukelpferdes gewählt. „Run Boy Run“ liefert den Soundtrack zum
Thema, wie sich hier ein Heranwachsender gegen die Tristesse des Alltags
stemmt. Es liegt auf der Hand, dass der wippende Untergrund Salehs
Balancen erschwert, beispielsweise bei Hand- und Kopfstand auf dem
Schädel des Spielzeugpferdes. Seine Arbeit wird von fortwährendem
Applaus begleitet. Im ersten ihrer zwei Auftritte zeigen Sina Brunner
und Vienna Holz alias Duo Sienna eine eher ungewöhnliche Version des
Poledance, nämlich ein Duett, bei dem sie gemeinsam um die Stange
rotieren.
  
Anna
Shvedkova, Rosalie, Saleh und Anna
Später wandelt Saleh Yazdani mit seiner Partnerin
Anna Shvedkova auf den Spuren von Vanessa und Sven, wenn sie in der
kompakten Duo-Akrobatik die Unterfrau gibt. Annas Haupt-Darbietung
spielt sich dagegen in der Luft ab. Schließlich sind Solo-Artistinnen am
Trapez ein typisches „Werk“ der Berliner Artistenschule. Anna gibt ihrem
Auftritt durch die zweite Trapezstange, also die Aufrüstung zum
Doppeltrapez, dennoch eine eigenständige Note. Nach vielen modernen
Beats und schlichten Kostümen ist es beim nächsten Auftritt eine
willkommene Abwechslung, dass Rosalie Held zu einem französischen
Chanson im Walzerrhythmus arbeitet und dabei doch tatsächlich ein Kostüm
mit Glitter und Rosenschmuck trägt. Bei ihrer Handstand-Equilibristik
arbeitet sie auf einem Podest mit rotierender Drehscheibe. Im Handstand
nimmt sie zudem eine Rose mit den Zehen vom Boden auf. Auch diese
Pausennummer wird mit starkem Applaus bedacht.
  
Carlos Zaspel,
Rosalie, Sir Adam
Stark geht es zum Beginn des zweiten Programmteils
weiter. Carlos Zaspel war bereits vor einem Jahr im Friedrichsbau zu
Gast. Noch als Artistenschüler hatte er hier gemeinsam mit seinem
Bühnenpartner Fabio Zimmermann alias Duo „Two Guys One Club“ ein
Engagement in einer regulären Produktion des Hauses. Nun kehrt er mit
einer eindrucksvollen Darbietung zurück. Sein neu kreierter „Spinning
Pole“ besteht aus einem fest stehenden und einem im Kreis darum
schwingenden Mast. So etwas haben wir tatsächlich noch nicht gesehen.
Gleich einer rasanten Karussellfahrt kreist er um den feststehenden
Mast, hält sich dabei zeitweise nur mit den Beinen am Spinning Pole oder
springt von Mast zu Mast. Dabei macht das Zusehen wirklich Spaß, und
eigentlich möchte man am liebsten selbst eine Runde drehen. Wenn es nur
so einfach wäre…. Auch kraftvolle Tricks am fest stehenden Masten, bis
hin zum Salto, sowie ein Kopfstand oben auf dem Requisit gehören zum
Repertoire. In ihrem zweiten Auftritt nach der Rosen-Nummer zeigt
Rosalie noch eine starke Tücherkür. Zu einem melancholischen Popsong
wechseln sich Sturz in die Tücherschlaufe, mit den Füßen gefangen,
Genickhang und Spagat ab. Eine temperamentvoll vorgetragene
Diabolonummer bietet eigentlich immer eine Gute-Laune-Garantie. Und das
gilt ganz bestimmt bei Adam Harwig alias Sir Adam im Schottenrock. Er
beginnt seinen Auftritt auf einem Stuhl sitzend und lässt dabei ein
Diabolo um seine Beine tanzen. Später schickt er, nunmehr im Stehen, bis
zu drei von ihnen durch die Luft.
  
Ensemble, Duo Sienna
Die Show endet, wie sie begonnen hat, nämlich mit
einer rein weiblichen besetzten Duo-Luftnummer. Sina Brunner und Vienna
Holz präsentieren
interessante, anspruchsvolle Halteposen, zum Teil quasi
spiegelbildlich. Es ist schon bemerkenswert, wie viel "Frauenpower"
dieser Abschlussjahrgang bietet. Eine tolle Ausstrahlung haben in dieser
Saison alle Absolventen. Und die zeigt sich noch einmal in der
temperamentvollen Ensembleszene, mit der sich die staatlich geprüften
Jung-Artisten vom begeisterten Publikum verabschieden. |