Mit
„Illusion“ ist der Friedrichsbau in die Spielzeit 2017/18 gestartet, die
vierte am neuen Standort auf dem Stuttgarter Pragsattel. Erstmals
schmückt wieder ein Wandbild mit dem aktuellen Show-Motto das Foyer. Im
alten Gebäude gab es das zu jeder Produktion. So wird eine schöne
Tradition wieder aufgenommen. Kummer bereitet dagegen, dass 2017/18 zum
ersten Mal nur noch drei statt wie bisher vier große Eigenproduktionen
auf dem Programm stehen. Dafür werden immer mehr Gastspielproduktionen
für einzelne Tage gebucht.

Ottavio Belli
Los
geht das neue Programm mit zwei klassischen Großillusionen. Ein
scheinbar leeres Podium wird mit einem Vorhang verhüllt, der kurz darauf
wieder gelüftet wird. Dabei erscheint Ottavio Belli, Magier aus Italien
mit energischem, temperamentvollem Auftreten. Die erste seiner
Assistentinnen steckt kurz darauf in einem Käfig, in dem Lidschläge
vorher noch Flammen loderten. Dann folgt das eigentliche Opening. Darin
stellen sich alle Künstler gegenseitig vor. Einer der beeindruckendsten
Tricks von Ottavio Belli ist „Eclipse“, zu deutsch Finsternis. Hier wird
ein kreisrundes Gestell durch eine schmale Wand in der Mitte geteilt.
Zunächst wird die linke Hälfte des Kreises durch eine Papierwand
abgedeckt. Als Schattenspiel sehen wir eine Assistentin scheinbar die
Mittelwand durchdringen und dabei verschwinden. In umgekehrter Weise
kehrt sie später zurück. Staunen dürfen wir auch, wenn Ottavio Belli
eine Partnerin scheinbar flach wie eine Briefmarke presst. Ein Rätsel
bleibt, wie eine Assistentin den Weg aus einer von Speeren durchbohrten
Kiste findet, welche auf einem besonders hohen Metallgestell ruht. „Geometrical
impossible“ ist der treffende Titel seiner letzten Illusion, in der
Feuerpfeile eine Kiste durchstoßen, in der man gerade noch eine
Assistentin vermutete.
 
Daniel Craven
Der
zweite Großillusionist dieser Show, Daniel Craven aus Deutschland,
verkörpert mit seiner blonden Wuschelmähne einen charmanteren,
eleganteren Typ. Auch er lässt seine beiden Assistentinnen zunächst auf
rätselhafte Weise auf der Bühne erscheinen, in diesem Fall aus einer
gläsernen Box. Und dies nur, um kurz darauf eine von ihnen dem Anschein
nach von Speerspitzen durchbohren und unversehrt zurückkehren zu lassen.
Später durchdringen der Magier und seine Assistentinnen eine Wand aus
massivem Metall; Craven bewegt sich darüber hinaus durch die rotierenden
Blätter eines großen Ventilators. Abwechslungsreich und spannend geht es
weiter, wenn Daniel Craven und eine Assistentin auf undurchschaubare
Weise die Plätze auf einem Sessel tauschen. Im zweiten Programmteil wird
Craven dem Anschein nach von rotierenden Sägeblättern zerteilt. Zur
Überraschung des Publikums erscheint er kurz darauf, natürlich
unverletzt, mitten im Zuschauerraum wieder.

Duo Sonambul
Die
faszinierendsten Künstler des Abends sind jedoch Roman Maria von Thurau
und seine Partnerin Vivian alias Duo Sonambul. Sie waren bereits 2007 im
Friedrichsbau engagiert, in der nach ihnen benannten Show „Sonambul“.
Seitdem ist uns ihre Kunst, auch nach hunderten von besuchten Circus-
und Varietéshows, unvergesslich geblieben. „The Art of Mindreading“ ist
das Motto ihrer Arbeit. Roman gibt den stilvollen Conférencier im Anzug,
seine Partnerin das geheimnisvolle Medium im Abendkleid. Die blonde Frau
verfügt angeblich über dänische Vorfahren und soll in Brasilien auf der
Farm ihres Großvaters aufgewachsen sein. Dort habe ihr indianisches
Kindermädchen sie in die Kunst eingewiesen, aus Gesichtern Gedanken zu
lesen. Man weiß nicht so Recht, was daran nun autobiographisch ist und
was Teil der Kunstfigur. Doch unterhaltsam ist Vivian auf jeden Fall.
Mit dahingezischten Sätzen wie „Wenn man Ameisen vergiftet, fallen sie
immer nach links“ unterstreicht sie ihre mystische Aura. Im ersten
Auftritt rät sie – mit verbundenen Augen – Gegenstände, die Zuschauer im
Publikum mit sich führen. Für ungläubiges Staunen ist gesorgt, wenn
Vivian auf einem Flipchart eine Persönlichkeit malt, an die eine
Zuschauerin gerade denkt. Pablo Picasso ist richtig. Charmant, wie ein
Zuschauer das Wort errät, das seine Ehefrau zufällig aus einem Buch
gewählt hat – Vivian hilft als „Souffleuse“ mit einem Pappschild nach.
Später werden die Wünsche erraten, die Zuschauer in der Pause auf
kleinen Zetteln notiert haben. Auch die Seriennummer des Geldscheins,
den ein Zuschauer mit sich führt, ist für Vivian keine Unbekannte.
  
Skizzo, Szulita und Dennis
Skizzo
blödelt sich durch seine Comedy-Magic-Nummer, in der er unter anderem
den Schwert- und Luftballonschlucker mimt. Völlig ohne erkennbaren
Zusammenhang hastet er von Trick zu Trick, lässt fahrig das eine
bleiben, um schnell wieder etwas ganz anderes zu tun. Noch abgefahrener
ist nur sein zweiter Auftritt nach der Pause. An Feuerspiele reihen sich
unter anderem eine Striptease-Einlage, das Verzerren der Gesichtszüge
mit einem Gebläse, so dass seine langen Locken nur so fliegen, und das
Verschwinden in einem riesigen Ballon. Die scheinbar wahllose Abfolge
ergibt ein witziges Ganzes. Die einzige akrobatische Darbietung des
Abends steuern Szulita und Dennis am Vertikalseil bei. Leider sind sie
auf den Gedanken verfallen, mit LED-beleuchteten Kostümen im Dunkeln zu
arbeiten. So kann man ihre Gesichter, ihre Persönlichkeit nicht erkennen
und beobachtet stattdessen turnende Christbaumkugeln. Der Applaus bleibt
verhalten. Auf diese Nummer hätte man besser verzichtet.

Ryan
Hayashi
Ryan
Hayashi mimt einen geheimnisvollen Samurai-Kämpfer. In seinem ersten
Auftritt lässt er auf geheimnisvolle Weise vier Münzen ihre Plätze unter
ebenso vielen Spielkarten tauschen. Einziger Nachteil dieser Darbietung
ist, dass sie via Kamera auf eine Leinwand übertragen werden muss. Aus
den hinteren Reihen des Theatersaales sind die Bilder nicht optimal
erkennbar. Noch faszinierender seine Hauptnummer. Hierbei zerteilt er
mit verbundenen Augen Salatgurken mit einem scharfen Samuraimesser. Und
dies, während eine Assistentin das Gemüse mit Mund oder Zähnen hält, um
den Kopf gebunden hat oder es auf ihrem Unterarm liegt. Ein besonderer
Ausweis höchster Konzentrationsfähigkeit des Samurai-Künstlers.
Mehrmals in der Show arbeiten die unterschiedlichen Zauberkünstler
gemeinsam. Beispielsweise wenn Daniel Craven und Roman Maria von Thurau
in Sekundenschnelle „Rubiks Würfel“ lösen. Durch diese Zwischenspiele
werden die Einzelteile der Show noch besser zu einem Ganzen verbunden. |