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Friedrichsbau-Varieté - Mr. Hobdoblin
www.friedrichsbau.de - 59 Showfotos

Stuttgart, 31. Oktober 2012: Mit großem Aufwand hat das Friedrichsbau-Varieté Stuttgart seine neue Wintershow in Szene gesetzt. „Mr. Hobdoblins Wunderwelt“ handelt davon, wie der kleine Willi von der Titelfigur in eine wundersame Welt entführt wird und dort allerhand schillernde Figuren kennen lernt. Zwei Jahre soll Regisseur Ralph Sun an dem Showkonzept gearbeitet haben. Trotz des wunderbaren Bühnenbildes und eines starken Programms mit interessanten Nummern konnte die Produktion an Halloween, fünf Tage nach der Premiere, nicht in allen Punkten überzeugen.

Hinter „Mr. Hobdoblins Wunderwelt“ steht eine wunderbare Grundidee, und die „Lords of Comedy“ Max Nix und Willi Widder Nix haben mit ihrer großartigen Musikkomik schon mehrfach den Friedrichsbau gerockt. Doch diesmal passen das Thema der Show und ihre beiden Hauptfiguren vielleicht nicht recht zusammen – das Märchenhaft-Wunderbare, das Fantastisch-Emotionale zu verkörpern, das ist nicht die Sache von Max Nix (alias Mr. Hobdoblin). Er bezieht seinen Witz aus der Hölzernheit, mit der er agiert, aus dem staubtrockenen Humor. In einer verrückten Märchenwelt à la „Alice im Wunderland“ wirkt er eher fremd und nicht wie ihr oberster Zeremonienmeister. Und so sind Max Nix und Willi Widder Nix in dieser Show immer dann am besten, wenn sie im Grunde aus der vorgesehenen Rolle heraustreten und einfach sie selbst sein dürfen – bei einer absurden Zauberparodie mit garantiert durchschaubaren Tricks, bei musikalischen Einlagen und in der herrlich witzigen Pausennummer. Dabei gibt Max Nix einen höchst ernsthaften „Humorprofessor“, der mit seinen drei menschlichen Demonstrationsobjekten eine Art Kulturgeschichte des Slapsticks erörtert. Das Beinstellen und das Ausrutschen auf einer bereitgelegten Bananenschale sind noch die simpelsten Slapsticktechniken, über die hier doziert wird. Dann werden von der „einfachen seitlichen Deponation“ in der Tortenschlacht bis zum „doppelten Seitenhieb mit doppeltem Rückkehrer“ mit einem Holzbrett die verschiedensten Slapstick-Techniken quasi-wissenschaftlich dargelegt.


Oleg Djachuk, Anatoli Akermann, Max Nix und Willi Widder Nix

Eines der drei menschlichen Demonstrationsobjekte ist Anatoli Akermann, der einen der bizarrsten Charaktere der Wunderwelt spielt, und zwar den Bewohner einer Kuckucksuhr links neben der Bühne. Immer wieder kommt er aus seiner besonderen Behausung, um absurde Performances zu zeigen, etwa eine Art angedeuteten Brekdance. Akerman hat in den letzten Jahren für Soleil-Shows Comedy-Charaktere entwickelt. Das dritte menschliche Demonstrationsobjekt neben Akermann und Willi Widder Nix ist der kleinwüchsige Artist und Komiker Oleg Djachuk. In seiner neu kreierten Darbietung verschwinden seine Beine vollkommen in einer Metallkugel. Djachuk wird zum lebendigen Spielzeug, das als Stehaufmännchen über die Bühne rollt. In den verschiedensten Schräglagen jongliert Djachuk dabei mit drei Bällen.


Darren Burl, Laura von Bongard, Lara Paxton

Die Berlinerin Laura von Bongard eröffnet den artistischen Part und liefert einen weiteren Beleg für die hochwertige Ausbildung, die an der Staatlichen Artistenschule in der Hauptstadt vermittelt wird: In ihrer Antipodenkür jongliert die 19-Jährige am Ende erst fünf, dann sechs goldfarbene Bälle gleichzeitig mit Händen und Füßen, wobei sie die Bälle zwischendurch auf dem Boden links und rechts ihrer Trinka – einem dekorativen Polstermöbel – aufdopsen lässt. Bemerkenswert auch die Jonglage mit drei Bällen mit den Händen, während um ihren linken Fuß ein Ring kreist und sie auf dem rechten einen Stab mit einem Ball obenauf balanciert. Darren Burl ist bestens aus dem Circus Roncalli bekannt. Nun formt er im Friedrichsbau mit den bloßen Händen Seifenblasen, zerteilt sie mit Handkantenschlägen, füllt sie mit Rauch oder schließt kleine Blasen in große ein. „Isn’t she lovely?“ wird melancholisch und zu Recht gesungen, während sich Lara Paxton in die Lüfte schwingt – als Meerjungfrau an einem eisernen Anker demonstriert sie unter der hohen Kuppel des Friedrichsbaus Kraft und Beweglichkeit. Erst im letzten Teil der Nummer schüttelt sie ihre Flosse ab. Zu den stärksten Nummern im Programm gehört die Equilibristik-Kür von Alexander Veligosha, vor 13 Jahren Goldmedaillengewinner beim Cirque de Demain. Das farbenfrohe Kostüm in Soleil-Manier sowie dunkel lackierte Fuß- und Fingernägeln geben ihm etwas Paradiesvogelhaftes, und doch zeigt er mit ausdauernden Passagen auf ein und zwei Händen sowie Kontorsionselementen eine sehr männlich-kraftvolle Arbeit.


Elizabeth Gaumond, Alexander Veligosha, Matthias Romir

Matthias Romir hat eine interessante, humorvolle Kontaktjonglage entwickelt. Bei seinem Spiel mit drei Keulen muss er immer wieder einen gasgefüllten Luftballon vor dem Davonschweben bewahren, wofür er natürlich stets eine freie Hand benötigt und die Keulen zwischenzeitlich in verschiedensten Positionen am Körper deponiert werden müssen. Elizabeth Gaumond, ehemalige Soleil-Artistin, verknotet ihren Körper als Schlangenmädchen mit Kontorsions- und Klischnigg-Elementen auf wirklich beeindruckende Weise. Ebenso vom Cirque du Soleil kommt Faon Shane, die mit ihrer Luftnummer an drei Kettenschlaufen für den Abschluss des Programms sorgt, unter anderem mit Spagat, Wirbel und Genickhang. Als Fabelwesen auf Stelzen komplettiert Marcelo Pivoto Bolter das Künstlerensemble. Eine besondere Erwähnung wert ist noch das äußerst aufwendige Bühnenbild mit variablen Hintergründen, das viel zum farbenfroh-prächtigen Gesamtbild des Programms beiträgt. Das vierköpfige Orchester sitzt diesmal oberhalb dieser Szenerie.

Trotz vieler guter Zutaten ist „Mr. Hobdoblins Wunderwelt“ in der Gesamtschau bisher noch nicht der große Wurf. Die Optik der Show ist großartig, eine optisch „schöne“ Show muss aber nicht gleichermaßen mitreißend sein, zumal wenn sie viele ruhige Momente enthält. Auch der Schlussapplaus fiel in der besuchten Vorstellung verhaltener aus als in anderen Friedrichsbau-Produktionen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber