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Friedrichsbau-Varieté - Futura
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 7. Februar 2008: Ein DJ, der Artistennummern an den Plattenspielern scratchend live begleitet. Straßenkunst wie Breakdance und BMX-Rad fahren. „Eine ganz junge Artistenwelt“. Dazu romantische und zeitgenössische Lyrik: Was das Friedrichsbau-Varieté Stuttgart für seine Frühjahrsproduktion „Futura: Artists – Streetstyle – Lyrics“ angekündigt hatte, klang provokanter und gewagter als das, was der neue Hausregisseur Ralph Sun letztlich in Szene gesetzt hat – zum Glück. Die neue Show wirkt frisch und alles andere als angestaubt, ohne durch übermäßigen Einsatz angeblich moderner Zutaten strapaziös zu werden.

Auch für „Futura“ wurde im Friedrichsbau ein ganz neues Bühnenbild geschaffen: Der Verzicht auf alle Vorhänge, Gassen und Prospekte schafft Platz und lässt die Bühne großzügiger wirken. Man kann stellenweise bis an die Rückwand des Bühnenraums blicken und während des Einlasses durch ein großes Fenster hinter der Bühne ins Freie sehen – und die Passanten in den Theaterraum. Rätselhafte Textfragmente („Lyrics“ also) zieren die Bühnenaufbauten, für DJ Sparc wurde ein Pult zwischen Bühne und Orchester gebaut.


Ksena, Duo La Brise, Tony Frébourg, Erica Lemay

„Artists“: Den Reigen der artistischen Darbietungen eröffnet Ksena, die mit bis zu fünf fußballgroßen roten Bällen jongliert und diese bei Handständen zum Beispiel in den Kniekehlen deponiert. Sie ist ebenso Absolventin der Circusschule in Kiev wie das Duo „La Brise“, bestehend aus Olga Mehova und Oleg Kolesnichenko, das seine Hand-auf-Hand-Artistik zu toller, schwungvoller Musik zeigt. Zu den interessantesten Darbietungen des Abends gehört der Auftritt von Tony Frébourg, Silbermedaillen-Gewinner beim „Cirque de Demain“ in Paris 2004, der bis zu drei Diabolos in die Rundkuppel des Friedrichsbaus fliegen lässt. Seinem Auftritt gibt er, selbst gehüllt in einen weißen Rock und das Gesicht zunächst hinter einer Maske verborgen, eine asiatische Note – mit passenden Projektionen im Hintergrund und einem Fächer-Tanz zum Auftakt der Darbietung, die er mit Salti und anderen Elementen der Bodenakrobatik kombiniert. Eine schöne tänzerische Handstanddarbietung mit Kontorsions-Elementen präsentiert Erica Lemay aus Kanada.


Enemy Squad, Asirya, Frank Wolf

"Streetstyle“: Hierfür stehen die Breakdancer „Enemy Squad“ aus Ungarn – drei Männer und eine Frau –, der dann und wann an den Plattenspielern scratchende Hamburger DJ Sparc und der Berliner Frank Wolf: Er zeigt, wie er als „Beatbox“ ein ganzes Schlagzeug ersetzen kann, rappt einen Song über coole Autos und zeigt als Schlussnummer seine spektakuläre BMX-Nummer. - „Lyrics“: Dieser Teil des Programmtitels kommt ein wenig kurz. Hinzurechnen können wir zum einen die Brasilianerin Beo da Silva, die während ihrer Arbeit am Vertikaltuch singt – eine stimmungsvolle Darbietung mit schönen Bildern ohne großen artistischen Wert. Vor dem Auftritt der Handstandartistin Erica Lemay hören wir zudem Lyrisches aus dem Off – und dann ist da ja noch der Auto-Rap Frank Wolfs. Nach der weitgehend humorfreien „Revue der Elemente“ gibt es in „Futura“ auch wieder etwas zu lachen: Clown Asirya aus Aserbeidschan arbeitet weitgehend pantomimisch und verharrt mit bekannten Circus-Späßen wie einem Klatschspiel mit dem Publikum zum Auftakt oder einer „Autofahrt“ mit unfreiwilligen Akteuren aus dem Zuschauerraum weitgehend im Konventionellen. Herrlich witzig ist seine Zigarrenkisten-Jonglage, die vom Orchester durch fortwährend falsche musikalische Begleitung boykottiert wird.

Freilich kann man sich trefflich streiten, ob nun ausgerechnet Breakdance und BMX „ein Fenster auf eine junge und innovative Szene“ öffnen, wie es im Pressetext heißt, oder nicht fast schon wieder „Retro“ sind: Unbeschwerte Unterhaltung, die das gediegene Friedrichsbau-Publikum nicht verschreckt und dennoch auch jüngere Menschen ansprechen könnte, bietet „Futura“ allemal. Die Hinwendung ans jüngere Publikum dokumentiert auch ein besonderes Angebot: Wer maximal 25 Jahre alt ist, kann „Futura“-Tickets zum ermäßigten Preis von 19 Euro buchen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobis Erber