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Chamäleon Theater - Flip
www.chamaeleonberlin.com - 53 Showfotos

Berlin, 28. Juni 2014: Sechs Freunde treffen sich nach Jahren erstmals  wieder und feiern eine ausgelassene Sommerparty – gerade so, als wäre man nie getrennt gewesen. Darum dreht sich die aktuelle Show „FLiP“ im Berliner „Chamäleon“. Das Thema ist ein Stück weit autobiographisch: Die Artisten, fünf Männer und eine Frau, haben sich in jungen Jahren an der Circusschule von Montréal in Kanada kennen gelernt. Nachdem jeder jahrelang mit verschiedensten Produktionen auf Tournee war, haben die Freunde sich wieder zusammengefunden und das Ensemble „Flip FabriQue“ gegründet.

Kurz nach seiner Gründung stellte Flip FabriQue auf dem Montreal Complètement Festival 2012 seine erste eigene Show vor. Als deutsche Adaption unter dem Titel „FLiP“ wird die Show nun bis Mitte August im Chamäleon Theater in Berlin gezeigt. Das Varietétheater in den Hackeschen Höfen befindet sich zwar in einem schönen, restaurierten Jugendstilsaal aus dem Jahr 1906, hat sich jedoch ganz dem Cirque Nouveau verschrieben. Einige Jahre lang wurden über die angeschlossene Produktionsfirma „Circle of Eleven“ vor allem eigene Shows im Stil des neuen Zirkus kreiert. Diese sollten zuerst in Berlin gezeigt werden und dann auf Tournee gehen. Inzwischen hat man sich mehr darauf verlegt, ausländische Cirque-Nouveau-Produktionen nach Berlin zu holen. So waren die australische Formation „C!RCA“ und das kanadische Ensemble „The 7 Fingers“ zu Gast. An die Stelle von „Circle of Eleven“ sind inzwischen die „Chamäleon Productions“ getreten.


Hugo Oulett Coté, Bruno Gagnon, Karianne Hayes, Jérémie Arsenault 

Gespielt wird auf einer Frontalbühne mit einer stilisierten Hauskulisse im Hintergrund. Verschiedene Tür- und Fensteröffnungen bieten die Gelegenheit für originelle Auf- und Abgänge. Die meiste Zeit über befindet sich das gesamte kleine Ensemble auf der Bühne, auch wenn nur ein oder zwei der Künstler gerade mit ihren Darbietungen im Vordergrund stehen. In der turbulenten Eröffnungsszene wird vor allem mit verschiedenen Sprüngen und Handvoltigen ein Querschnitt des artistischen Könnens gezeigt. Jérémie Arsenault und Bruno Gagnon zeigen gemeinsam eine starke Diabolonummer. Arsenault lässt alleine drei Diabolos fliegen; gemeinsam halten die beiden gar fünf der Doppelkegel in der Luft. Im Vorjahr gab es für diese Darbietung den Publikumspreis beim Young Stage Festival in Basel. Kraftvolle Artistik an den Strapaten ist dagegen das Metier von Hugo Oullet Côté. Nachdem er ansonsten seine gesamte Nummer über solo arbeitet, trägt er für einen Trick mit dem Nacken die Partnerin. Sie hält sich hier mit Händen. Eine echte Ensemblearbeit sind dann wieder die Handvoltigen. Bei diesen startet Flieger Bruno Gagnon vom „Dach“ der Hauskulisse und landet dort wieder. Pech für ihn: Am Ende hängt er oben am Rig, während die Kollegen unten ausgelassen Party machen – und ihn erstmal zappeln lassen. Zurück am Boden, zeigt er gemeinsam mit Hugo Oulett Coté Bouncing-Jonglage. Origineller Einfall: Gagnon jongliert mit vorgebeugtem Oberkörper und ausgestreckten Armen. So kann Coté ihn – ebenfalls gegen den Boden jonglierend – „unterqueren“. Das gesamte Sextett ist dann wieder zu der fröhlichen Seilspringnummer vereint, mit der vor der Pause die Stimmung angeheizt wird.


Ensemble, Karianne Hayes 

Passingjonglagen mit Keulen werden zum Auftakt des zweiten Programmteils von Bruno Gagnon, Jérémie Arsenault, Christophe Hamel und Francis Julien geboten. Besonders beeindruckend ist hier das Zwei-Mann-Hoch, bei dem Arsenault auf den Köpfen von Hamel und Julien steht. So jonglieren die drei zu Gagnon. Zwei klassische Zwei-Mann-Hochs gegenüber gehören ebenso zum Repertoire. Auf eine kurze Sprung-Akrobatik folgt eine augenzwinkernde Choreografie mit Gymnastikbällen. Da wird Gagnon auf einem Gymnastikball wie auf einem Schild getragen, wird eine Pyramide aus Menschen und Bällen errichtet und ziehen die Akteure mit den Bällen durchs Publikum. Dieses klatscht hier begeistert mit. Anstelle von Jade Dussault (Hula Hoop) aus der Originalbesetzung war in der besuchten Vorstellung krankheitsbedingt eine andere weibliche Artistin zu sehen, Karianne Hayes. Am Luftring bewies sie Geschicklichkeit und Beweglichkeit.


Finale

Der vielseitige Bruno Gagnon jongliert schließlich noch mit Bällen, wobei ihn Francis Julien mit Gitarre und Gesang begleitet. Natürlich wird hier die Gitarre auch ins Jonglage-Spiel eingebunden, prallen zwischendurch die Bälle gegen die Gitarre. Kurz darauf lässt Julien im Schein der Taschenlampen, die von seinen Kollegen gehalten werden, ein Mini-Diabolo tanzen. Wie bereits die erste Programmhälfte endet auch die zweite ausgelassen und heiter, diesmal mit Sprüngen über ein Minitrampolin. Da balanciert zum Beispiel Francis Julien einen Ring auf dem Kopf. Diesen durchspringt erst ein anderer Artist und der nächste greift ihn dann im Sprung und nimmt ihn mit.

Sechs Akteure auf der Bühne, zwei Mal 40 Minuten Programm plus 25 Minuten Pause: Das ist – nüchtern in Zahlen gemessen – bei Kartenpreisen bis 49 Euro das Minimum dessen, was man bieten muss. Aber das kanadische Sextett versteht sein artistisches Handwerk. Mit seiner ansteckend fröhlichen Arbeit sorgt es für echte Stimmung im Saal und lang anhaltenden Applaus zum Abschluss. Und dass „Cirque Nouveau“ kanadischer Prägung nicht immer bedeuten muss, das ganze Leid der Welt am Vertikaltuch auszudrücken, ist ein weiterer Pluspunkt: Auch im Theaterzirkus kann man gute Laune haben, wenn die „FlipFabrique“ eine Sommerparty feiert.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber