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Stuttgart, 25. Februar 2009:
15 Jahre Friedrichsbau – das Varieté im Zentrum von Stuttgart,
eröffnet am 24. Februar 1994, blickt zurück auf die Tradition
eines gleichnamigen Theaters an gleicher Stelle, 1898 eröffnet,
1943/44 im Krieg zerstört, 1955 vollends dem Erdboden
gleichgemacht. Vor allem aber blickt dieses Haus nach vorne: mit
modernen, frischen, durchaus mutigen Produktionen, die das
„Nummernvarieté“ hinter sich gelassen haben. Stattdessen
sorgt Regisseur Ralph Sun dafür, dass jede Show ihr unverwechselbares Gesicht bekommt, ihr
eigenes Thema oder Motto, das jeweils mit großem Aufwand
umgesetzt wird. |
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Ganz wichtig: Die
schönere Verpackung geht hier nicht zu Lasten des Inhalts. Und: Suns
Regie-Arbeiten fallen von Mal zu Mal überzeugender aus. Tatsächlich
scheint der richtige Weg gefunden, um trotz zahlloser
Unterhaltungsangebote in der Landeshauptstadt (und zeitweise zwei
konkurrierenden Dinnershows im Spiegelzelt gleichzeitig) sowie
rückläufiger Firmenbuchungen bestehen zu können. Happy Birthday,
Friedrichsbau! - Zum Start ins Jubiläumsjahr ist Ralph Sun und seinem
Team gleich ein besonderes Highlight geglückt: „Cult“ heißt die neue
Show, die voll auf jugendliche Frische setzt. Nichts falsch machen
konnte man mit der Truppe Bingo: Wie man es von diesem Ensemble aus Kiev
kennt, steuern die elf jungen Leute Darbietungen von hoher artistischer
und künstlerischer Qualität gleichermaßen bei. Und sehen natürlich
allesamt gut aus. Hinzu gesellen sich der wunderbare Clown Micha Usow –
und die vierköpfige Bryats Balalaika Band, wie Bingo ebenfalls aus der
Ukraine stammend.
  
Micha Usow, Bryats
Balalaika Band mit Ensemble, Soul B Ballet
Dreimal Balalaika,
einmal Akkordeon – das ist die Besetzung, in der die Band mitten auf
der Bühne die artistischen Darbietungen untermalt, mit Jazz und Folk,
Rock und Pop. Phantom der Oper, Michael Jackson, „My heart will go on“ –
all das ist hier in unterhaltsamen Versionen auf den traditionellen
Volksinstrumenten zu hören. Das eigentliche Friedrichsbau-Orchester
übrigens, bis auf den Schlagzeuger, pausiert in „Cult“. Ganz leise,
atemlos still beginnt das Programm mit dem Tanz von Nataliia Krotova und
Konstantin Tomilchenko alias „Soul B Ballett“; die Versuche des Mannes,
sich der Partnerin tänzerisch zu nähern, sind ein roter Faden in der
Show. In ihren modernen Choreographien zeigen sie (wie auch das Ensemble
in den Gruppen-Szenen) eine hervorragende tänzerische Ausbildung, auch
wenn uns manches Mal zu viel getanzt wurde. Furios später der
argentinische Tango im zweiten Programmteil. Der melancholische Clown
Micha gefällt mit eigenwilligen und eigenständigen Ideen wie dem
„Topf-Schlagzeug“ auf seinem Körper, über das er einen Ball jongliert,
oder später in einer weiteren Jonglagenummer mit dünnen Tüten.
  
Iryna Verezubova, Viktoriya und Victor Kosnirov,
Olena
Zhornyak und Anastasia Lomachenko
Originell ist
gleich die erste artistische Darbietung von Iryna Verezubova. Sie türmt
hantelförmige Walzen auf immer neue Weise übereinander und zeigt darauf
gekonnt ein- und zweiarmige Handstände. In ungewöhnlichen Posen Hand auf
Hand gefallen
Olena Zhornyak und
Anastasia Lomachenko. Zu Recht als Pausennummer platziert sind dann Victor
und Viktoriya Kosnirov mit ihrer anspruchsvollen Partnerjonglage mit
Stäben, die sie sich zum Beispiel Rücken an Rücken stehend über ihre
Köpfe zuwerfen.
  
Daria Shcherbyna, Oleg
Val'ko und Nataliia Krotova, Irina Melnichenko und Alla Kurkchi
Hat uns der erste
Programmteil gut gefallen, beginnt nach der Pause eine Aneinanderreihung
von Höhepunkten – im Wortsinn einer ist die kraftvoll-erotische
Strapatenarbeit von Oleg Val’ko, zum Teil gemeinsam mit Tänzerin
Nataliia Krotova. Am Boden geht es weiter mit den anspruchsvollen
Kontorsionen von Daria Shcherbyna. Die Brüder Maksym und Andrii Zhemann
alias „Duo Unicycle“ präsentieren eine Kombination aus Einrad und
Equilibristik – so liegt der Obermann auf dem Kopf seines Partners,
während dieser Einrad fährt. Rasant dann die gemeinsame Arbeit von Irina
Melnichenko und Alla Kurkchi am Doppeltrapez, rasant das nahtlos
anschließende Seilspringen des gesamten Ensembles, rasant das Finale –
in der Show, die so still und leise begonnen hat, lässt man es am Ende
richtig krachen.
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