Mit dieser großen Varietéproduktion über
verschiedene Bühnen zu tingeln, das ist sicher kein Projekt, um schnell
reich zu werden. Doch kaum erscheint der 40-jährige Gregor Glanz im
Scheinwerferlicht, wird klar: Seine Motive sind wohl andere. Er liebt und
er lebt den großen Auftritt. In der Rolle des klassischen Entertainers
geht er total auf. Glanz ist eine Rampensau. Dass seine
Plattenproduktionen Misserfolge waren, ficht ihn nicht an. Er sang als
Kind vor den Gästen in der elterlichen Pension. Als Jugendlicher in
einer Rockband. Als junger Mann gab er auf Mallorca und auf
Kreuzfahrtschiffen den Partysänger Bernie Bennings.
Gregor
Glanz, Ballett
Unter dem aktuellen Künstlernamen wagte er einen
Neustart. Und schlüpft nun in die Rollen von Frank Sinatra, Tom Jones,
Louis Armstrong, Joe Cocker und Elvis Presley. Quer durch Swing und Pop,
Rock und Blues, Jazz und Rockabilly beweist er großartige Wandelbarkeit,
trifft in erstaunlicher Weise die Stimmfarbe der jeweils imitierten
Künstler. Und deren Gestik auch. Das passt trefflich in eine Show, die
sich Las Vegas widmet. Ja, der Clown Mr. PopPipe reist zum Auftakt im
Flugzeug nach Las Vegas und pfeift dabei auf die üblichen
Sicherheitsanweisungen. Ja, wir sehen dann stimmungsvolle Videobilder
von einer Autofahrt zur Stadt. Und schließlich eine Kulisse, die viel zu
gucken bietet: mit Skyline der City, mit lebensgroßen, weißen
Plüsch-Tigern und überdimensionalen Spielkarten, mit Cadillac und
künstlichen Palmen. Auch die Showtreppe darf nicht fehlen. Aber eine
Handlung gibt es nicht. „Cirque du Vegas“ ist ein reines Nummernprogramm
mit Leitmotiv. Es treten schlicht und einfach Künstler auf, die sich gut
ins Klischeebild traditioneller Las-Vegas-Unterhaltung fügen. Ein enorm
hübsches Showballett in tollen Kostümen natürlich, ein Großillusionist
und ein Quickchange-Duo zum Beispiel. Das Ergebnis ist ein mitreißender
Abend, der Spaß macht und voll auf massentaugliche, beschwingte
Unterhaltung setzt.
Daniel Craven
mit Assistentin, Philippa Speigt, Lichtbilder von Volker Maria Maier
Gregor Glanz empfängt uns inmitten seiner vier
Revuegirls als Tom Jones im Glitzersakko. Auf „She’s a Lady“ und „Help
yourself“ folgt „Delilah“. Und er fordert auch gleich zum Mitschunkeln
auf. Während Friedrichsbau-Hausregisseur Ralph Sun manchmal wohl lieber
am Burgtheater inszenieren würde, schreckt Gregor Glanz vor
Bierzeltstimmung nicht zurück. Er verspricht, Las Vegas nach Stuttgart
zu holen. Und kündigt gleich die erste artistische Nummer an. Die
Engländerin Philippa Speigt, zugleich eine der Tänzerinnen in der
Produktion, zeigt an einem Metallwürfel Luftakrobatik mit verschiedenen
Halteposen. Ein Wirbel, kopfüber in einer Schlaufe, bildet den
Abschluss. Volker Maria Maier jongliert mit einem Leuchtstab im Dunkeln
sowie mit Devil Sticks. Effektvoll ist besonders der Abschluss. Hier
lässt er zwei LED-Stäbe wirbeln, mit denen Bilder aus Licht kreiert
werden können. Motive aus den James-Bond-Filmen, aber auch das Logo der
Show und das Wappen der Landeshauptstadt erscheinen in der Dunkelheit.
Mit „Rolling on the River“, wiederum inmitten knapp bekleideter
Tänzerinnen, zeigt uns Gregor Glanz, dass er auch Tina Turner drauf hat.
Fürs Staunen lassen ist dann wieder Magier Daniel Craven zuständig.
Blitzschnell und verblüffend wechseln er, scheinbar an ein Gitter
gekettet, und seine Assistentin die Plätze. Ruhiger, poetischer geht es
bei der anschließenden Geschichte um ein schwebendes Tischchen zu.
Max Loos,
Tänzerin, Oksana und Vadym
Mit Joe Cockers „You can leave your hat on" wird
übergeleitet zur Pole-Akrobatik von Max Loos, einem Absolventen der
Berliner Artistenschule. Mit Salto, Abfallern und blitzschnellem Abgang
kopfüber beeindruckt er im Rock’n’Roll-Rhythmus. Zu Recht ist dies die
Pausennummer. In die Unterbrechung leitet uns Gregor Glanz mit
Reibeisenstimme à la Louis Armstrong, den zweiten Programmteil startet
er als Frank Sinatra. Zu „News York, New York“ darf auch wieder
geschunkelt werden, das Ballett tanzt dazu im üppigen Federschmuck. Ein
Wiedersehen gibt es mit Volker Maria Mohr, der ein weiteres Mal
Lichtspiele in die Dunkelheit zaubert – nun in Gestalt einer Lasershow.
Zu den schönsten Quickchange-Nummern unserer Zeit gehört die von Oksana
und Vadym. Sie profitiert besonders vom hohen tänzerischen Können
des sympathischen Paares. Eine Musicbox dient als
„Express-Umkleidekabine“, im Goldregen aus Flitter wechselt die Artistin
direkt am Bühnenrand ihr Kleid. Noch einmal verzaubert uns Daniel Craven
– zunächst mit einem poetisch erzählten Trick, bei dem die Dame auf
seinem Erinnerungsfoto plötzlich in der Realität erscheint, auf einem
zuvor leeren Sessel. Dann geht es rasant weiter, wenn seine Mistreiterin
in einer Kiste scheinbar von Schwertern durchbohrt wird.
Mr. PopPipe mit Zuschauer,
Marco Noury
Ein amüsanter Begleiter durch den Abend ist Clown
Mr. PopPipe. Er segelt im via Regenschirm oder durch Blähungen
angetriebenen Boot über die Bühne, um Las Vegas zu suchen. In seinem
ausführlichsten Auftritt spielt er eine vergnügliche Messerwerfer-Szene
mit einer Dame und einem Herren aus dem Publikum. Artistische
Schlussnummer ist der Strapaten-Act von Marco Noury. Zu „Big Spender“
leitet er sie mit einem großen Auftritt inmitten des Balletts ein.
Kraftvoll gearbeitete Tricks auf der einen Seite, das
paillettengeschmückte Glitzerkostüm und androgyne Ausstrahlung auf deren
anderen bilden einen außergewöhnlichen Kontrast. Offensiv sucht er den
Kontakt zum Publikum. Und reichlich offensiv agiert auch Gregor Glanz in
seiner Paraderolle als Elvis Presley. „Suspicious Mind“, „Blue Suede
Shoes“, „Can’t help falling in Love“ und eben „Viva Las Vegas“, der
Titelsong der Show werden von ihm zelebriert, im Elvis-Kostüm und
Küsschen im Publikum verteilend. Die Stimmung in dieser Vorstellung wird
nicht nur von den Akteuren auf der Bühne angeheizt, sondern auch von
Kollegen und Freunden des Ensembles, die als Zuschauer zu Gast sind. Und
es dabei fast übertreiben. Jedoch sind sie am Ende beileibe nicht die
einzigen, die ausgelassen zwischen den Tischen tanzen und stehend
applaudieren. |