Damit
ist das Friedrichsbau-Varieté nach der Sommerpause in die Theatersaison
2016/17 gestartet. Es ist die dritte am neuen Standort auf dem
Pragsattel. Dort bietet sich am Premierenabend bei herrlichem
Spätsommerwetter ein wunderbares Bild: Sowohl vor dem benachbarten
Theaterhaus als auch im Außenbereich des neuen Friedrichsbau-Varietés
haben sich unzählige Menschen versammelt. Sie lachen, erzählen, trinken,
warten auf verschiedene Vorstellungen in beiden Kulturstätten. So sieht
es aus, wenn eine neue Theatermeile entstanden ist. Und auch im
Friedrichsbau selbst stehen die Zeichen auf Weiterentwicklung. Während
der Sommerferien wurde im Zuschauerraum ein umlaufendes, etwa 20
Zentimeter hohes Podium eingebaut. So profitieren die Zuschauer im
hinteren und im seitlichen Bereich des Saales von verbesserter Sicht.

Vivi Valentine
Ermutigt durch die Erfolge der bisherigen Burlesque-Shows 2008 und 2009,
wagen die Friedrichsbau-Macher heuer noch mehr. Die bisher hier
gezeigten Striptease-Szenen waren noch viel stärker ironisch gebrochen –
gerade so, als müsste man sich für Erotik entschuldigen. 2016
präsentieren sich die burlesken Szenen gewagter, sinnlicher, frivoler.
Es sind kunstvolle Schönheitstänze in edler, opulenter, zuweilen
verschwenderischer Aufmachung. Und noch etwas ist neu: Nicht nur Frauen
ziehen sich aus, auch Menstrip findet nunmehr seinen Platz.
  
Ferkel Johnson
Ferkel
Johnson, der mit seinen eloquenten Moderationen durch den Abend führt,
lässt gleich bei einem seiner ersten Auftritte auf urkomische Weise die
Hüllen fallen. Nur ein kleiner Hut verdeckt die entscheidenden Stellen.
Später singt er einen Lovesong und spielt dazu Ukulele. Zeigt seine
Fähigkeiten im Quickchange, bis er schlussendlich im roten Kleid auf der
Bühne steht. Erzählt auf bittersüße Weise, wie er die eigene Existenz
einer unglücklichen Affäre seiner Großmutter mit einem US-Soldaten
verdankt. Oder spielt Puppentheater mit den eigenen Knien. Noch mehr
Facetten seiner schillernden Persönlichkeit erleben wir im zweiten
Programmteil. Hier erzählt er eine Parabel auf das Leben und die Liebe,
die für die Protagonisten – Hering und Makrele – tragisch in der
Fischkühltheke endet. Zeigt einen absurden Tanz in einem rosa Kleid, in
dem er seine weibliche Seite voll auslebt. Und verabschiedet sich später
im Zugabenteil mit dem sündigsten Lied, das wir je gehört haben. Mit
Unschuldsmiene trägt er englische Verse vor, die man weder vergessen
noch zitieren kann.
  
Vivi Valentine, Miss Skopalova und
Bray Buenrostro, Janet Fischietto
Im
Opening der Show sehen wir das gesamte Ensemble in einer stylishen
Modenschau. Abwechselnd wird jeweils ein Künstler ins Spotlight
getaucht. Bald darauf ist es Zeit für die erste Burlesque-Szene, die
sinnlich-schöne und aufregend-moderne Interpretation des Federtanzes von
Vivi Valentine. Sie ist es auch, die zum Beginn des zweiten
Programmteils für einen der Höhepunkte des Abends sorgt. In ihrer Nummer
„Oriental“ tanzt sie in einem großen Metallbogen, während sie von ihren
beiden Haremsdienern mit goldenem Flitter übergossen wird. Als weiteren
Höhepunkt wird man die überaus laszive Fetisch-Nummer von Miss Skopalova
und Bray Buenrostro bezeichnen dürfen. Mann und Frau sind hier durch
eine Kette aneinander gefesselt und zeigen in dieser Verbundenheit ihre
starke Partnerakrobatik. Heftig bejubelt durch das Publikum. Im ersten
Programmteil präsentiert Miss Skopalova zudem eine Luftringnummer im
Burlesque-Stil. Den Schwierigkeitsgrad erhöht sie durch einen Ball, den
sie bei ihren Posen mit den Füßen hält. Die Italienerin Janet Fischietto
zelebriert sich in ihren beiden Burlesque-Auftritten „Feuergöttin“ und
„Fliegende Königin“ selbst als mondäne Diva der Stummfilmzeit.
  
Marie
Bitaroczky und Mirko Köckenberger
Marie
Bitaroczky und Mirko Köckenberger sind beide Absolventen der Berliner
Artistenschule und privat wie auf der Bühne ein Paar. Als
Liebesgeschichte zu einem romantischen Popsong ist ihre starke
Partnerakrobatik in Szene gesetzt, bei der sich beide in der tragenden
Rolle abwechseln. Marie Bitaroczky, die wir bisher mit ihrer
Vertikalseilnummer kannten, hat sich nun für das Luftnetz entschieden.
Dabei nutzt sie die Möglichkeiten, die dieses Requisit bietet,
hervorragend aus. Beispielweise mit einer Art Vorwärtsrolle und
equilibristischen Übungen im Netz. In seiner heiteren Handstand-Nummer
auf einem Stapel Koffer schafft es Mirko Köckenberger, sich dabei aus-
und ein neues Outfit wieder anzuziehen. Das Publikum klatscht begeistert
mit.
  
Daniel
Görich, Les Dudes, Naoto
Mit
gleich vier Auftritten im Stil des Cirque Nouveau sind Philippe Dreyfuss
und Francis Gadbois in „Affairs“ vertreten. Verschiedene Genres wie
Kunstradfahren, Jonglagen (bis zu sieben Bälle!), Einrad und komisches
Schleuderbrett werden vorgestellt. Während Dreyfuss den ernsthafteren
Ansatz wählt, schreckt sein vollbärtiger Kompagnon Gadbois auch nicht
davor zurück, die überdrehte Assistentin im grünen Kleid mit
Glitzerpumps und Federschmuck auf dem Kopf zu geben. Mit einem wilden
Tanz entert Daniel Görich alias Daan die Bühne. Am Vertikalseil
kombiniert er Verschlingen und Verwicklungen mit Salti, Überschlägen und
Pirouetten. Den Schlusspunkt unter das mehr als zweieinhalbstündige
Programm setzt schließlich der Japaner Naoto, wenn er auf
temperamentvolle Weise zwei Jo-Jos gleichzeitig durch die Luft wirbeln
lässt. |